Stellwerk Magazin

Künstlerporträt Giulio Cesare Bedeschini

Vorwort

Giulio Cesare Bedeschini stammt aus einer Künstlerfamilie, die ursprünglich in Piacenza, in Norditalien angesiedelt war. Geboren wurde Bedeschini jedoch in L’Aquila um das Jahr 1582, als Sohn von Alessandro Bedeschini und Dionisia Fontanini. Dass seine Familie Ende der 1560er Jahre nach L’Aquila umzog, lässt sich aus den Aufzeichnungen des Erzbischofs und Geschichtsschreibers Anton Ludovico Antinori und den Kirchenregistern von L’Aquila entnehmen. Des Weiteren ist belegt, dass die Kunst in L’Aquilla und der näheren Umgebung über mehrere Generationen von der Familie Bedeschini geprägt wurde. Am 27. Juni 1627 starb Giulio Cesare Bedeschini und wurde auf eigenen Wunsch hin an der Seite seiner Familienmitglieder in der Kirche Santa Maria Paganica beigesetzt.

Im Graphischen Kabinett des Wallraf-Richartz Museums in Köln findet vom 14. Februar bis zum 4. Mai 2014 eine Ausstellung über die Zeichnungen des Künstler Giulio Cesare Bedeschini statt. Doch wer war Bedeschini? Und was macht seine Kunst aus? Dass dabei dem Künstler bislang kein sehr hoher Bekanntheitsgrad zugesprochen werden kann, macht diese Ausstellung umso spannender.

Seine ersten künstlerischen Erfahrungen machte Giulio Cesare Bedeschini als Schüler des toskanischen Malers Ludovico Cardi, bekannt unter dem Namen Cigoli.1Vgl. Eder, Angelika: Giulio Cesare Bedeschini – Eine biographische Skizze, in: Katalog - Die Zeichnungen des Giulio Cesare Bedeschini – Schätze aus der Jesuitensammlung 1, Wallraf das Museum, 2014, S. 5. Die Tatsache, dass Cigoli 1605 nach Rom ging, lässt vermuten, dass sich Bedeschini ebenfalls um diese Zeit in Rom aufhielt. Er beendete seine Ausbildung jedoch im Jahre 1607 und kehrte in seine Heimatstadt L’Aquila zurück. Diese Annahme gründet darauf, dass das erste von Bedeschini signierte Gemälde, der Betlehemische Kindermord von 1607, ursprünglich in der Kirche Madonna della Laurenta in L’Aquila aufgestellt war. In L’Aquila übernahm und leitete Bedeschini fortan den Werkstattbetrieb der Familie. Gemeinsam mit seinen Mitarbeitern spezialisierte er sich auf die Produktion von Altargemälden und Fresken. Für die Künstler dieser Zeit lag ein Dekret der Kirche vor, welches die Anforderungen an die sakrale Kunst genau erfasste. Diese Anforderungen wurden von Bedeschini aufgrund der Wahl seiner Motive und Bildthemen genauestens erfüllt, weswegen ihm die kirchlichen Auftraggeber schon bald große Anerkennung entgegenbrachten.2Vgl. ebd., S.5-7. Der wohl bedeutendste Auftrag des Künstlers waren die großformatigen Wandmalereien, welche er in der Kirche S. Silvestro in L’Aquila vorgenommen hat. Dabei handelt es sich um den Tempelgang Mariens, die Darbietung Jesu im Tempel und die Marienkrönung.

Lange Zeit war Bedeschini lediglich für seine Altargemälde und Fresken bekannt, bis Simonetta Prosperi Valentin Rodinò 1989/90 eine Verbindung zwischen einem Gemälde des Künstlers und einer Zeichnung in der Graphischen Sammlung in Düsseldorf erkannte. Rodinò stellte fest, dass das Gemälde der Beschneidung Christi, welches von Bedeschini signiert ist und auf das Jahr 1618 datiert werden kann, dieselbe Komposition aufweist, wie die Zeichnung in der Graphischen Sammlung in Düsseldorf.3Vgl. Ketelsen, Thomas: Zeichnungen von Giulio Cesare Bedeschini in Köln, Düsseldorf, München und Paris. Eine Sammlungs-Konstellation, in: Katalog - Die Zeichnungen des Giulio Cesare Bedeschini – Schätze aus der Jesuitensammlung 1, Wallraf das Museum, 2014, S. 87. Aufgrund dieser Erkenntnis konnten nun auch in den Graphischen Kabinetten in Köln, Düsseldorf, München und Paris Zeichnungen dem Künstler Bedeschini zugeordnet werden, welche vorher unter den Namen anderer Künstler abgelegt wurden.4Vgl. ebd., S.88.

Die Zeichnungen der verschiedenen Graphischen Kabinette weisen eine gemeinsame Geschichte auf und zeigen den Künstler Bedeschini nun erstmals als Zeichner. Die Graphische Sammlung des Wallraf-Richartz Museums verfügt heute mit 8 Blättern über den größten Bestand an Zeichnungen von Bedeschini. 5Vgl. Interview mit Dr. Thomas Ketelsen, Leiter der Graphischen Sammlung in Köln

Der Leiter der Graphischen Sammlung in Köln, Dr. Thomas Ketelsen, spricht hier von einer "detektivischen Vorgehensweise“, die es möglich macht, die ursprünglich in einer Werkstatt entstanden Zeichnungen, im Rahmen der Ausstellung im Wallraf-Richartz Museum wieder zusammenzuführen. Die Ausstellung befasst sich daher erstmals mit dem zeichnerischen Werk des Künstlers, wobei der Schwerpunkt hier auf Bedeschinis Technik des cut and paste liegt. Thomas Ketelsen, Leiter der graphischen Sammlung in Köln:

„Das spannende an der Ausstellung, ist die Neukreation eines Künstlers als Zeichner.“

G. C. Bedeschini

Giulio Cesare Bedeschini, Himmelfahrt Mariens, um 1614/15, Feder und braune Tinte, braun laviert, Spuren einer Vorzeichnung in schwarzer Kreide, ovales Bildfeld mit einem größeren Zeichnungsfragment in der Mitte und einem Verschnitt rechts, 156 x 219 mm, WRM & FC, Graphische Sammlung, Inv. Z 2868, Köln

Die Technik des cut and paste zieht sich durch Bedeschinis Zeichnungen wie ein roter Faden und seine Vorgehensweise ist hier sehr komplex6 So Angelika Eder in der Eröffnungsveranstaltung zur Ausstellung „Die Zeichnungen des Giulio Cesare Bedeschini – Schätze aus der Jesuitensammlung 1“.: Ähnlich dem heute häufig angewandten Verfahren des copy and paste schnitt Bedeschini einzelne Motive oder Figuren aus seinen Zeichnungen aus, um sie an anderer Stelle wieder einzusetzen. Bei der Eröffnungsveranstaltung zur Ausstellung wies Angelika Eder in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Künstler besonders bei den mehrfigurigen Blättern gleich mehrere solcher Eingriffe vornahm. Beispielhaft hierfür ist die Himmelskönigin, bei der Bedeschini mit 18 verschiedenen Fragmenten arbeitete, welche zum Teil in vierfacher Schichtung auftreten.7Vgl. Ketelsen, Thomas: Phantasien der Wiederholung. Zur Schöpfungskraft der Oberfläche im Zeitalter des disegno, in: Katalog - Die Zeichnungen des Giulio Cesare Bedeschini – Schätze aus der Jesuitensammlung 1, Wallraf das Museum, 2014, S. 14. Darüber hinaus verfügte Bedeschini über ein festes Repertoire an vorgefertigten Figuren, welche er nach Belieben ebenfalls neu kombinieren und in seine Kompositionen einsetzen konnte.8Vgl. Klinke, Thomas: Giulio Cesare Bedeschini – Ein Meister des cut and paste?, in: Katalog - Die Zeichnungen des Giulio Cesare Bedeschini – Schätze aus der Jesuitensammlung 1, Wallraf das Museum, 2014, S. 80. Das zeigt sich auch daran, dass sich die gleichen Figuren zum Teil auf verschiedenen Zeichnungen wiederfinden lassen. Um über ein solches Figurenrepertoire zu verfügen, muss der Künstler Schablonen besessen haben, die es ihm ermöglichten, Figuren mehrfach auf dieselbe Weise zu zeichnen und somit zu duplizieren. Entweder nutzte er diese Schablonen, um Figuren, zum Teil auch gespiegelt, direkt aufs Blatt zu zeichnen, oder er schnitt die duplizierten Figuren aus, um sie in seine Kompositionen einzukleben. Man kann daher sagen, dass schon Bedeschini die Technik des cut and paste zu einer Technik des cut, copy and paste weiterentwickelt hat.9Vgl. Ketelsen, Thomas: Phantasien der Wiederholung. Zur Schöpfungskraft der Oberfläche im Zeitalter des disegno, in: Katalog - Die Zeichnungen des Giulio Cesare Bedeschini – Schätze aus der Jesuitensammlung 1, Wallraf das Museum, 2014, S. 22.

G. C. Bedeschini

Giulio Cesare Bedeschini, Anna selbdritt mit dem Heiligen Franz von Assisi und einem weiteren Heiligen, um 1611, Feder und braune Tinte, braun und graugrün laviert, schwarze Kreide, fünf aufgeklebte Zeichnungsfragmente, quadriert, 388 x 259 mm, WRM & FC, Graphische Sammlung, Inv. Z 3492, Köln

Eine weitere Besonderheit bei Bedeschinis Technik ist die, dass die einzelnen Elemente mit dem Messer herausgeschnitten und teilweise sogar gerissen wurden, weswegen die Schnitte den Linien der Figuren nicht genau folgen. Die Quadrierungen, die Bedeschini über seine Zeichnungen legte, sind darüber hinaus exakt bemessen, so dass man die Zeichnung maßstabsgetreu vergrößern und übertragen kann. Es handelt sich bei seinen Zeichnungen demnach um Entwürfe, die Stück für Stück zusammengesetzt wurden und langsam zu der idealen Komposition herangewachsen sind.10Vgl. ebd., S. 23. Auch im 17. Jahrhundert war die Erschaffung einer guten Komposition die bedeutendste Anforderung an die Malerei. Dabei ging man davon aus, dass composizione und invenzione, d.h. die Komposition und die Idee bzw. der Geist des Künstlers untrennbar miteinander verbunden sein müssen. Für Leonardo da Vinci etwa hatte der Künstler die Ideen für seine Bildkompositionen "zuerst im Geist, und dann in den Händen“. Er ging davon aus, dass der Künstler das Bild zunächst im Geist, in der invenzione, erschafft und es dann nur noch handwerklich auf die Komposition übertragen muss.

Statt seine Werke aber bereits im Geiste zu vervollständigen und zu perfektionieren, nimmt Bedeschini zum Teil zahlreiche Korrekturen an seinen Zeichnungen vor und gelangt auf diese Weise zu der perfekten Komposition.11Vgl. ebd., S. 19-21. Hierdurch lässt sich der dynamische Gestaltungsprozess des Künstlers Schritt für Schritt nachvollziehen. Bedeschini spielt dabei mit Idee und Entwurf, wie es im frühen 17. Jahrhundert für die italienische Zeichenkunst durchaus typisch war. Mit seiner speziellen Vorgehensweise des Ein- und Überklebens begründet Bedeschini jedoch in gewisser Weise eine ganz neue und eigene Gattung des Zeichnens.12Vgl. Klinke, Thomas: Giulio Cesare Bedeschini – Ein Meister des cut and paste?, in: Katalog - Die Zeichnungen des Giulio Cesare Bedeschini – Schätze aus der Jesuitensammlung 1, Wallraf das Museum, 2014, S. 82. Giulio Cesare Bedeschini ließe sich somit als ein früher Meister des cut and paste bezeichnen, da er diese Technik durch seine Arbeitsweise bereits im 17. Jahrhundert mit vollendet und geprägt hat.

Fotos: Wallraf-Richartz Museum, Graphische Sammlung

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