Stellwerk Magazin

Interview mit Felicitas Hoppe Beruf: Schriftstellerin

Vorwort

Die deutsche Schriftstellerin Felicitas Hoppe wurde 1960 als drittes von fünf Kindern in Hameln geboren, heute lebt und arbeitet sie in Berlin. Ihr Debüt hatte sie 1996 mit dem Prosaband “Picknick der Friseure”. Seither gewann sie zahlreiche Auszeichnungen und bekam zuletzt 2012 den Georg-Büchner-Preis für ihren Roman “Hoppe”, eine vermeintliche Biographie, die sich als Traumbiographie erweist.

Anlässlich einer Lesung ihres Romans “Hoppe” und der Einladung zu der Vorlesungsreihe “Germanistik und Beruf” an der Universität zu Köln ist Felicitas Hoppe im Herbst nach Köln gekommen und hat uns schonungslos und offen erzählt, was es mit dem Beruf der Schriftstellerin auf sich hat.

Felicitas Hoppe, berlin, August 2011 Felicitas Hoppe, Berlin, August 2011

Wer darf als Erstes ein Buch von Ihnen lesen?

Eigentlich überhaupt niemand. Ich schreibe meine Bücher, was glaube ich eher ungewohnt ist, allein. Es kommt schon einmal vor, dass ich einzelne Passagen Freunden vorlese, jedoch passiert dies erst recht spät. Meist ist es so, dass ich auch dem Lektor erst das endgültige Manuskript vorlege. Es gibt viel Austausch über das Thema, aber es gibt keinen richtigen "Erstleser". Und zwar aus dem Grund, dass es manchmal eher von Schaden als von Nutzen ist: Vor allem dann, wenn es in einem zu frühen Stadium passiert. Jeder Kontakt zur Außenwelt beim Schreiben kann eine Unterstützung und Hilfe sein, kann jedoch auch Zweifel säen.

Sehen Sie sich als Botschafterin? Möchten Sie mit Ihren Büchern etwas vermitteln?

Da ich schon schreibe, seit ich ein Kind bin, gibt es für mich kein Rollenverständnis. Wenn man später oder auch aus einem bestimmten Beweggrund wie beispielsweise einer traumatischen Erfahrung oder zu einem politischen Anlass zu schreiben beginnt, ist es anders. Ich würde mich nicht als Botschafterin begreifen. Jetzt, da ich seit 17 Jahren in dem Geschäft bin, kann ich schon sagen, dass ich die Fahne der Literatur, als eine der letzten Freiräume hochhalte, die ich überhaupt sehe. Dies ist natürlich auch eine Botschaft.

In dem Roman "Hoppe" berichtet Felicitas Hoppe über ihren Kindheitswunsch Dirigentin zu werden. Gilt das auch für die reale Felicitas Hoppe oder stand für Sie schon immer fest, dass Sie Schriftstellerin werden wollen?

Nein, das war völlig unklar. Das hat Gründe in der Zeit und in der Herkunft Es ist in heutigen Generationen vielleicht anders. Heute sind die jungen Leute fokussierter. Ich komme aus einer Familie ohne feste Berufsbilder, in der Talente gefördert wurden. Später wollte ich sogar ausdrücklich nicht Schriftstellerin werden, da ich fand, dass dies ein sehr asozialer Beruf ist, in dem man viel allein ist und ich lieber mit Menschen zusammen sein wollte. Ich habe verschiedene Berufsbilder ausprobiert, und dass ich trotzdem Schriftstellerin geworden bin, zeigt auch: Man hat es nicht selbst in der Hand. Wenn man heute meine Mitschüler fragt, die würden wahrscheinlich sagen, das war schon immer klar, Schriftstellerin zu sein ist ihre Bestimmung.

Was haben Sie nach der Schule gemacht?

Aus Verlegenheit habe ich mich nach der Schule für das Studium entschieden. In Hildesheim habe ich zwei Semester lang Kulturpädagogik studiert, was mich aber nicht überzeugt hat. Danach habe ich Rhetorik, Religionswissenschaften und Literaturwissenschaften in Tübingen studiert und anschließend meinen Master in Amerika in "German Languages and Literature" gemacht.

Der Name Felicitas bedeutet übersetzt "Glück". Inwiefern spielt Glück eine Rolle in Leben und Beruf?

Glück spielt sicher eine Rolle. Es gibt Glück in einem Sinn, den man nicht beeinflussen kann. Mein Debüt wurde zum Beispiel ein halbes Jahr später als geplant herausgebracht und war auch für Kurzgeschichten sehr erfolgreich. Hätte ich, wie geplant, im Jahr 1995 debütiert, hätte ich auch nicht den Aspekte-Literaturpreis erhalten, da zu diesem Zeitpunkt die Konkurrenz einfach stärker war. Das andere Glück ist, dass man Vertrauen in sich selbst mitbringt und den eigenen Weg geht, ohne sich zu sehr an anderen zu orientieren. Fixierung ist schlecht, da es immer auch mit Angst zusammenhängt, die fremdgesteuert wird. In meinem Leben, in dem ich ja als erfolgreiche Schriftstellerin eines bestimmten Genres gelte, ist nichts fest. Und das ist für mich erhöhte Lebensqualität. Ein Plan, der vollkommen aufgeht ist langweilig. Momente des Scheiterns gehören zum Leben einfach mit dazu.

Kann man Geld mit Glück gleichsetzen bzw. kann Geld Glück erleichtern?

Absolut. Geld ist eine Ressource, mit der man unglaublich viel machen kann. Geld ist richtig toll, solange man nicht darüber nachdenken muss. Wenn man nicht weiß, wie man im nächsten Monat die Miete bezahlen soll, stimmt etwas nicht. Gleichzeitig läuft auch etwas verkehrt, wenn man keine Idee hat, wie man sein ganzes Geld ausgeben soll. Es ist gut, wenn es regelmäßig zur Verfügung steht und ich frei darüber entscheiden kann, was ich mir kaufen möchte.

Wie würden Sie einen typischen Arbeitsalltag beschreiben?

Wenn ich ein Buch schreibe, versuche ich mich zurückzuziehen und schreibe 13 bis 14 Stunden am Tag. In der Zeit, in der ich nicht an einem Buch arbeite, besteht ein Großteil aus Büroarbeit und Reisen. Das heißt: Interviewfragen beantworten, Termine machen, die Website aktualisieren, Lesungen halten etc. In dieser Zeit arbeite ich etwa vier Stunden pro Tag im Büro und verfasse ansonsten kleinere Texte. Während einer Reise kann ein Tag mit einer Zugreise beginnen, dann folgen ein Interview oder eine Vorbesprechung und eine Lesung mit anschließendem Geschäftsessen. Indessen ist es immer problematisch mit der Finanzierung in der Zeit des Schreibens, da man über kein festes Einkommen verfügt. Ich kann mich zwar auf Stipendien bewerben, aber es gibt auch einen Punkt, wo man aus dem Versorgungssystem herauskommen möchte.

"Der Schriftsteller macht alles allein. Er ist der Dirigent, der Komponist, das Orchester und im schlimmsten Fall auch das eigene Publikum selbst." / "Ich wollte nie Schriftsteller werden, ich war das schon immer." 1Felicitas Hoppe, Vorlesung "Germansitik und Beruf", Universität zu Köln, Oktober 2014

Was ist das Besondere an Ihrem Beruf?

Man muss das, was man tut, wollen und genießen. Solange die Vorteile überwiegen, ist man auf der richtigen Seite. Die Vorstellung frei zu sein, ist natürlich das Beste. Das ist der Wunsch eines jeden Selbstständigen. Freiheit ist jedoch relativ und im Beruf des "freien Schriftstellers" schwer umzusetzen. Der sogenannte "Freie" ist die Karikatur des Freien.

Wie gehen Sie mit Kritik und Presse um?

Kritik sehe ich heute mit einer lockereren Einstellung als früher. Hierbei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Zum einen die Konstitution, sprich schlicht die Gesundheit, die durch die vielen Reisen immer beansprucht ist und zum anderen stellt sich die Frage: Kann ich mir mein Leben auch anders vorstellen? Nicht im Sinne eines Verrates, sondern als eine Art Notnagel. In diesem Beruf muss man Kritik einstecken können, eine dicke Haut haben. Die Tücke eines Künstlerberufs liegt in der eigenen Person, die immer im Spiel ist und die von der Öffentlichkeit oft angegriffen wird. Das erzählt einem in dem Betrieb erstmal niemand. Es gibt viele Künstler, die ihr Leben opfern, weil sie dem Druck eines Publikums nicht standhalten. Dies ist in der Literatur allerdings seltener der Fall als etwa in der Popmusik.

Welchen Rat würden Sie angehenden Schriftstellern geben?

Es ist wichtig, sich andere Möglichkeiten offen zu halten, um den Druck zu vermeiden und um notfalls noch auf etwas anderes ausweichen zu können. Ich habe jahrelang auch unterrichtet und weiß, dass ich auch etwas anderes kann. Ich hatte nie Zukunftsangst. Wenn ich einen Rat geben sollte, ist es der, einen Beruf zu lernen, sodass das Leben nicht damit steht und fällt, ob man publiziert oder nicht. Viele Schriftsteller, die ich kenne, arbeiten zum Beispiel auch als Juristen, Dolmetscher oder sind journalistisch tätig. Außerdem gibt es sehr viele Schriftsteller, die davon leben "Schreiben" zu unterrichten. Dies dagegen birgt eine gewisse Ironie, da sie etwas unterrichten, von dem sie selber nicht leben können.

Welches Buch liegt gerade neben ihrem Bett? Was lesen Sie gern in Ihrer Freizeit?

Das ist ganz unterschiedlich. Ich lese gar nicht unbedingt viel. Das Letzte, was ich moderiert und wirklich gerne gelesen habe, ist das Debut meines jungen Kollegen Franz Friedrich mit dem Titel Die Meisen von Uusimaa singen nicht mehr. Außerdem lese ich unheimlich gerne Sachbücher und Biographien, die mich für meine Zwecke manchmal auch mehr inspirieren, als andere Literatur.

Foto: Tobias Bohm | Fischer Verlag

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