Stellwerk Magazin

Museum Ludwig HIER UND JETZT- Heimo Zobernig

Vorwort

Am 20. Februar 2016 startete im MUSEUM LUDWIG die neue Ausstellungsreihe HIER UND JETZT, die sich mit neuen Formen der Ausstellungskonzeption befasst. Zentrale Fragen sind in diesem Zusammenhang: Wie funktioniert Kunst? Wie hat sich die Institution “Museum” im Laufe der Zeit verändert? Und was heißt es eigentlich Kunst zu präsentieren? Um sich diesen Fragen zu nähern, arbeitet das Museum Ludwig in der neuen Ausstellungsreihe mit verschiedenen internationalen Künstlern aus unterschiedlichen Bereichen zusammen. Dadurch öffnet sich ein Raum für interdisziplinäre Experimente, in dem unterschiedlichste Produktionsformen Platz finden, wie Design, Musik, Theater, Archive, Plattenlabel und Verlage.

Den Auftakt der Reihe bildet der österreichische Künstler Heimo Zobernig. Aufgrund seines experimentellen Umgangs mit dem Skulpturbegriff gelingt es dem Künstler immer wieder neue Parallelen zwischen den Bereichen Kunst, Architektur und Design aufzuzeigen.

Wanderung der Skulpturen

Auf der Biennale in Venedig gestaltete Heimo Zobernig den österreichischen Pavillon neu, indem er massive, schwarze Einbauten aus stabiler Pappe an der Decke installierte, die auf den gesamten Raum auswirkten. Durch den geschickten Eingriff in die Raumproportionen ließ er die historistischen Rundbögen und Stufen verschwinden und schaffte auf diese Weise ein völlig neues Raumgefühl. Die historisierenden Bauelemente wurden durch eine grade und strenge Linienführung innerhalb der Architektur ersetzt, wodurch der gesamte Raum eine modernere Wirkung und somit auch eine ruhigere Ausstrahlung erlangte. An den Stellen, an denen die ursprünglichen Merkmale des Pavillons noch ansatzweise zu erkennen waren, entstand darüber hinaus eine Variation zwischen Moderne und Historizismus. Architektonische Merkmale aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts verbanden sich hier etwa mit historistischen Treppenaufgängen.

Für die Kunsthalle in Bregenz erstellte Zobernig einen Nachbau dieser ortsspezifischen Deckeninstallation und überführte sie auf diese Weise erstmalig in einen neuen Kontext. Auch hier befand sich der schwarze Einbau im Deckenbereich der Kunsthalle. Durch den Wechsel der Räumlichkeit stimmte er jedoch nicht mehr mit dem Deckenvolumen überein, wodurch eine neue Wirkung entstand. Während die Decke des Pavillons in Venedig übergangslos von der Konstruktion verdeckt wurde, die somit nahtlos in die Architektur überging, war die Konstruktion in Bregenz frei schwebend im Deckenbereich installiert, so dass sie den Raum in eine Licht- und Schattenseite unterteilte. Da diese Konstruktion das Deckenvolumen nicht ausfüllte, wirkte sie hier nicht länger als Teil der Architektur, sondern erlangte den Status eines eigenständigen skulpturalen Kunstwerks.

Installation view, Austrian Pavilion, Giardini della Biennale, Venice, 2015
© VG Bild-Kunst, Bonn 2016 / Foto: Archive HZ

Installation view, Kunsthaus Bregenz © VG Bild-Kunst, Bonn 2016 Foto: Kunsthaus Bregenz/Markus Tretter

Hier und Jetzt

Für die Ausstellungsreihe HIER UND JETZT im Museum Ludwig hat Zobernig sein Kunstwerk nun ein weiteres Mal in einen neuen Kontext eingebunden und ihm darüber hinaus eine noch deutlichere Funktion verliehen. Anstatt einen weiteren Nachbau zu erstellen, überführte er die bestehende Installation von Bregenz nach Köln. Der massive, schwarze Monolith wurde in seine Bestandteile zerlegt und neu montiert. Auch seine Platzierung innerhalb des Raumgefüges hat sich verändert. Die ursprüngliche Deckenkonstruktion hat nun auf dem Boden der Grafikräume des Museums Ludwig ihren Platz gefunden, wodurch solide schwarze Sockel entstanden sind, die nun der Präsentation von Kunst dienen.

Die neun Skulpturen, die auf diese Weise ausgestellt werden, wählte der Künstler eigens aus der Sammlung des Museums aus. Das wohl prägnanteste Beispiel für diese neue Form der Kunstpräsentation stellt der massive rechteckige Monolith dar, der bereits fünf der neun Skulpturen als Sockel dient. Hier zeigt sich, dass die geringe Anzahl der Skulpturen sehr gezielt ausgewählt und zusammengestellt wurde. Jene gezielte Auswahl und Platzierung verleiht der Ausstellung auch eine ironische Wirkung und regt den Betrachter dazu an, die Kunst aus einem neuen Blickwinkel zu sehen. Das zeigt sich zum Beispiel in der Zusammenführung zweier Vogelskulpturen, die sich im Stil zwar stark unterscheiden, jedoch in der selben Zeit entstanden sind. „La chouette“ , eine aus Keramik gefertigte Eule von Pablo Picasso und die Vogelskulptur des Bildhauers Hans Uhlmann, die sich durch ihre gradlinige Stahlkonstruktion auszeichnet. Die beiden Skulpturen sind einander zugewendet, es scheint, als seien sie im Dialog miteinander. Während die schlichte, gradlinige Form des Monoliths auf der Biennale in Venedig noch selbst eine Verbindung mit den historistischen Architekturelementen einging, dient er nun vorrangig der Präsentation und der Untermalung gesetzter Kunstinterpretationen. In Bezug auf die Vogelskulpturen ermöglicht und unterstreicht er den Dialog zwischen unterschiedlichen Stilen derselben Zeit.

Vogelskulpturen; "La chouette" (1952) von Pablo Picasso und "Bird" (1954) von Hans Uhlmann; Foto: C. Coblenz

Generell wird in diesem Bereich der Ausstellung primär die Beziehung der Kunstwerke untereinander beleuchtet, in anderen Bereichen wird dagegen verstärkt auf einzelne Werke Bezug genommen. Auf seinem Rundgang durch die Ausstellung wird der Besucher durch verschiedene Gänge geleitet, die ,gleich den Sockeln, aus den schwarzen Einbauten des Künstlers gebildet werden. Am Ende eines sehr schmalen Gangs gelangt der Betrachter zu der Skulptur "Compression" von César aus dem Jahre 1981. Die Skulptur befindet sich in einer Nische und wird von der massiven schwarzen Installation eng eingefasst. Die Formation der schwarzen Einbauten schmiegt sich somit förmlich an das Kunstwerk an, engt es ein. Dadurch wird hier die Form und auch die Art des Kunstwerks, die Pressung des Fahrzeugs, auf ironische Weise hervorgehoben.

Installationsansicht HIER UND JETZT im Museum Ludwig. Heimo Zobernig César, Compression, 1981, © VG Bild-Kunst, Bonn 2016 Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln/Marion Mennicken

Heimo Zobernig schafft im Museum Ludwig einen neuen Kunstraum, ein neues Erleben von Kunst. Selbst Yilmaz Dziewior, der Direktor des Museums, stellte bei der Eröffnung der Ausstellung fest, dass er und seine Kollegen die Kunstwerke auf diese Weise plötzlich aus einem völlig neuen Blickwinkel gesehen haben.

Headerbild: Installationsansicht HIER UND JETZT im Museum Ludwig. Heimo Zobernig © VG Bild-Kunst, Bonn 2016/Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln/Marion Mennicken

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