Stellwerk Magazin

Poetry Slam in Köln Wortgefechte im Blue Shell

Vorwort

THE WORD IS NOT ENOUGH – so lautet der Titel der Poetry Slam-Veranstaltung, die jeden dritten Sonntag im Monat im Kölner Kult-Club Blue Shell stattfindet. In der Tat ist das Wort allein nicht genug, denn beim Poetry Slam geht es um mehr als nur das Schreiben. Vielmehr geht es darum, den selbst verfassten Texten Leben einzuhauchen, indem sie eben nicht nur einfach vorgelesen, sondern performt werden. Laut Alexander Weinstock, Literaturwissenschaftler an der Uni Köln, werden Poetry Slam Texte daher auch ganz anders geschrieben als herkömmliche Gedichte, “weil sie eben nicht auf dem Papier funktionieren müssen, sondern in der Performance.”

Die Idee, die hinter der Dichter-Schlacht steht, ist simpel: Das Interesse an aktueller Literatur oder literarischen Texten wecken und das Ganze anziehend für ein größeres Publikum aufbereiten. Im Klartext heißt das: Raus aus langweiligen, steril-weiß gestrichenen Lesungsräumen, rein in die Clubs, Bars und Cafés der Städte. Schluss mit trockenen Lesungen und Bahn frei für die moderne Art der Literatur-Performance. Hinzu kommt, dass das Publikum eine wichtige Rolle spielt, denn alle Zuschauer bilden gemeinsam die Jury des Abends. Sie können ihre Stimmkarten heben, wenn ihnen die Performance des Slammers gefallen hat. Allerdings gibt es auch beim Poetry Slam einige Regeln, die die Poeten beachten müssen. Regel Nummer 1: Sie müssen selbstverfasste Texte vortragen. Regel Nummer 2: Dabei dürfen keine Requisiten zur Hilfe genommen werden. Das heißt weder Verkleidungen, noch Musikinstrumente. Regel Nummer 3: Es darf nur auszugsweise gesungen werden, um die Performance zu unterstützen. Schließlich handelt es sich beim Poetry Slam nicht um ein Dichter-Konzert. Auch die vierte Regel spielt eine wichtige Rolle: das Zeitlimit von 5 Minuten muss eingehalten werden, ansonsten droht ein Abzug bei den Wertungspunkten des Publikums.

Beim Poetry Slam im Blue Shell ist jeder herzlich willkommen. Nicht nur das Publikum, sondern auch neue Slammer werden stets mit offenen Armen und Ohren empfangen, so Alexander Bach, Moderator und Veranstalter: "Es ist eine völlig offene Veranstaltung. Jeder kann auf die Bühne kommen, man muss sich da nicht irgendwie qualifizieren. Es gibt immer wieder Leute, die eine Bewerbung einreichen. Die schicken Texte mit Lebenslauf, Foto, das ist ja alles nicht interessant für das Format."

Der Kölner Kult-Club gibt seit zehn Jahren auch Neulingen die Möglichkeit, ihr Talent unter Beweis zu stellen. Neben den Nachwuchstalenten stehen aber auch regelmäßig Profis auf der Bühne. Das wiederum kann einen aber auch ganz schön einschüchtern, wie mir Franzi gestanden hat: "Das letzte und eigentlich auch erste Mal hab ich das mit 17 gemacht, dann bin ich irgendwann nach Köln gezogen. Von da an hab' ich mich nicht mehr getraut, weil hier doch recht viele Profis auf der Bühne stehen, die auch Bücher herausbringen. Dann hab ich irgendwann gedacht: Hmm, da hab ich Angst, mich zu blamieren, aber irgendwie hab ich mir jetzt einfach gesagt: Komm, versuch's einfach mal. Mehr als Scheitern kannst du ja nicht."

Die Texte, die beim Poetry Slam vorgetragen werden, sind sehr unterschiedlich. Einige Slammer setzen stark auf Humor, während andere auch mit ernsteren Themen beim Publikum punkten wollen. Was genau der Unterschied zwischen humorvollen Slam-Texten und Comedy ist, hat mir Markus Mohr, Grundschullehrer und früherer Comedian, erklärt. Er hat sich unter die Poetry Slam-Szene gemischt. "Also Comedy läuft so: Die Leute trinken zwischendurch ein Bier und schmeißen dir ein Sektglas auf die Bühne, aber beim Poetry Slam, da hören alle genau zu und es ist eine ganz ruhige Atmosphäre und jedes Wort findet Beachtung. Das fand ich schon auch ganz toll, weil ich auch von meinen Texten überzeugt bin."

Poetry Slam macht nicht nur Spaß, man kann mittlerweile sogar schon seinen Lebensunterhalt damit verdienen. So macht das zum Beispiel Michael Goehre: "Ich mach das schon hauptberuflich, also das ist mein Ding: Schreiben, Auftreten, selber Moderieren, Veranstaltungen machen usw. Ich habe bis jetzt acht Bücher veröffentlicht und das letzte ist eine Textsammlung: 'Wenn das Leben kein Ponyhof ist, warum liegt dann Stroh in der Ecke?' Das sind halt so Slam- und Lesebühnentexte. Das sind meine Standbeine und ich bin sehr froh, dass ich das machen darf."

Angefangen hat seine Leidenschaft für das Schreiben schon sehr früh. An seinen ersten Auftritt kann der erfolgreiche Slammer sich allerdings nicht mehr so recht erinnern: "Ich weiß nicht mehr, wie mein erster Auftritt war. Woran ich mich erinnern kann, ist, dass meine Grundschullehrerin Schuld an meiner Bühnenaffinität trägt, weil die das irgendwann in der zweiten oder dritten Klasse spitz gekriegt hat, dass ich Kurzgeschichten schreibe und dann angefangen hat, die vor der Klasse vorzulesen. Die Klasse hat dann applaudiert und ich fand das Geräusch ziemlich gut."

Wer Interesse hat, selbst in der Poetry Slam-Szene aktiv zu werden, kann sich jederzeit per Email an Alexander Bach wenden. Alle Kontaktdaten dazu findet man auf der Internetseite des Blue Shell. Jeden dritten Sonntag im Monat gibt es die Gelegenheit, Texte zu hören und für die Favoriten abzustimmen. Ab 19.30 Uhr ist Einlass. Los geht's um 20.30 Uhr. Der Eintritt kostet 5 Euro.

Dieses Geräusch ist mit Sicherheit auch ein Grund dafür, dass Michael immer wieder beim Poetry Slam im Blue Shell auftritt. Einige andere Faktoren spielen da aber auch noch eine Rolle: "Andererseits ist es auch einfach ein sehr schöner Laden, also ich mag den einfach, weil er sehr kompakt ist und eine schöne Bühne hat. Ich war vor langer langer Zeit schon hier zu Gast und da habe ich auch sehr tolle Leute kennengelernt, deswegen komme ich immer wieder gerne hierhin. Es ist einfach eine gute Atmosphäre, eine sehr liebe Crew und ein super Laden."

Auch Maximilian Humpert hat durch die Szene viele neue Freunde gefunden. Er hat bereits viermal an den deutschsprachigen Meisterschaften teilgenommen. Seine Erfahrung nutzt er, indem er Workshops für die Nachwuchstalente anbietet. Wie genau so ein Poetry Slam-Workshop abläuft, hat er mir erzählt. "Also meistens gebe ich Workshops, die drei Stunden lang dauern. Es geht so los, dass ich mich erstmal vorstelle. Und dann geht es dazu über, dass man erste kreative Aufgaben erfüllt, sich dem Schreiben nähert – quasi durch kleine Spiele und Aufgaben. Zum Ende hin schreibt dann jeder einen längeren Text, der dann auch vor der Gruppe vorgetragen werden soll. Also das Auftreten gehört auf jeden Fall mit dazu, es ist nicht nur das Schreiben."

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