Stellwerk Magazin

Metropolis Vom Kassenflopp zum erfolgreichsten Stummfilm Deutschlands

Vorwort

Zum 90. Jubiläum des Stummfilmklassikers Metropolis widmet sich die Kölner Universitäts- und Stadtbibliothek Fritz Langs Meisterwerk mit einer Ausstellung und diversen Vorträgen, die sich aus der Sicht unterschiedlicher Wissenschaften mit Metropolis und seinem Nachwirken auseinandersetzen. Am 10. Januar 2017 fand nun in der Aula der Universität zu Köln eine Vorführung der rekonstruierten Fassung des Stummfilmklassikers von 2010 mit dem Collegium musicum statt.

Durch den Abend führen die Kuratoren der Ausstellung Mirjam Jansen und Thomas Bähr, beide dem Anlass und dem Jubiläum entsprechend im Stil der 1920er Jahre gekleidet. Mirjam Jansen erinnert in ihrer Aufmachung mit einer angelegten Wasserwelle an Thea von Harbou, die Drehbuchautorin von Metropolis, und Thomas Bähr trägt in Lang'scher Manier einen Frack. Lediglich Langs berühmtes Monokel fehlt. Vor neunzig Jahren fand am selben Tag, dem 10. Januar 1927, im Ufa Filmpalast in Berlin die Premiere der Urfassung von Metropolis statt.

Die aufwendige Rekonstruktion eines Stummfilmklassikers

Eine Stunde lang führen die Kuratoren durch das Vortragsprogramm des Abends. Dr. Hubertus Neuhausen, der Direktor der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln, ist zu Gast und erklärt dem Publikum, warum sich ausgerechnet die Bibliothek diesem Filmjubiläum angenommen hat. Er beruft sich hierbei auf Umberto Ecos berühmten Roman "Der Name der Rose" und die darin dargestellte Tradition der Bibliothek, Wissen und Kultur zu bewahren. Eine Aufgabe, die im Falle von Metropolis zu lange unerfüllt blieb. Denn seit mittlerweile mehr als 50 Jahren arbeiten Filmwissenschaftler und -liebhaber an der Rekonstruktion der Premierenfassung. Eine Aufgabe, die bis heute noch nicht abgeschlossen ist und es vielleicht niemals sein wird. Wie es dazu kam, dass Langs Metropolis nach der Premiere geradezu 'verstümmelt' wurde und warum es so schwer ist, diesen Schaden wieder auszubessern, wird an diesem Abend immer wieder angerissen. Die Überlieferungsgeschichte ist eins der Kernthemen jeder Auseinandersetzung mit dem heutzutage berühmtesten Stummfilm Deutschlands. Bereits am Vorabend gab es einen Vortrag über "Die Restaurierung von Fritz Langs METROPOLIS" von Prof. Martin Koerber von der deutschen Kinemathek.

Die Arbeit eines Filmkomponisten

Nach Prof. Koerber erscheint Michael Ostrzyga, Dirigent und Komponist, auf der Bühne. Er leitet an diesem Abend das Collegium musicum, welches an diesem Abend diverse Kompositionen des Films interpretiert. Im Gespräch mit Mirjam Jansen gibt Ostrzyga den Zuschauern einen Einblick in die Arbeit eines Filmkomponisten. So erzählt er von Gottfried Huppertz, dem Komponisten der Metropolis-Partituren, der bereits ein Jahr vor Drehbeginn an der Musik arbeitete - etwas, das in den Anfangszeiten des Kinos noch üblich war. Heutzutage sei die Kompositionsarbeit meist auf vier Wochen heruntergekürzt. Ostrzyga ist sich sicher, dies mache den Unterschied zwischen solch genuinen Kunstwerken wie Metropolis und dem zeitgenössischen Kino aus.

Metropolis und seine Rezeption

Da der Ruhm eines Kunstwerkes immer auch auf der Rezeption desselben basiert, tragen die Schauspieler Bettina Storm und Julian Horeyseck Berichte von Zeitzeugen vor, die der Premiere damals beiwohnten. Dies ist ein Ausschnitt und Vorgeschmack auf ihre Lesung "The Making of METROPOLIS", die am 16. Februar 2017 in der Kölner Universitäts- und Stadtbibliothek zu hören sein wird. Der letzte Beitrag des Abends, der sich den verschiedenen Aspekten der Metropolis-Rezeption widmet, stammt von Dr. Gerald Köhler, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Medienkultur und Theater in Köln. Köhlers Vortrag beschäftigt sich unter anderem mit Erklärungsversuchen, wie ein derart bekannter und heutzutage zum Weltdokumentenerbe der UNESCO zählender Film unter den Zeitgenossen überhaupt so kolossal scheitern konnte. Metropolis war mit circa fünf Millionen Reichsmark der bis dahin teuerste Stummfilm der Ufa. Er spielte jedoch zunächst nur 75.000 Reichsmark ein, von einem Kassenschlager konnte somit also nicht die Rede sein. Die Ufa ging darüber fast bankrott. Am 15. Februar 2017 wird sich im Rahmen der Metropolis-Veranstaltungen an der Universität zu Köln Dr. Stephanie Tilly diesem Thema ausführlich widmen. Köhlers Vortrag stellt jedoch nicht nur den Misserfolg von Langs Werk in den Vordergrund, sondern thematisiert ebenso die bahnbrechende und wegbestimmende Rolle dieses expressionistischen Films, der in seinem Genre als der erste Science-Fiction Film in Spielfilmlänge gilt. Köhler betont die Zeitlosigkeit der Handlung und die Moderne der Ästhetik, des weitestgehend im Art déco der 1920er gehaltenen Mise-en-scène des Films.

Die Musikalische Filmvorführung

Danach ist es soweit, der Auftakt des circa zweieinhalb stündigen Filmes. An die Dramentradition angeleht ist Metropolis in drei Akte unterteilt. Der erste Akt setzt ein mit dem "Sinnspruch: Mittler zwischen Hirn und Händen muss das Herz sein". Bis zur Pause verbringt der bis zu den obersten Rängen gefüllte Saal in absolutem Schweigen. Alle lauschen gebannt der musikalischen Untermalung. Diverse Texttafeln führen die Zuschauer durch das monumentale Portrait einer Stadt mit einer radikalen Zweiklassengesellschaft ohne Aufstiegsmöglichkeiten. Die Geschichte spielt im Jahr 2000. Die Kulissen erinnern an New York. Lang reiste während der Vorbereitungen zu den Dreharbeiten zum ersten Mal nach New York und gab dies später immer wieder als Inspirationsquelle an.

Nach dem Ende des etwa einstündigen Auftakts tritt das Collegium musicum nach einer kurzen Erfrischungspause noch ein letztes Mal auf. Die Themen Labor und Maria werden aufgeführt. Dirigent Michael Ostrzyga hält hierzu noch einen kurzen Vortrag über den Begriff des Themas in der Filmmusik und die Nähe zu Wagners Kompositionen. Auch wenn wir es mit einem Science-Fiction-Film zu tun haben, steht die Filmmusik zu Metropolis noch in der Tradition des 19. Jahrhunderts. Die zweite Hälfte des Abends präsentiert die Teile Zwischenspiel und Furioso. Erneut herrscht gebanntes Schweigen im Saal. Die letzten eineinhalb Stunden folgt die Handlung Freder (Gustav Fröhlich) und Maria (Brigitte Helm) und dem Untergang der Megacity Metropolis, die verführt von der Mensch-Maschine und ihrem Erfinder Rotwang (Rudolf Klein-Rogge) den sieben Todsünden verfällt. Die Erweckung der Mensch-Maschine ist die berühmteste Szene des Filmes und vermutlich der Moment, den das gesamte Publikum schon herbeisehnt. Lang schrieb mit diesen Trick-Aufnahmen Filmgeschichte.

Gegen halb zwölf ist Metropolis untergegangen und die Gesellschaft der Zukunft hat die unabdingliche Wahrheit im Sinnspruch von Herz und Hand erkannt. Der einstige Kassenflopp wird mit frenetischem Applaus beehrt. Jansen und Bähr bedanken sich bei ihrem Publikum und verabschieden die Gäste mit einem letzten Verweis auf die noch bis zum 20. Februar 2017 laufende Ausstellung und ihr Rahmenprogramm.

Fotos: Claas Lauritzen

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