Stellwerk Magazin

Krimi-Hörspiel Die "Krimi Komplizen"

Vorwort

Einer Sache beim Wachsen zuzuschauen, kann ein wunderbares Gefühl sein. Am 08. Februar 2017 bekam ich in der Freien Volksbühne Köln erneut die Gelegenheit, den neuen Fall der „Krimi Komplizen“ zu sehen und: zu hören. Die „Krimi Komplizen“ sind ein Schauspieler-Ensemble, das Live-Hörspiele auf der Bühne performt.

Leitung: Felix Strüven; Darsteller: Eva Becker, Davina Donaldson, Felix Strüven, Sven Gey, Stefan Naas

v.l.n.r.: Gey, Becker, Naas, Donaldson, Strüven

Felix Strüven und Davina Donaldson, die auch die Hauptfiguren des Stückes sprechen, haben das Drehbuch geschrieben: „Die Krimi Komplizen und der Karne-Fall“. Ihrem Genre blieben sie treu. Erneut ist es eine Boulevard-Krimkomödie. Wie der Titel bereits verrät, spielt die Handlung in der fünften Jahreszeit, während Karneval. Etwas ist faul im Karnevalsverein Konfetti-Funken. Ein Mörder treibt sein Unwesen und kündigt seine Taten mit Zitaten aus dem Kölner Grundgesetz („Et kölsche Jrundjesetz“) an. Fraglich, ob man hier sagen kann „Et hätt noch immer jot jejange“. Während der Ermittlungen bahnt sich zwischen der distanzierten Ermittlerin Deutz (Davina Donaldson) und dem schwer von sich überzeugten Immobilienmakler Lövenich (Sven Gey) eine Romanze an. Doch auch Lövenich ist im Visier des Mörders. Oder ist er gar der Mörder? Im Gegensatz zu ihrem letzten Fall „Links, Zwo, Drei, Mord“ ist der Karne-Fall kein Suspense-Krimi, der dem Zuschauer direkt den Mörder verrät. „Die Krimi Komplizen und der Karne-Fall“ ist ein Whodunit-Krimi. Und so rätselt das Publikum mit den Ermittlern zusammen bis zum Schluss, wer es denn nun war.

Im Dezember 2016 saß ich das erste Mal im Publikum der „Krimi Komplizen“. Ich war Zuhörer des dritten Falls von Kommissarin Deutz und ihrem Kollegen Ehrenfeld (Felix Strüven). Damals traten sie noch im Keller des kleinen Kulturcafè Lichtung in der Kölner Südstadt auf. Der Eintritt war umsonst. Man konnte spenden. Vor circa fünfzig Gästen im Alter zwischen Zwanzig und Dreißig jagten die Ermittler einen Mörder in Rodenkirchen. Das Publikum war begeistert. So war die nächste „Krimi Komplizen“-Aufführung dann schon eine Nummer größer: gespielt wurde in der Wohngemeinschaft im Belgischen Viertel. Auch hier gefiel dem Publikum, was es hörte. Inzwischen sind die Komplizen weitergezogen. In der Volksbühne am Rudolfplatz spielte die Gruppe nun vor einem zu dreiviertel gefüllten Haus. Die Volksbühne, auch bekannt als Millowitsch-Theater, gehört mit über 400 Sitzplätzen zu den größten freien Theatern Kölns. Das Publikum war sehr heterogen - von Zwanzig bis Achtzig war jede Altersklasse vertreten.

Gewachsen sind nicht nur das Publikum und die Bühne. Auch das Ensemble ist diesmal um eine Stimme reicher. Stefan Naas spricht direkt zwei Rollen, den Präsidenten des Karnevalvereins und den Vorgesetzen von Kommissarin Deutz. Er brilliert mit stark unterschiedlichen Stimmen. Bei geschlossenen Augen käme man nicht auf die Idee, dass hier ein und derselbe Sprecher am Werk ist. Felix Strüven schafft es, seinen Claas Ehrenfeld auch diesmal großartig zu vertonen. Die Highlights des Ensembles sind in dieser Aufführung Davina Donaldsons Kommissarin Deutz, der sehr viel Raum gegeben wird, und Eva Beckers Frau Klettenberg. Donaldsons Figur erfährt im Karne-Fall interessante Charakterentwicklungen, was ihrer Sprecherin die Möglichkeit gibt, ihr Können unter Beweis zu stellen. Zwar spricht sie diesmal nur eine Rolle, diese aber so überzeugend, dass der Zuhörer begeistert von der Vielschichtigkeit ist. Eva Beckers fließendes Kölsch ist das zweite Highlight. Wie ich später erfahre, hat sie hierfür extra mit einem Sprechtrainer geübt. So passt die Bühne perfekt, auf der die Familie Millowitsch bereits Jahrzehnte Stücke in rheinischer Mundart inszeniert. Leider spricht Becker im Karne-Fall jedoch nur drei Nebenrollen.

In meiner ersten Rezension zu den „Krimi Komplizen“ verglich ich ihre Inszenierung mit einer Leseprobe am Theater. Über diesen Vergleich ist das Ensemble mit dem „Karne-Fall“ hinausgewachsen. Zwar gibt es weiterhin Parallelen - die Darsteller sitzen an einem Tisch, vor ihnen liegen Drehbücher, es gibt kein Bühnenbild - doch trotzdem bietet diese Inszenierung mehr. Es wird mit Licht gearbeitet, was einen davon abhält, die Augen zu schließen. Wie auch bei ihren vorigen Inszenierungen arbeiten die Darsteller mit Requisiten, die als Erkennungszeichen der unterschiedlichen Figuren dienen. Im Gegensatz zu den ersten Fällen, sind diese jedoch ins Spiel eingebunden. Der Karne-Fall kommt hierdurch und durch die lichttechnische Untermalung als Hybrid daher – Hörspiel und Theater. Dem reinen Hörspielfreund wird es vielleicht überflüssig vorkommen, dem überzeugten Theatergänger kann es zu wenig sein. Strüvens Inszenierung holt durch diese Neuerungen aber unbedarfte Besucher ab, denen zwei Stunden reines Zuhören zu viel wären.

Zugegeben, der Karne-Fall ist kreischig. Häufig sprechen die Darsteller durcheinander, übertönen sich gegenseitig, fallen sich ins Wort. Das macht das Zuhören und -sehen streckenweise anstrengend. Man kann es aber auch dem Sujet Karneval zuschreiben. Auch das Drehbuch stellt den Zuhörer vor offene Fragen – so etwa: Wo war das erste Opfer zwischen seinem Verschwinden und seinem Tod? Alles in allem ist die Aufführung jedoch gelungen. Die Qualität der Sprecher überzeugt und der „Karne-Fall“ bietet eine spannende Unterhaltung. Und so klatscht der Saal am Ende noch so lange, dass das Ensemble fünfmal auf die Bühne tritt, um sich zu verbeugen.

Logo "Krimi Komplizen" | © Hannah Berghus // Foto "Bühne" | © Jonas Havel