Stellwerk Magazin

Marcel Beyer & das Ensemble Modern Ein Hörspiel auf der Bühne

Vorwort

Ein Hörspiel auf der Bühne - Marcel Beyer und das Ensemble Modern: In Kooperation mit dem Literaturhaus Köln entstand in der Kölner Philharmonie am 22.9.2017 ein Konzert der besonderen Art, für das sich der Autor Marcel Beyer und das Ensemble Modern das erste Mal zusammengefunden hatten.

Foto: (Ensemble Modern) Sonja Werner

Anstelle der sonst rein musikalischen Unterhaltung wurde dem Publikum der Kölner Philharmonie an diesem besonderen Konzertabend die Verflechtung zweier Künste dargeboten: Musik und Lyrik. In Form eines Lesungskonzertes, bei der das gesprochene bzw. gelesene Wort auf untermalende und zugleich konterkarierende Klänge traf, konnten sich die Zuhörer auf ein außergewöhnliches Hörerlebnis einstellen. Gelesen wurde von dem vielfach ausgezeichneten Autor und Literaturwissenschaftler Marcel Beyer, die musikalische Gestaltung übernahm das Ensemble Modern.

Ensemble Modern, gegründet 1980, besteht aus 20 Solisten unterschiedlichster Nationen, die alle gleichberechtigt an den Entscheidungen des Ensembles beteiligt sind; einen künstlerischen Leiter gibt es nicht. Musikalisch ist es v.a. in der Neuen Musik angesiedelt, wobei sich das Repertoire von Musiktheater und Tanzprojekten über Kammermusik bis hin zu Orchester- u. Ensemblekonzerten erstreckt. Zusammengearbeitet haben sie u.a. mit bekannten Komponisten wie Peter Eötvös, Hans Werner Henze, Mauricio Kagel, Karlheinz Stockhausen und Frank Zappa.

Dass Musik und Sprache in enger Beziehung zueinander stehen, ist allseits bekannt. Was wäre eine Oper ohne Gesang? Ein Hörspiel ohne musikalische Einwürfe? In den meisten Fällen unterstützen sich die beiden Künste gegenseitig; die Musik trägt, sie begleitet oder sie schafft eine Atmosphäre für die Sprache. Ähnlich verhielt es sich auch bei dem Lesungskonzert von Marcel Beyer und dem Ensemble Modern. Statt sich jedoch unterzuordnen, standen beide Kunstformen gleichberechtigt nebeneinander; Musik und Lyrik führten einen Dialog mit ausschnitthaften Passagen aus bekannten Werken.

Die Auswahl der musikalischen Passagen sowie der vorgetragenen Lyrik war dabei sehr sorgfältig und spannungsvoll zusammengestellt. Musikalisch bewegten sich die jeweiligen Ausschnitte von Ludwig van Beethoven über Bernd Alois Zimmermann und Anton Webern. Auch Eigenkompositionen des Ensemble-Mitglieds Hermann Kretzschmar prägten das Programm. Doch auch wenn der ein oder andere Komponist des Abends der Klassik entsprang, so war dennoch die dargebotene Präsentation stets geprägt vom Klang der Neuen Musik und des Experimentellen – eben vom Ensemble Modern.

Marcel Beyer, geboren 1965, ist ein vielfach ausgezeichneter deutscher Autor und Literaturwissenschaftler. Er schreibt Romane, Gedichte, Essays und Libretti. Neben seinem kreativen Schaffen ist er auch als Herausgeber sowie als Poetik- und Literaturdozent tätig. Im Wintersemester 2015/16 hatte er die TransLit-Poetikdozentur an der Universität zu Köln inne.

Diese modernen und ungewohnten Klänge boten genau die richtige Atmosphäre für die Lesung durch Marcel Beyer. Dieser las überwiegend aus seinen eigenen Werken, wie zum Beispiel seinem Band „Graphit“ (2014), trug jedoch auch Gedichte von Ezra Pound und Georg Trakl vor. Der anspruchsvolle Zugang zu der Sprache seiner Lyrik passte hervorragend zu den gewählten Musikbeispielen. Sowohl Text als auch Klang zeichneten sich durch eine besondere Spannung aus, eine gewisse Melancholie. Die konzentrierte Interaktion zwischen Musikern und Autor, die sehr vielfältig ausfiel, übertrug sich vom ersten Moment an auf das Publikum. Man lauschte der angenehmen, erzählerischen Stimme Marcel Beyers, verfiel aber nicht in gedankenverlorenes Träumen – denn dies wurde von der Musik unterbrochen, die einen mit ungewöhnlichen oder überraschenden Klängen aufweckte und zum intensiven Zuhören animierte. Auf diese Weise blieb der Dialog von Musik und Lyrik immer präsent, der sich zum Teil deckte und gegenseitig atmosphärisch unterstützte, sich jedoch nicht selten auch widersprach.

Header: Vincent Stefan

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