Stellwerk Magazin

Rezension Don Quijote der Popkultur

Vorwort

Am 30.Mai 2018 feierte Don Quijote Premiere am Schauspiel Köln. Das Stück basiert auf dem Roman El ingenioso hidalgo Don Quixote de la Mancha von Miguel de Cervantes, übersetzt Der sinnliche Junker Don Quijote von der Mancha. Der schwerreiche Junker Alonso Quijona verfällt aufgrund seines hohen Konsums an Ritterromanen dem Wahnsinn und erschafft seine eigene Fantasiewelt, in der er sich als Ritter sieht und in Abenteuer stürzt. Die Rezension bezieht sich auf die Aufführung vom 01.06.18 im Depot 1 des Schauspiel Köln.

Besetzung: Nikolaus Benda, Stefko Hanushevsky, Benjamin Höppner, Justus Maier, Annika Schilling

Regie: Simon Solberg

Dramaturgie: Nina Rühmeier

Bühne: Simon Solberg, Franziska Harm

Kostüm: Franziska Harm

Eingeleitet wird das Stück mit einem Vortrag, der das Publikum auf den Abend vorbereiten soll: so umfangreich wie der Originaltext soll seine Inszenierung sein und bis weit in die Nacht gehen. Man könnte meinen, dass dies nur ein Witz sei, doch zieht sich der Abend in ermüdende Länge. Der Protagonist ist hier nicht wie im Original ein schwerreicher Junker. Stattdessen erinnert „der Ritter von der traurigen Gestalt“ (Stefko Hanushevsky) an eine in Bademantel und Unterhemd gekleidete und in ihrer Messi-Wohnung lebende Couch-Potatoe. Auch hier führt der übermäßige Konsum an Unterhaltungsmedien zum Wahnsinn, im Original waren es noch Bücher, nun ist es das Fernsehprogramm. Der selbst ernannte Don Quijote de la Mancha erliegt der „seltsamsten Art von Verrücktheit, die in einem zerrütteten Gehirn Platz finden kann“ (Nikolaus Benda) und dürstet nach ritterlichen Abenteuern. Eine aus dem Publikum bestimmte Person schlägt Don Quijote zum Ritter. Diese Szene wird heroisch von der Titelmusik von „Game of Thrones“ begleitet. Der Protagonist und sein Knappe Sancho Pansa (Nikolaus Benda) malen sich gemeinsam ein heldenhaftes Ritterleben aus, welches mit der Eroberung Insuls belohnt werden soll: einer Trauminsel, die in einer Art Werbespot für Luxusurlaub auf der Leinwand im Hintergrund eingeblendet wird. Die Gefährten reiten auf ihren „Premium-Eseln mit Profil“ (Nikolaus Benda), also einem Traktor- und Autoreifen, ins Gefecht. Sie begeben sich in einen Kampf gegen Braunkohlebagger, geldfokussierte Firmenchefs und den Konzernriesen Nestlé, der Bezug auf das Cervante’sche Original nimmt. Dabei werden sie von ihren Gegenspielern Teresa (Annika Schilling), einem Pfarrer (Benjamin Höppner) und einem Barbier (Justus Maier) gejagt. Sie versuchen, durch Maskeraden und Intrigen der Fantasiewelt Don Quijotes Einhalt zu gebieten. Aber ist die erschaffene Fantasiewelt wirklich nur „Babel und Fabel“ (Nikolaus Benda), also mit der Realität nicht konform? Diese Frage wird am Ende des Stücks aufgeworfen, als die Gegenspieler Don Quijotes und Sancho Pansas diese letztlich einholen und Don Quijotes Illusion einer Ritterwelt kippen. Don Quijote verfällt daraufhin in eine Krise und ringt mit seiner ‚gestörten‘ Wahrnehmung der Welt.

Zu viel Gegenwart?

Weitere Vorstellungen: 10.06.2018, 12.06.2018, 14.06.2018, 16.06.2018, 22.06.2018, 01.07.2018, 11.07.2018, 12.07.2018

Das Stück erreicht mit seinen Szenen und Dialogen ein hohes Maß an Komik, die als künstlerisches Mittel eingesetzt wird, um so neben Unterhaltung auch eine Metakritik zu schaffen, aber letztlich über das Ziel hinausschießt. Der Bezug zur Gegenwart ist schon an dem Punkt erkennbar, wenn Don Quijote aufgrund seines hohen Medienkonsums den Bezug zur Realität verliert und sich anstatt Windmühlen nun Braunkohlebaggern stellt. Die während der Verfolgungsjagd als „Star Wars“-Figuren verkleideten Antagonisten lassen sich hingegen schwer in Hinblick auf den Aussagewert der Inszenierung erklären. Die Grundidee, nämlich die Kritik an Missständen unserer Konsum- bzw. Leistungsgesellschaft – beispielhaft an der Bekämpfung von Nestlé-Produkten vorgeführt – wird hier hyperbolisch aufgezogen und zieht sich selbst ins Lächerliche. Don Quijote, der zwar in seiner Fantasiewelt lebt, aber als einziger die Kehrseite unserer Gesellschaft erkennt und gegen sie angeht, verliert an Ernsthaftigkeit. Die vielfach verwendeten Bezüge zu den Medien der Popkultur, zu Musik und Filmen, wie unter anderem „Matrix“, „Der Herr der Ringe“ oder „Der Pate“, gerieren sich immer mehr als grotesker Unsinn und münden schließlich in einem absurd komischen Höhepunkt, als Don Quijote und der Schattenritter nämlich als Videospielfiguren im „Super Mario“-Stil gegeneinander antreten.

Foto: David Baltzer | Auf dem Foto zu sehen: Annika Schilling, Nikolaus Benda und Stefko Hanushevsky