Stellwerk Magazin

Rezension Generation Loss – Last chance!

Vorwort

Düsseldorf | Generation Loss. Die zeitgenössische private Sammlung Julia Stoschek Collection feiert ihr 10-jähriges Bestehen mit einer facettenreichen Ausstellung: 48 künstlerische Positionen im Bereich der zeitbasierten Medienkunst von den 1960er Jahren bis heute bilden ein bislang noch nie da gewesenes Seherlebnis und legen den Charakter der Sammlung als lebendiges Archiv offen.

Zeitraum: 10. Juni 2017 – 29. Juli 2018, sonntags, 11-18 Uhr. Sonderöffnungszeiten zur DC Open: 8. & 9. September 2018, 11-18 Uhr. Schanzenstraße 54, 40549 Düsseldorf

Der Ausstellungstitel „Generation Loss“ (dt. Generationsverlust) bezeichnet den Prozess der Qualitätsverschlechterung von kopierten oder komprimierten Daten innerhalb und infolge einer stetig sich verändernden Technologie. Dieser Verlust von Qualität gilt nicht nur für Dateiformate oder Datenträger, sondern manifestiert sich auch im ideologischen Sinne in Politik, Kultur, Natur oder allgemein im gesellschaftlichen Wandel von einer Generation zur nächsten. Generation Loss wurde – im Gegensatz zu den gängigen Ausstellungen der heutigen Zeit – nicht von etablierten Kuratoren und Kuratorinnen konzipiert, sondern von dem britischen Künstler Ed Atkins. Er zeigt Wechselbeziehungen innerhalb der Sammlung auf und auch die Art und Weise, wie Generationen – von Künstlern und Künstlerinnen ebenso wie von Technologien – ihre Vorläufer beerben, hinter sich lassen, verändern und unterwandern.

Unendliche Geschichten und Videoperformances

Gleich zu Beginn der Ausstellung ist die Arbeit Sky News Live (2016) von Ed Atkins und Simon Thompson zu sehen, eine stumme Live-Übertragung des 24-Stunden-Live-TV-Programms Sky News – ein digitales Readymade. Während die blonde Nachrichtensprecherin etwas in die Kamera spricht und nach der Wetteranimation eine kleine Talkrunde beginnt, lockt ein Wellenrauschen zum nächsten Video – eine Tonsequenz von Ian Chengs Echtzeitsimulation Emissary in the Squat of Gods (2015). Cheng zeigt eine live vom Computer generierte unendliche Geschiche: Solange die Server laufen, wird die Erzählung autonom weitergesponnen. Hinter den Glaswänden, die diese beiden Arbeiten, vor allem akustisch, von den nächsten trennen, sind Paul McCarthys berühmte Videoperformance Spitting on the camera lens (1974) sowie Bruce Naumans Walking in an Exaggerated Manner Around the Perimeter of a Square (1968) zu sehen. Die beiden Arbeiten stehen im starken Kontrast zu den vorherigen, sie zeigen Videoperformances: Die Künstler führen selbst gestellte Aufgaben vor der Kamera aus und nutzen diese dabei als Kontrollinstanz. Während Paul McCarthy die Kameralinse buchstäblich anspuckt, ist Nauman zu sehen, wie er in einem auf dem Boden seines Ateliers markierten Quadrat umherläuft. Auch technisch werden die Merkmale unterschiedlicher Generationen deutlich: HD und Animation stehen dem 16-mm-Film gegenüber, der auf Video transferiert wurde.

Ed Atkins (*1982 in Oxford, Großbritannien; lebt und arbeitet in Berlin) studierte am Central St. Martin’s College of Art and Design und schloss 2009 sein Studium an der Slade School of Fine Art in London ab. Seine Werke waren unter anderem in der Tate Britain, London, im Sculpture Center, New York, in der Chisenhale Gallery, London, im Castello di Rivoli, Turin, und jüngst im Museum für Moderne Kunst, Frankfurt a. M., zu sehen.

Foto: Simon Vogel, Köln | Ian Cheng Emissary in the squat of gods (2015) Echtzeitsimulation und Erzählung, unbegrenzte Dauer, Farbe, Ton / Live. Installationsansicht Julia Stoschek Collection, Düsseldorf.

Ein kuratiertes Reflexionsspiel

Das künstlerische Bewegtbild ist ein auf einzigartige Weise reaktives Medium – das wird in der Ausstellung Generation Loss deutlich. Bezüge zwischen den einzelnen Arbeiten ergeben sich nicht nur formal und inhaltlich, sondern werden durch die Kuration von Ed Atkins unterstrichen: Ausgewählte Arbeiten werden in choreografierten Abfolgen und in räumlicher Nähe zueinander gezeigt. Auf der zweiten Etage spiegeln sich die Projektionen über trennende Glaswände teilweise auf die Projektionsflächen parallel gezeigter Arbeiten – so bleibt eine schwache Spiegelung im Hintergrund des Videos erkennbar. Das Ergebnis ist ebenso faszinierend wie irritierend. Ed Atkins gelingt es durch eine geschickte Präsentation der Werke, ein intensives Reflexionsspiel in Gang zu setzen – an dem die BetrachterInnen teil haben. Ein Besuch von Generation Loss lohnt sich! Möglich ist dies aber nur noch die nächsten beiden Sonntage im Juli und am Sonntag in der zweiten Septemberwoche zur DC Open.

Headerbild: Simon Vogel, Köln | Abbildung: Reynold Reynolds burn (2002) 16-mm-Film, transferiert auf Video, 10’, Farbe, Ton und Paul McCarthy Spitting on the camera lens (1974) Video, 1’, S/W, Ton, aus Black and White Tapes, 1970–1975. Installationsansicht Julia Stoschek Collection, Düsseldorf.