Stellwerk Magazin

Rezension Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes

Vorwort

Wim Wenders ist einer der bekanntesten deutschen Regisseure, der mit Filmen wie etwa „Der amerikanische Freund“ (1977) oder „Paris, Texas“ (1984) Filmgeschichte schrieb. Mitte Juni erschien sein neuster Film über einen Mann, der als Revolutionär der katholischen Kirche gilt: „Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes“ ist ein besonderer Dokumentarfilm, der den Zuschauer in die Gedankenwelt des Kirchenoberhauptes mitnimmt. Seine Sicht auf unsere Welt ist kritisch und hoffnungsvoll zugleich, wobei nichts Geringeres als die Suche nach Lösungen für die Probleme der Weltbevölkerung auf der Agenda steht.

Der Film läuft noch bis mindestens 31. August 2018 im Kino

Jüngst noch appellierte Papst Franziskus auf dem Petersplatz in Rom an afrikanische und europäische Staaten: Das „Sterben im Mittelmeer muss gestoppt werden“. Es ist eine Reaktion auf die italienische und ferner auch europäische Flüchtlingspolitik und der wiederholten Weigerung Italiens, gerettete Flüchtlinge ins Land aufzunehmen. Papst Franziskus beobachtet die Politik der Weltgemeinschaft sehr genau, sein Engagement ist nun im Film festgehalten.

Wie ein Vorhang öffnet sich die graue Wolkenlandschaft. Hinter ihr liegt das kleine Städtchen Assisi in den Bergen Mittelitaliens. Unterlegt mit grazilen Violinen erklingt die sanfte Stimme des Regisseurs Wim Wenders, der diesen Film zugleich erzählt. Es ist die erste Einstellung des Films. Mit einfachen Worten beschreibt Wenders das Chaos der Welt, dass der Mensch durch vorprogrammierte Armut, durch Populismus und die Zerstörung der Umwelt sich selbst und der Erde schadet. Das Ganze passt nicht zur Idylle der italienischen Berge. Ein Kontrast, der nachdenklich stimmt und die Absurdität manch politischer Handlung vergegenwärtigt.

Die Stadt Assisi ist der Geburtsort des heiligen Franz von Assisi. Vor 800 Jahren gründet er hier den Orden der Minderen Brüder, aus dem später der Franziskanerorden hervorgehen sollte. Seine Mission: Nichts geringeres als eben jene Probleme seiner Zeit zu lösen. Er will die Harmonie der Welt wiederherstellen: Armut, Krieg und die Kreuzzüge beenden. Er ist ein Asket, einer, der dem Reichtum der Kirche den Rücken kehrt und den Kontakt zu den Menschen sucht. Und dann sieht man plötzlich seinen Namensvetter Papst Franziskus, wie er Gläubige berührt und umarmt, wie er bedächtige Reden hält.

Suche nach einem Vorbild

Wenders, der selbst als Kind den Wunsch hatte, Priester zu werden, scheint beeindruckt von den offenen Worten des Papstes. Der Argentinier Jorge Mario Bergoglio, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, macht vieles anders im Vatikan seit er 2013 zum Papst gewählt wurde. Inspiriert von seinem Vorbild Assisi spricht er aus, was er denkt. Dass es auch die Reichen sind, die den Armen schaden, dass die Profitgier Krieg und Tod bringt. Der Film kommt Franziskus ganz nah, auch durch den Einsatz des Teleprompters. Er sitzt vor der Kamera und blickt dem Zuschauer in die Augen, beinahe so, als würde man direkt vor ihm sitzen, als hätte man selbst eine Audienz beim Papst. Das ist durchaus die Stärke des Films.

Franziskus ist auch eine Art Revolutionär. Er verzichtet als erster Papst auf eine prunkvolle Wohnung, verfasst eine Umwelt-Enzyklika, schreibt über Umweltzerstörung und Armut. Er spricht mit Geflüchteten in Lampedusa. Er scheint da zu sein, wenn Menschen in Not sind. Brüderlichkeit und Glaube gehören zu seinen Lösungsansätzen, darin erkennt er den Sinn des Lebens. Franziskus’ Worte zeugen von einem sinnlichen, höheren Gefühl, das wir „Leben“ nennen.

Eine Lösung für uns alle?

Franziskus ist ein Mann der Worte. In ihnen liegt seine Macht, das erklärt uns auch Wenders. Was bewirkt er aber wirklich mit seinen Reden? Der Film wirkt wie eine Hommage: an den Frieden, an eine bessere Welt und an die Stärke und das Gute im Menschen. Er berührt, aber es bleiben Zweifel. Er setzt Impulse, die uns zu einer Lösung animieren sollen, aber wir kennen die Probleme und sie verändern sich nicht, bloß weil Franziskus sie anklagt. Seine Position ist die eines Bundespräsidenten der Katholiken. Zum einen steht er für eine Institution, die nicht nach seinen Idealen handelt: In der es Missbrauchsskandale gibt und dessen Macht im Reichtum des Vatikan besteht und nicht wegen einer asketischen Lebensweise, wie Franziskus sie idealisiert. Zum anderen ist er ein Missionar seines Glaubens. Die Verbindung mit Gott besinne den Menschen, verhelfe ihm zu einem besseren Leben. Doch programmiert nicht eine Versöhnung der Welt, die ausschließlich vor Gott geschieht, eine erneute Zweiteilung, eine zwischen Gläubigen und Nicht-Gläubigen? Eine Zweiteilung, wie Franziskus sie zwischen Arm und Reich kritisiert? Der Film lässt diese augenscheinliche Problematik unbesprochen. Es sind Fragen, zu denen er natürlich keine Antworten liefern kann. Wenders Perspektive ist die eines Gläubigen, der Franziskus hinterherreist und ihn im Papamobil anschauen, ihn berühren will. Doch Franziskus’ Wort ist bloß ein Teil des Dialoges, der unsere Welt verbessern kann. Eine Hommage an unsere Welt muss sich mit ihrer Diversität gründlicher auseinandersetzten. Eine Lösung bietet dieser Film sicher noch nicht an, auch wenn er den Mann der versöhnenden wie mahnenden Wort so nah begleitet.

Fotos: Universal Pictures