Stellwerk Magazin

Rezension Die Kunst der Verweigerung

Vorwort

Als die amerikanische Künstlerin Laurie Parsons in den späten 1980ern durch einige Ausstellungen bekannt wurde, entschied sie sich bewusst gegen eine Karriere als Künstlerin und zog sich zurück. In ihrer entschlossenen Abwendung von der Kunstwelt wandte sie sich dem sozialen Engagement zu. Seit dem 15. April 2018 ist im Museum Abteiberg in Mönchengladbach nun ihre Ausstellung mit dem Titel „A body of work 1987“ in einem der oberen Kleeblatträume zu sehen. Die Ausstellung läuft noch bis zum 8. September 2019.

Die Kunst von Laurie Parsons ist eine, die sich zurücknimmt, auf den ersten Blick fast unscheinbar daherkommt und dafür im Leisen ihre Wirkung entfaltet. Künstler und Werk wie auch Kunst und Leben verschmelzen bei ihr zu einer untrennbaren Einheit, sodass Vertrautes und Banales geradezu mythisch grundiert erscheint und zu geheimnisvollen Überbleibseln einer Künstlerin werden, die sich konsequent den Vorstellungen des Kunstbetriebs verweigert. Es handelt sich um Fundstücke aus der Umgebung der Künstlerin, die sie im Müll von Straßen, Natur- und Industriebrachen in New Jersey aufsammelte: ein Seil, eine abgenutzte Holzbank, ein weißes Tuch, ein Teerblock, ein schwarzer Regenschirm, ein Stück Fels, ein zugeschnittenes Geäst. Diese zurückgelassenen Dinge von der Straße zeigen gleichermaßen Spuren menschlicher Zuwendung und Vernachlässigung. Im quadratischen Ausstellungsraum sind sie ringsum entlang der Wände aufgereiht, als seien sie achtlos versammelte, von der Strömung der Zeit beiseite gestellte Gegenstände.

Der Titel „A body of work“ beruft sich auf Parsons’ Begrifflichkeit einer titellosen Ausstellung mit neunundzwanzig Stücken, „die zusammen ein Oeuvre (engl. body of work) ergeben. Sie sind bestimmt zu einer Ausstellung in einem Raum (...). Sie sollten natürlich und sorgsam angeordnet werden (...)“. In einem Zertifikat hat die Künstlerin eine exakte Anleitung zur Reihenfolge und Platzierung dieser Arbeiten vorgegeben und festgeschrieben, dass kein künstliches Licht verwendet werden darf. So entsteht eine etwas stille und melancholische Atmosphäre, in dem jedes einzelne Objekt durch seine Herkunft und, wie Parsons feststellte, aufgrund seiner Präsenz „so kraftvoll wie ein Kunstwerk“ wirkt.

parson Ausstellungsansicht, Laurie Parsons „A body of work 1987“, 15. April 2018 – 8. September 2019, Museum Abteiberg, Mönchengladbach. Foto: Wilhelm Schürmann

Entmaterialisierung einer Künstlerkarriere

Das Konvolut von Arbeiten stammt aus dem Jahr 1987 und war 1988 erst in der Lorence-Monk Gallery in New York sowie im darauffolgenden Jahr in der Kölner Galerie Rolf Ricke ausgestellt. Eine deutsche Privatsammlung kaufte die gesamte Ausstellung, woraufhin Laurie Parsons kein Werk mehr verkaufen wollte. Bereits die Zuwendung zum Alltag in ihrem Werk signalisierte wohl bereits die zukünftige Abwendung vom Kunstbetrieb bis hin zur Auflösung ihrer Künstlerkarriere. In ihren Ausstellungen setzte sie sich stets kritisch mit Kunstinstitutionen auseinander, wobei auch immer eine gewisse Portion strategisches Kalkül mitschwingt, als ob Parsons den zukünftigen Mythos um sich sorgfältig einplante. Im Jahr 1990 zeigte ihre Ausstellung in der Lorence-Monk Gallery kein künstlerisches Objekt mehr, sondern nur noch den Galerieraum und -betrieb. Die Einladungskarte dazu war blanko, ohne Künstlernamen, nur mit der Adresse der Galerie versehen. Zudem sollte die Ausstellung auch nicht in ihrer Biografie auftauchen. In weiteren Aktionen mischte sie sich mal als Praktikantin unter das Team der Galerieassistenten, mal arbeitete sie mit Museumswärtern zusammen, machte ihr Tagebuch den Besuchern zugänglich oder bewohnte einen Ausstellungsraum des Forums Kunst Rottweil, wo sie an den Vormittagen in einem Heim für Behinderte arbeitete und nachmittags den Austausch mit den Bürgern der Stadt suchte.

Joseph Beuys’ Überzeugung, dass alle Menschen Künstler seien, kehrt sie um in die Verpflichtung, dass alle Künstler sich als soziale Menschen zu verhalten haben. 1994 schließlich beendete sie schlussendlich ihre künstlerische Arbeit und begründete diese Entscheidung damit, „that art must spread into other realms, into spirituality and social giving“. Seitdem arbeitet sie als Sozialarbeiterin mit Obdachlosen und psychisch Kranken und verweigert jede Verbindung mit ihrem künstlerischen Werk.

Headerbild: Ausstellungsansicht, Laurie Parsons „A body of work 1987“, 15. April 2018 – 8. September 2019, Museum Abteiberg, Mönchengladbach. Foto: Wilhelm Schürmann