Stellwerk Magazin

lit. COLOGNE Die lustigsten Briefe der Welt(literatur)

Vorwort

Im Rahmen der Spezial-Ausgabe der lit.COLOGNE waren die Schauspielerin Katharina Thalbach, Musiker Bela B. und Comedy-Autor Micky Beisenherz vergangenen Freitag in der Mülheimer Stadthalle in Köln zu Gast. Bei der Lesung „Laugh Letters“ sollten die witzigsten Briefe der Weltliteratur gelesen werden. Heraus kam ein durchwachsener, wenn auch unterhaltsamer Abend.

Die Mülheimer Stadthalle ist ausverkauft. Dicht gedrängt sitzen die Zuschauer im 60er-Jahre-Bau und erwarten die Lesung von Katharina Thalbach, Bela B. und Micky Beisenherz. Versprochen wurden dem Publikum die lustigsten Briefe der Weltliteratur. Doch als es leicht verspätet losgeht, werden zunächst Postkarten von Jurek Becker aus dem diesjährig veröffentlichten Buch „Am Strand von Bochum ist allerhand los“ vorgelesen. Hier hätte man sich eine detailliertere Einführung der Lesenden gewünscht – denn die Postkarten des 1997 verstorbenen Becker hätten definitiv auch eine eigene Lesung füllen können.

Als es dann doch mit den versprochenen Briefen losgeht, fungiert Comedy-Autor Micky Beisenherz als Moderator, liest einleitende Texte zu den nachfolgenden Briefen, die dann von dem Musiker Bela B. (Die Ärzte) und der Schauspielerin Katharina Thalbach (Die Blechtrommel, Die Vermessung der Welt) vorgetragen werden. Beisenherz, der unter anderem die Programme für TV-Größen wie Atze Schröder schreibt, tut sich an einigen Stellen sichtlich schwer damit, sich nur an den vorgegebenen Text zu halten. Viel lieber grätscht er mit Nebenbemerkungen hinein, die an vielen – wenngleich nicht an allen – Stellen für Situationskomik sorgen. Mit übertriebenen Zoten liegt der Moderator das ein oder andere Mal daneben – selbstkritische Einwürfe kommen hingegen beim Publikum besser an. Während Bela B. zu Beginn der Lesung noch mit dem ein oder anderen Versprecher zu kämpfen hat, stellt Katharina Thalbach ihre beiden männlichen Kollegen in den Schatten. Stimmgewaltig, pointiert und rhythmisch trägt sie vor, ohne Probleme hätte sie die Lesung auch allein stemmen können. Je länger das Trio liest, desto mehr stimmen sie sich jedoch aufeinander ein. Am besten ist das Zusammenspiel dann, wenn eigene Bezüge zu den Texten erläutert werden, wenn Bela B. etwa über den jungen David Bowie oder Beisenherz über seine Zeit als Provinz-DJ erzählt.

Was die Briefe auf einen gemeinsamen Nenner bringt: eine witzige Anekdote. Es geht um Biber ohne Baugenehmigung für ihre Dämme, Albtraum-Bosse, die sich in Rundbriefen an ihre Belegschaft über das „Geschwätz“ beschweren und die neue Schnittfassung des „Southpark“-Films. Die Autoren sind dabei Prominente wie Bowie oder Menschen aus dem Kulturbetrieb, doch auch Leserbriefe oder private Aufzeichnungen sind dabei. Die thematischen Sprünge sind so groß wie die zeitlichen: Das früheste Stück stammt von 1912, das aktuellste von 2014. Der Unterhaltungswert schwankt dabei je nach Geschichte stark, was sich auch im Publikum bemerkbar macht: Die Stimmung reicht von wohlwollendem Applaus bis hin zu schallendem Gelächter. Schade ist, dass vorbereitete Bilder zu den Briefen im Saal nicht gezeigt werden können – das hätte die Geschichten an vielen Stellen lebendiger und nachvollziehbarer gemacht. So muss der Zuhörer sich nach jedem gelesenen Brief auf ein neues Thema einstellen. Die Auswahl der Briefe bleibt dabei weitestgehend undurchsichtig, die persönlichen Bezüge der Lesenden werden nur an wenigen Stellen deutlich. Geschlossen wird die Lesung wieder mit Postkarten von Jurek Becker, die selbst den kritischsten Besucher wieder versöhnlich stimmen. Und einen verwundert zurücklassen, wie schnell selbst durchwachsene 90 Minuten einer Lesung vorbei sein können.

Fotos: Anna Westkämper