Stellwerk Magazin

Rezension Faszinosum Rembrandt

Vorwort

Das Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud widmen dem niederländischen Ausnahmekünstler Rembrandt van Rijn anlässlich seines 350. Todestages gleich zwei Ausstellungen im eigenen Haus. Im Zentrum steht die umfangreiche und bildgewaltige Sonderausstellung „Inside Rembrandt • 1606-1669“, die noch bis zum 1. März 2020 dazu einlädt die Welt des niederländischen Meisters zu erkunden.

Schon beim Betreten der ins Halbdunkel getauchten Ausstellungsräume des Wallraf-Richartz-Museums ziehen einen die Ölgemälde, die auf violette Wände gehängt und effektvoll ausgeleuchtet sind, in ihren Bann. Umgeben von ausdrucksstarken Porträts und geleitet von der atmosphärischen Lichtregie taucht man als Betrachter unweigerlich in die Tiefe der Gemälde ein und entdeckt dort auf Leinwände gebannt eine beeindruckende Vielfalt menschlicher Emotionen. Kuratorin Anja Sevcik hat die Ausstellung „Inside Rembrandt“ wie ein barockes Theaterstück angelegt. Beginnend mit Rembrandts Anfängen als Maler in seiner Geburtsstadt Leiden und der prägenden Künstlerfreundschaft mit Jan Lievens haben sie und ihr Team die Schau in fünf Akte untergliedert und damit eine narrative Struktur geschaffen, entlang derer die verschiedenen Lebens- und Schaffensphasen Rembrandts präsentiert werden. Eindrucksvoll wird hier von einem Künstlerleben zwischen Tragödie und Komödie erzählt und dabei immer wieder auch die Strahlkraft seines Schaffens – sei es als Lehrer oder stilprägender Künstler – für die BesucherInnen erlebbar gemacht. Anja Sevcik macht deutlich: „Mit ‚Inside Rembrandt‘ wollen wir Rembrandt auf die Spur kommen. Wir wollen die Faszination zeigen, die er bis heute ungebrochen ausübt – nicht nur als historisch spannender Maler, sondern als jemand, der zeitlose und moderne Menschenbilder geschaffen hat.“ Neben Werken aus der eigenen Sammlung integriert die Ausstellung Leihgaben aus zahlreichen internationalen Museen, wie zum Bespiel dem Amsterdamer Rijksmuseum, dem J. Paul Getty Museum Los Angeles, dem Metropolitan Museum New York und der traditionsreichen Prager Nationalgalerie. Um das Bild von dem niederländischen Ausnahmekünstler zu komplettieren werden neben mehr als 60 Rembrandt-Werken auch ausgewählte Arbeiten von Zeitgenossen und Schülern Rembrandts wie Jan Lievens, Govert Flinck und Ferdinand Bol gezeigt.

Ergänzend zu der Sonderausstellung „Inside Rembrandt“ präsentiert das Wallraf-Richartz-Museum mit „Rembrandts graphische Welt“ seit Anfang Oktober zudem eine weitere Hommage an den niederländischen Künstler: Die Auswahl von rund 30 Radierungen aus dem etwa 160 Rembrandt-Blätter umfassenden Bestand der Graphischen Sammlung soll zeigen, dass dem Ausnahmekünstler die Kupferplatte genauso wichtig gewesen ist wie die Leinwand.

Rembrandt Werkstatt, Selbstbildnis mit roter Mütze, um 1659, Öl auf Leinwand, Staatsgalerie Stuttgart, Foto bpk Berlin - Staatsgalerie Stuttgart

Rembrandt Werkstatt, Selbstbildnis mit roter Mütze, um 1659, Öl auf Leinwand, Staatsgalerie Stuttgart, Foto bpk Berlin - Staatsgalerie Stuttgart

Das Plakatmotiv der Ausstellung „Inside Rembrandt“ ist das „Selbstbildnis mit roter Mütze“, das um 1659 entstand. 1961 kaufte die Stuttgarter Staatsgalerie das Ölgemälde für den stolzen Preis von 3,6 Millionen DM noch im Glauben ein Werk des Meisters selbst erworben zu haben. Jedoch wurden bereits unmittelbar nach dem Kauf Stimmen laut, die die Echtheit des Porträts in Frage stellten. Bis heute bestehen berechtigte Zweifel an der Urheberschaft – wahrscheinlich ist, dass das Bild aus der Hand einer seiner zahlreichen Schüler stammt, die Rembrandt in seiner Werkstatt ausbildete. Kuratorin Anja Sevcik erklärt: „Wir haben das ‚Stuttgarter Selbstbildnis‘ als Plakatmotiv gewählt. Das mag erstmal überraschen, weil es heute nicht als authentisches Werk anerkannt ist. Aber es spiegelt sehr deutlich die Abgründe, die sich mit der Rembrandtforschung und der Rembrandtwertschätzung verbinden.“ Um den Maler herrscht schon lange ein großer Hype auf dem Kunstmarkt, deshalb werden seine Werke für hohe Summen gehandelt. Jedoch haben sich schon häufig Bilder, die lange als Originale des Meisters galten, als Werke von Schülern und Angestellten in seiner Werkstatt herausgestellt. Ganze Forschungsprogramme, wie das 1968 gegründete interdisziplinäre „Rembrandt Research Project“, haben sich über Jahrzehnte damit beschäftigt die Authentizität von Rembrandt zugeschriebenen Bildern zu klären. Mit seiner Ästhetik und seiner Lehrtätigkeit habe er gewissermaßen eine eigene Marke geschaffen, die auf sein Umfeld stark abgefärbt hat, erklärt Anja Sevcik. Die in diesem Zusammenhang so bedeutsame Werkstatt-Zeit intensiviert sich während der 1640er Jahre in Amsterdam, wo Rembrandt nach dem Tod seines Vaters 1631 hinzieht. Hier entwickelt er seine künstlerische Begabung zur Meisterschaft und prägt als Lehrer eine ganze Generation von Künstlern.

Hier entsteht 1634 auch eines seiner eindrucksvollsten und bedeutendsten Werke, das als Höhepunkt des dritten Aktes einen Logenplatz innerhalb der Kölner Ausstellung besetzt: „Der Gelehrte im Studienzimmer“. Das Bild stammt aus Rembrandts Anfangszeit in Amsterdam und hängt normalerweise in der Prager Nationalgalerie. Auf dem großformatigen Ölgemälde ist die kompakte pyramidale Silhouette eines alten Mannes dargestellt, der einen schwarzen, pelzgesäumten Samtmantel und ein weinrotes Barett trägt. Ein goldenes Kettenpaar ruht auf seinen Schultern. Erhaben und würdevoll, aber auch etwas gedankenverloren blickt uns der Gelehrte aus dem Bild entgegen, als hätten wir ihn gerade bei seinen Studien unterbrochen.

Rembrandt (Harmensz. van Rijn), Gelehrter im Studierzimmer, 1634, Öl auf Leinwand, Nationalgalerie Prag, Foto: Museum

Rembrandt (Harmensz. van Rijn), Gelehrter im Studierzimmer, 1634, Öl auf Leinwand, Nationalgalerie Prag, Foto: Museum

Der „Gelehrte im Studienzimmer“ nimmt in Rembrandts Gesamtwerk eine bedeutende Stellung ein, da er zu einer Zeit entstand, die für den niederländischen Künstler sowohl im privaten als auch im beruflichen Leben einen Höhepunkt darstellt. Das Gemälde vereint auf ganz besondere Weise Qualitäten und Vorlieben Rembrandts: Das Menschenbild und das Historienbild. „Es ist ein Schlüsselwerk, von dem aus man sehr schön zurückblicken kann in die Leidener Frühzeit. Es lässt sich als Resümee lesen für die Errungenschaften, die sich Rembrandt bis dahin erarbeitet hat. Auf der anderen Seite steht es mit dem lebensgroßen Format auch für den ehrgeizigen Aufbruch in die kommende Karriere, die in Amsterdam vor ihm liegt.“, erklärt die Kuratorin. Zum Zeitpunkt des Entstehens war Rembrandt mit nicht einmal 30 Jahren zu einem der bestbezahlten und bekanntesten Maler der Niederlande aufgestiegen. Neben dem „Gelehrten“ zeigt die Ausstellung weitere großformatige Historienbilder, biblische und mythische Szenen und zahlreiche Porträts und Charakterstudien des Meisters und einiger seiner Zeitgenossen. Seiner Muse und späteren Ehefrau Saskia Uylenburgh, die Rembrandt als Göttin, Sagenfigur oder biblische Frauengestalt malte, ist in Köln eine ganze Koje gewidmet.

Es werden aber nicht nur die strahlenden Momente in Rembrandts Leben beleuchtet, denn dieses war neben seinem erfolgreichen Künstler-Dasein auch geprägt von persönlichen Schicksalsschlägen. Viele seiner Kinder starben früh, so wie auch seine geliebte Frau Saskia. Dieser bittersüße Tanz zwischen Ruhm und Leid, zwischen Komödie und Tragödie scheint einen als Besucher im Setting der halbdunklen Räume fast selbst einzuholen: Beeindruckend und schauderhaft zugleich erscheint in diesem Kontext Rembrandts Selbstbildnis als der griechische Maler Zeuxis, das er um 1663 – sechs Jahre vor seinem Tod – schuf. Darin begegnet man dem gealterten und vom Leben gezeichneten Künstler, der einem aus dem dunklen Bildraum lachend entgegenblickt. Deutlich wird in dieser bildgewaltigen Rembrandt-Schau der einzigartige Umgang des niederländischen Künstlers mit Licht und Schatten herausgearbeitet, mit dessen Hilfe er beeindruckende und vielschichtige Menschenbilder inszenierte. In der atmosphärischen Stimmung der Räume wirken die Gemälde selbst geheimnisvoll anziehend und schaffen es, dass man sich schließlich selbst in einem durch Kerzenlicht erhellten Studienzimmer wähnt.

„Inside Rembrandt • 1606-1669“ ist noch bis zum 1. März 2020 im Kölner Wallraf-Richartz-Museum zu sehen. Eintritt: 8 Euro (ermäßigt) bis 13 Euro.

Headerbild: Rembrandt Werkstatt, Selbstbildnis mit roter Mütze, um 1659, Öl auf Leinwand, Staatsgalerie Stuttgart, Foto bpk Berlin - Staatsgalerie Stuttgart

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Hier findet ihr weitere Informationen zur Ausstellung auf der Website des Wallraf-Richartz-Museums