Stellwerk Magazin

Mr. "Trainspotting"

Vorwort

Irvine Welsh kehrt mit seinem neuen Roman Skagboys zu Renton, Sick Boy und Begbie zurück. Im Interview erklärt er, was ihn so sehr daran fasziniert, in die Köpfe seiner Protagonisten zurückzukehren und in die dunklen Ecken Edinburghs abzutauchen.

Skagboys

1993 stellte uns Irvine Welsh in seinem Debütroman Trainspotting eine Gruppe junger Schotten vor - süchtig, kriminell, am Leben gescheitert. Drei Jahre später wurde die Geschichte der Drogen-Gang von Danny Boyle verfilmt, den Autor und sein Buch katapultierte der Boxoffice-Hit in die Besteller-Liste. Dann, zehn Jahre später, brachte Welsh die alte Bande wieder zusammen. In seinem Roman Porno beschreibt er, wo die Männer heute stehen, was aus ihnen und ihren damals so kaputten Leben geworden ist.

Das Prequel

Als Welsh vor 20 Jahren zu schreiben begann, da hatte er nicht viel Ahnung davon, wie er einen Roman angehen sollte. Um in seine Story hineinzukommen, begann er wie ein Wahnsinniger drauflos zu schreiben und kam auf eine Textmenge von rund 100.000 Wörtern. Der angehende Schriftsteller redete sich dabei selbst ein, nur "eine Vorlage für das zu machen, worüber ich eigentlich schreiben wollte" - die Rechnung ist aufgegangen. Jenes Material, das in den vergangenen beiden Jahrzehnten in dunklen Schubladen lag, war nun Zündstoff für Welshs neuen Roman Skagboys, das Prequel zu seinem Debüt. Skagboys erzählt die Vorgeschichte: Wie konnten Renton und die anderen während der gesellschaftlichen Querelen der 80er-Jahre nur derart im Drogenkonsum versumpfen?

"Kein Schriftsteller liest seine eigene Werke noch einmal gerne"

"Die Charaktere, die ich damals für Trainspotting geschaffen hatte, lebten in mir immer weiter", sagt Welsh. Je mehr man darüber schreibe, desto interessanter würden die eigenen Protagonisten werden. Bevor er sich an die Aufarbeitung des Stoffes setzte, musste er sein Debüt noch einmal lesen, um in die Köpfe seiner Figuren zurückkehren zu können. "Das war die schlimmste Erfahrung, die ich während des Schreibprozesse machen musste. Kein Schriftsteller liest seine eigene Werke noch einmal gerne", sagt Welsh. Wichtig sei das vor allem gewesen, weil Welsh zu den puren Charakteren zurückkehren wollte, "so, wie ich sie damals geschaffen hatte". Denn diverse Film- und Theateradaptionen hatten ihm ein einfaches Eintauchen erschwert: "Ich habe so viele verschiedene Umsetzungen von Trainspotting gesehen, dass ich ein wenig verunsichert war, ob ich mich sonst nicht vielleicht in deren Beschreibung verlieren würde". Am Ende sei das aber auch die schönste Erfahrung gewesen, denn "egal, ob man eine Figur selbst mag oder nicht", so Welsh, "man baut immer eine sehr starke emotionale Bindung auf, sie können sogar ein Teil von dir selbst werden". Freunde habe er wieder getroffen – irgendwie.

Back to Edingburgh

Welsh lässt mit Skagboys aber nicht nur seine alte Gang wieder zueinander finden, auch in die heruntergekommenen Ecken seiner Heimatstadt Edinburgh taucht er nochmals ab. "Mittlerweile lebe ich in Chicago, habe aber noch immer ein Apartment in Edinburgh und verbringe dort auch jetzt noch viel Zeit". In seine Charaktere musste der Autor sich erst wieder hineindenken – jene düsteren Winkel der schottischen Hauptstadt, in der er 1958 geboren wurde und in die er seine Protagonisten schon in Trainspotting versetzte, aber kennt er "seit jeher in- und auswendig".

Foto: Heyne Verlag