Stellwerk Magazin

31. Internationales Frauenfilmfestival in Köln

Vorwort

Das 31. Internationale Frauenfilmfestival, das abwechselnd in Dortmund und Köln stattfindet, richtete in diesem Jahr neben den beiden Kategorien begehrt! filmlust queer und Panorama den Länderfokus auf die Türkei und bot einen filmischen Querschnitt der Visonen von New York bis Istanbul.

Mit Beth B. tauchte man ein in die New Yorker Neo-Burlesque-Szene. Thematisch wurde die Selbstermächtigung des Körpers, die Ablehnung von Rollenzuschreibungen und der Wunsch nach Auflösung sexueller Binaritäten behandelt. Daneben wurde mit dem Länderfokus Türkei der Blick auf die Arbeiten türkischer Regisseurinnen und ihrer Sicht auf die türkische Gesellschaft gerichtet.

Im Filmforum des Museum Ludwig haben sich die Zuschauer des 31. Internationalen Frauenfilmfestival gerade auf den Kinosesseln niedergelassen. Es sind Frauen aller Altersrichtungen, vereinzelt ein paar Männer, die sich die Dokumentation über den Bau einer Schnellstraße entlang der Küste des Schwarzen Meeres ansehen werden. The Shore ist einer der 106 Filme, die vom 8. bis zum 13. April in den Kölner Kinos gezeigt wurden. Regisseurinnen, Kamerafrauen, Filmmusikerinnen und anderen Filmschaffenden bietet das Festival eine Plattform, um hier ihre Arbeiten zu präsentieren – auf einem der größten und bedeutendsten Frauenfilmfestivals weltweit.

Drei Wettbewerbe sowie drei weitere thematisch geschlossene Kategorien bilden den Rahmen für die Festivalfilme. Im Debüt-Spielfilmwettbewerb hatten acht internationale Langfilmdebüts aus acht verschiedenen Ländern die Aussicht auf einen Preis von 10.000 Euro. Über die Gewinnerin entschied eine prominent besetzte Jury, in der unter anderem Kim Yutani, Kuratorin des Sundance Film Festivals1Das Sundance Film Festival ist ein US-amerikanisches Filmfestival. Es gilt als wichtige Plattform für unabhängige, amerikanische und internationale Produktionen., saß. Daneben wurde im Nationalen Wettbewerb für Bildgestalterinnen besondere Kameraarbeit ausgezeichnet, der Publikumspreis kürte den Zuschauerfavoriten. Die finanziellen Zuschüsse sollen Frauen den Einstieg in eine Filmbranche erleichtern, in der sie noch immer eine Nebenrolle spielen.

Exposed

Foto: Burlesque-Vorstellung von Bunny Love zu dem Film Exposed

Beth B. ist eine dieser Frauen. Sie ist Künstlerin und Regisseurin aus New York und zeigt auf dem Festival ihren Dokumentarfilm Exposed über die Neo-Burlesque-Szene New Yorks. "The hope is that the women's film festival throws a little more of a spotlight on the talents and the visions of women." Ihre Vision ist es, mit ihrem Film traditionelle Wertvorstellungen zu hinterfragen und auf Themen wie Geschlechtsidentität aufmerksam zu machen, Zuschauer mit ihren Vorurteilen und moralischen Grenzen zu konfrontieren. Gemeinsam mit 27 weiteren Filmen bildete der Film Exposed die Sektion begehrt! filmlust queer, in der es um Sex haben oder nicht haben geht, um lesbische Liebe und weibliche Selbstermächtigung. Beth B. ist überzeugt:

"There's a different dialogue that occurs when you’re looking at films made by women. I think that they can generate a lot of discussions and questions."

Foto: Bunny Love mit Beth B.

Diskussionen befördern, Fragen aufwerfen, neue Perspektiven einnehmen, darum geht es den Frauen des Filmfestivals. Sie versuchen, aufmerksam zu machen. Aufmerksam auf Missstände, auf Ungerechtigkeiten, auf vorgefasste Meinungen, die überdacht werden sollten. Sie zeigen inhaltlich unbequeme und formal anspruchsvolle Filme. In keiner anderen Kategorie wurde das so intensiv umgesetzt wie im Länderfokus Türkei, der Sektion, die neben begehrt! filmlust queer und Panorama, im Mittelpunkt des Festivals stand. Die Festivalleiterin Silke Räbiger erklärt, wieso die Wahl ausgerechnet auf die Türkei fiel:

"Auf der einen Seite haben wir in den letzten Jahren sehr viele schöne, überraschende Filme von jungen Regisseurinnen aus der Türkei bei uns auf dem Festival gehabt und zum anderen sind wir natürlich auch Beobachterinnen der Ereignisse rund um den Gezi-Park im vergangenen Jahr."

Der Gezi-Park und die Proteste rund um den Taksim-Platz betteten die Filme in einen ungewöhnlichen Kontext ein. Denn ausgewählt wurden sowohl Filme, die zeitlich vor den Protesten produziert wurden, als auch Filme, die danach und vor dem Hintergrund der Geschehnisse entstanden sind. Dabei herausgekommen ist ein breites Panorama der türkischen Gesellschaft, die zum Teil Hoffnungslosigkeit und Zukunftsangst verspürt, die aber auch neuen Mut geschöpft hat, weiter für ihre Rechte zu kämpfen. "Thank you for giving us a voice!" Der spontane Dank an die Organisatoren des Festivals von Emel Celebi, die als Kuratorin für die Auswahl der Filme über die Türkei verantwortlich war, fasste diese unterschiedlichen Gefühlsfacetten in Worte.

Zehn aktuelle Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme befassten sich in der Kategorie "Fokus: Türkei" vor allem mit den Begriffen und dem Verständnis von Heimat und Identität. Auch oder gerade deshalb passte das diesjährige Frauenfestival mit seinem Länderschwerpunkt so gut nach Köln. Hier leben rund 60.000 Menschen mit türkischen Wurzeln, die sich mit einem weniger klar definierten Verständnis ihrer Heimat und ihrer Identität auseinander setzen müssen. Einem Verständnis, das nicht immer alle nachvollziehen können. In diesem Sinne ist das Festival auch ein Forum für Dialog. Zwar sei "die türkische Community irgendwie ganz gut integriert", so Silke Räbiger "aber trotz allem wird gerade in Köln mit der Keupstraße noch einmal deutlich, wie wenig aufmerksam man aufeinander schaut und wie schnell man mit Vorurteilen zur Hand ist." Ihre Hoffnung ist es, dass das Programm dazu anregt, Vorurteile zu überdenken und Gedankenanstöße zu geben.

Als The Shore endet und die Diskussion zwischen Publikum und Regisseurin in einem bunten Sprachmix aus deutsch, teils gebrochenem englisch und türkisch beginnt, fällt es nicht schwer, zu glauben, dass jeder Zuschauer mit einem neuen Denkanstoß nach Hause gehen wird.

Fotos: Guido Schiefer / IFFF Dortmund | Köln

Foto Banner: Debatte "Heymat" (v.l.n.r.: Mely Kiyak, Aysun Bademsoy, Lale Akgün, Can Erdogan)