Stellwerk Magazin

phil.COLOGNE 2015 - II Sterben für Gott, geht das?!

Vorwort

Die phil.COLOGNE 2015 fand vom 27. Mai bis 3. Juni in verschiedenen Veranstaltungshäusern in ganz Köln statt. Das Festival erreichte auch im dritten Jahr eine große mediale Resonanz. Die über 40 Veranstaltungen und Diskussionen waren gut besucht und wurden live im Radio auf WDR 5 übertragen. Bekannte Menschen aus Politik, Kultur, Sport und natürlich der Philosophie waren eingeladen. Es wurde den verschiedensten Fragen von Religion über Alltag bis hin zu aktuell gesellschaftlichen Themen nachgegangen - Was ist die Philosophie eines guten Lebens oder einer guten Ehe? Gib es eine Philosophie des Hundes? Inwiefern sind Träume mit unserer Realität verbunden? Was ist eigentlich Zeit?

Die liberale Muslimin und Buchautorin Lamya Kaddor und der katholische Hochschullehrer Eberhard Schockenhoff diskutierten in ihrem Gespräch im COMEDIA Theater über den Begriff des Märtyrers, sowohl im heutigen als auch im historischen Verständnis beider großen Weltreligionen, dem Christentum und dem Islam. In der Diskussion fiel auf, dass der Begriff des Märtyrers in beiden Religionen der gleichen Vorstellung unterliegt. Sowohl im Christentum als auch im Islam ist ein Märtyrer derjenige, der aus Überzeugung für seinen Glauben im Angesicht der größten Gefahr für sein Leben nicht von seinem Glauben ablässt.

Eberhard Schockenhoff benannte jedoch die schwierige Diskrepanz in der positiven Grundeigenschaft des christlichen Schöpfungsgedankens und des bewussten Opfers seines eigenen Lebens. Denn das Leben selbst sei das höchste Gut, was einem von Gott gegeben sei, in beiden Theologien. Dementsprechend sei es schlicht falsch, wenn Selbstmordattentäter sich und andere Menschen im Namen der Religion in den Tod stürzen, um dann als Märtyrer verehrt zu werden, hielt Lamya Kaddor in ihrer Definition folgerichtig fest. Selbstmordattentäter seien keine Opfer ihrer Überzeugungen, sondern wollen durch ihren Freitod Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Eberhard Schockenhoff, geb. 1953 in Stuttgart, Professor für Moralethologie an der Universität in Freiburg im Breisgau und Mitglied im deutschen Ethikrat. Schockenhoff ist katholischer Priester. Im Herder Verlag erschien zuletzt 2011: "Chancen zur Versöhnung? Die Kirche und die wiederverheirateten Geschiedenen"

Irrtümliche Martyrien

Im Martyrium, da waren sich beide Theologen einig, besteht seit jeher die Gefahr einer Sinnzusprechung, die den allgemeinen Maximen und Wertvorstellungen der Religion widersprechen. Tragische Beispiele dafür sind in beiden Weltreligionen zu finden. Im Christentum können etwa die Kreuzzüge im Mittelalter als ein Aufruf zum irrtümlichen Martyrium im Namen Gottes diskutiert werden, so Eberhard Schockenhoff. Aber auch in unseren Zeiten lassen sich erschreckend viele Beispiele finden. So missbraucht etwa die Terrororganisation Islamischer Staat die Religion des Islam, um seinen grausamen Krieg zu legitimieren.

Lamya Kaddor, geb. 1978 in Ahlen, Religionspädagogin, Islamwissenschaftlerin und Vorsitzende des Liberal-Islamischen Bundes mit Sitz in Köln, sowie Buchautorin. In diesem Jahr erschienen: "Zum Töten bereit. Warum deutsche Jugendliche in den Dschihad ziehen" (Piper Verlag)

Perspektivlosigkeit und Identitätsfindung

Im Laufe des Gespräches wurde daher auch auf die Gefahren der Rekrutierungsversuche jener Terrororganisationen hingewiesen. Warum finden so viele junge Menschen Gefallen am religiösen Fanatismus? Was fasziniert sie und warum lassen sie sich verführen? Lamya Kaddor, die viele deutsche Jugendliche islamischen Glaubens zu jenen Thema befragt hat, stellte heraus, dass es nicht die großen Versprechen der Terroristen seien, im Falle eines Martyriums auf ein erfülltes Leben nach dem Tod zu hoffen. Es sei schlicht Perspektivlosigkeit und eine Phase der Identitätsfindung der Jugendlichen, welche die Extremisten für ihre Zwecke ausnutzen würden. Es würden Fehler hier in Europa und Deutschland gemacht, da die Gesellschaft es nicht schaffe, jene Jugendliche so zu akzeptieren wie sie sind, warnte Lamya Kaddor. Unter diesem Aspekt wandelte sich die Diskussion zu einer Bildungsdebatte, inwiefern Jugendlichen, beispielweise islamischen Glaubens, in Deutschland die gleichen Möglichkeiten und Chancen eingeräumt würden.

Fotos: phil.COLOGNE

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