Stellwerk Magazin

Lesung und Release-Party schliff-Magazin "Lebensformen"

Vorwort

Unter dem Motto „Lebensformen“ erschien am 19. Januar 2017 die nunmehr fünfte Ausgabe des schliff-Magazins, die mit einer Lesung und anschließender Release-Party im King Georg gefeiert wurde. Die seit dem Sommersemester 2014 am Institut für deutsche Sprache und Literatur I der Universität zu Köln angesiedelte Literaturzeitschrift zielt darauf, literarische neben literatur- und kulturwissenschaftliche Beiträge zu stellen und auf diese Weise theoretische Reflexion und literarisches Schreiben in eine produktive Spannung zueinander zu setzen.

©  Andreas Erb, Anna Beughold, Thomas Scheer © Andreas Erb, Anna Beughold, Thomas Scheer

Schon zwanzig Minuten vor Beginn der Lesung ist es ziemlich voll im King Georg. An einen Sitzplatz ist nicht mehr zu denken, ein Stehplatz an der Bar findet sich aber dennoch. Ein erstes Bier. Der Abend beginnt mit einleitenden Worten und ersten Danksagungen der beiden Herausgeber, Kathrin Schuchmann und Christopher Quadt.

Der Verlag edition text+kritik ist neu für das Literaturmagazin schliff. Ein redaktioneller Beirat gefunden. Auch das Konzept der nächsten fünf Ausgaben, beginnend mit der heute präsentierten, wird vorgestellt. Leitmotiv ist der Begriff der Lebenswelt, wobei jede der fünf Ausgaben unter einem anderen Motto steht, der sich auf andere Weise mit jenem Leitmotiv auseinandersetzt. Die aktuelle Ausgabe hat das Motto Lebensformen, geplant sind Hefte zu den Themen Alltag, Reisen, Landschaft und Technik. Es soll aber auch gar nicht all zu lange aufgehalten werden, fünf Autorinnen und Autoren stellen im Folgenden ihre Texte vor.

Prinzipien der Lebens/Formung und ihr Aufbrechen

Der erste Autor, Joachim Geil, beginnt mit einem Text über die Vollkommenheit griechischer Kunst und schließt mit einem Text über erst badende, dann brennende Stofftiere an. Formen des Lebens wird sich hier auf unterschiedliche Weise genähert. So ist es bei den alten Griechen das Prinzip der mimesis, welches Kunst durch spezifische Formung möglichst nah ans Leben annähern soll. Die Griechen sind es auch, die für das Wort Leben noch zwei verschiedene Ausdrücke kannten. Der Begriff zōḗ steht „für die einfache Tatsache des Lebens, [die] alle[n] Lebewesen (Tieren, Menschen oder Göttern) gemeinsam“1Giorgio Agamben: Lebens-Form, S. 251. In: Gemeinschaften. Positionen zu einer Philosophie des Politischen. ist und bíos steht „für die eigentümliche Lebensform eines einzelnen oder einer Gruppe“.2Giorgio Agamben: Lebens-Form, S. 251. In: Gemeinschaften. Positionen zu einer Philosophie des Politischen. Wird sich in der ersten Geschichte den Lebensformen noch durch ein künstlerischen Prinzip und durch das Ursprüngliche des Begriffs angenähert, erfolgt der Bezug in der zweiten Geschichte durch eine andere Formung des Lebens: die Erziehung. Ist das Verbrennen des Kuscheltiers doch eine Form der Sanktionierung eines Elternteils des Kindes. Matthias Dieckmann stellt vier seiner Gedichte vor, zwei davon im neuen Heft. Waren es vorher Prinzipien der Formung geht es nun vor allem darum, diese Formen aufzubrechen. So geht es in Jemandem beim Sterben zuschauen - der Name ist weitestgehend selbsterklärend - um das Erlöschen des Lebens und damit seiner Form. In Stich wird getestet, ob das Leben auch hieb- und stichfest ist. Nicht mehr löst alles Leben durch den Atomkrieg in seine Atome auf und in Einhorn im Malbuch der Cousine ausmalen ist es die Fantasie, die alles aus seiner Form löst, denn „ein rosablaues Pferd. // […] sowas kann es gar nicht geben“.3Matthias Dieckmann: Einhorn im Malbuch der Cousine ausmalen, S. 106. In: schliff No.5. Auf Fantasie folgt mit Im anderen Licht von Guy Helminger sozialer Realismus: Statt Fantasie bilden Drogen hier den Ausweg. Ein anderes Licht wird auf die Sache geworfen, wenn die Lebensweise der Unterschicht nur gespielt und der Vater eigentlich aus der Oberschicht stammt. Sein Kind hat er aus Protest Kevin genannt.

King Georg

Bis auf den letzten Platz besetzt: Die letzten Gäste müssen vom Eingang aus lauschen. © Daniela Doutch

Lebensform "Student"

Manon Schnabel berichtet in ihren Gedichten aus dem Alltag einer jungen Studentin - die Gedichte erscheinen passenderweise in der nächsten Ausgabe von schliff. Von Work and Travel (zugegebenweise eine Lebensweise für die sich heute viele entscheiden), langen Abenden in WG-Küchen und eine Liebeserklärung an Begegnungen im Buchladen (wo sich heute wohl weniger junge Leute herumtreiben als in den typischen Backpacker Zielen Australien, Thailand oder Neuseeland). Den Abschluss macht die aus Frankfurt am Main angereiste Miriam Zeh. In Daphnis et Chloé geht es, wie auch schon bei Joachim Geil, um Erziehung, jedoch nicht um die elterliche, sondern die musikalische. Auf zwei Zeitebenen geht es einerseits um die Zeit auf der Musikschule, andererseits um einen Auftritt als bereits ausgebildete erste Flöte. Dass die Formung in der Musikschule ziemlich rabiat zugehen kann, wissen wir alle seit Damien Chazelles Whiplash; dass Beziehungen nicht immer platonisch bleiben, seit Jelineks Die Klavierspielerin. Miriam Zeh macht hier jedoch nicht ‚more of the same‘, sondern schließt den ersten Teil des Abends, wenn schon nicht mit Pauken und Trompeten, dann zumindest mit dem „berühmte[n] Solo aus Daphnis et Chloé4Miriam Zeh: Daphnis et Chloé, S.41. In: schliff No.5. ab. Es folgen Danksagungen und der zweite Teil des Abends wird eröffnet: Musik und mehr Bier.

Alles gehört dir, eine Welt aus Papier. Alles explodiert, kein Wille triumphiert.5Tocotronic: Explosion

Header: © Andreas Erb, Anna Beughold, Thomas Scheer

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