Stellwerk Magazin

Interview Theater als Beruf

Vorwort

Stefan Schroeder hat Theaterwissenschaft, Germanistik und Anglistik an der Ruhr-Universität Bochum studiert. Nach Hospitanzen und Assistenzen in Regie und Dramaturgie nahm er Schreibaufträge für das Wuppertaler Kinder- und Jugendtheater an. Neben seinen freiberuflichen Tätigkeiten als Autor, Regisseur und Dramaturg hatte er einige Jahre eine Festanstellung am Schauspiel Dortmund inne. Seit 2006 leitet Stefan Schroeder Seminare an der Technischen Universität Dortmund mit den Schwerpunkten Theaterwissenschaft, Dramaturgie, Drama und Theaterpraxis.

© Bettina Stöß

Wie sind Sie zur Arbeit beim Theater gekommen?

Ich bin ganz klassisch über das Studium der Theaterwissenschaft, dann über eine Hospitanz am Theater Dortmund zum Theater gelangt. Dort wurde dann eine Stelle als Dramaturgie-Assistent frei. Das ist eigentlich ein ganz typischer Weg für einen studierten Theaterwissenschaftler. Man muss natürlich auch ein bisschen Glück haben, damit man im richtigen Moment am richtigen Ort ist, aber im Grunde war das für Dramaturgen ein typischer Ausbildungsweg.

Funktioniert das heute auch noch so „einfach“?

Ja, das funktioniert im Prinzip noch genauso, aber es gibt immer weniger Stellen für immer mehr Leute. Das liegt daran, dass die Theater mehr und mehr zusammenschrumpfen, als dass sie sich vergrößern. Es studieren unheimlich viele Leute Geisteswissenschaften und insofern muss man einfach Glück haben, im richtigen Moment auf die richtige Lücke zu stoßen, aber darauf verlassen kann man sich natürlich auch nicht.

Wenn man die Entwicklung des Theaters in den letzten zehn Jahren betrachtet, welchen Stellenwert hat das Theater heute?

Gesamtgesellschaftlich wird durch Internet und Fernsehen sehr viel Konkurrenz angeboten. Insofern muss man nicht mehr das Haus verlassen, um sich irgendetwas zu Gemüte zu führen. Und eben da muss das Theater natürlich immer wieder versuchen, ein Alleinstellungsmerkmal und eine Besonderheit nach außen darzustellen, damit es überhaupt noch einen Grund gibt, ins Theater zu gehen. Wir halten uns zugute, dass wir ein künstlerisches Reflexionsangebot schaffen, das sich mit der uns umgebenden Welt auseinandersetzt und dazu einlädt, diese Auseinandersetzung zu vertiefen bis hin zu einer bewusst kritisch praktizierten, gesamtgesellschaftlichen Haltung. Man kann natürlich auch Theater zum Zwecke der Unterhaltung machen, da spricht überhaupt nichts gegen. Das sind dann zwei Pole, die einander gegenüberliegen, aber das können natürlich auch alle anderen Medien von sich sagen: Sie können anspruchsvolles Kino machen und wenn man die richtige Nische findet, vielleicht sogar anspruchsvolles Fernsehen.

Welche Alleinstellungsmerkmale hat das Theater ganz konkret?

Auf der einen Seite ist es das Erlebnis, mit dem Theaterereignis in einem Raum zu sein, der Live-Zustand sozusagen. Denn dieses Merkmal hebt das Theater von allem anderen ab, auch vom 3D-Kino. Es geht vielleicht nicht jedem so, aber ich finde, dass im Theater eine besondere Aura geschaffen wird, die in das Publikum getragen wird. Auf der anderen Seite nutzen wir diese Kunstform im Sinne einer möglichen Abstraktion und Verfremdung, um Bilder und Eindrücke entstehen zu lassen, während Film und Fernsehen häufig zum Realismus tendieren. Sobald die Kamera auf etwas gerichtet ist, hat man einen realistischen Rahmen und da muss man erstmal Wege finden, um Kunstmittel gezielt einzusetzen. Das Theater mit seinem leeren Raum und der schwarzen Bühne hingegen ist per se ein artifizieller Ort, der heute auch nicht mehr versuchen würde, die Wirklichkeit 1:1 abzubilden. Insofern sind die künstlerischen und ästhetischen Mittel, die das Theater nutzt, sehr spezifisch und sehr besonders. Das kann man mögen und schätzen, aber ich denke, für viele Leute ist das ein bisschen zu fremd.

Inwiefern spielen die Kosten für den Theaterbesuch eine Rolle?

Im subventionierten Stadttheater sind die Eintrittspreise erschwinglich. Wenn man Ermäßigungen für beispielsweise Studierende einbezieht, kosten die Karten fast gar nichts mehr. Der Normalpreis der Karten beginnt, je nach Theater und Staffelung der Preisgruppen, bei ca. 10 bis 15 Euro. Betrachtet man hingegen die freischaffende Szene, ist das schon schwieriger. Da die freien Theater nur wenig und zum Teil gar nicht öffentlich gefördert werden, schlägt sich das auf die Eintrittspreise nieder, damit sich diese Szene überhaupt finanziell halten kann. Das tendiert dann manchmal zum Elitären. Ich arbeite auch in der freien Szene und da sind die Karten manchmal auf einem so hohen Preislevel, dass ich mir die selber gar nicht so oft leisten würde.

Auf der anderen Seite muss man auch die Kosten innerhalb des Theaters betrachten. Das Theater ist ein Betrieb, der unheimlich viel Geld verschlingt, da müssen wir uns nichts vormachen. Und ich sage immer, man darf nicht vom Stadttheater verlangen, dass es schwarze Zahlen schreibt. Das ist abwegig. Man muss da Geld reinstecken. Die Städte mit ihren Sparbemühungen verkennen immer, dass das Wesen dieser Kunstform nicht darin besteht, sich finanziell zu tragen, sondern dass es ein Angebot schafft, welches einen Wert hat und für diesen Wert muss man eben entsprechend bezahlen. Die Städte hätten gerne ein umfangreiches Kulturangebot bei gleichzeitig ausgewogenem Haushalt, was aber eine Rechnung ist, die hinsichtlich des Finanzierungsbedarfs eines typischen Stadttheaters nicht ohne Weiteres aufgeht.

Welche Perspektiven haben Studierende der Germanistik beim Theater?

Es gibt eine wunderbare Verknüpfung zwischen Germanistik und Theater. Die Dramaturgie ist die Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Kunst. Die reflektierte Haltung, die die Literatur- und Geisteswissenschaften prägt, sowie der analytische Blick auf Dinge aus einer kritisch-reflektierenden Distanz, sind die wesentlichen Aspekte, um die es bei der täglichen Arbeit des Dramaturgen geht. Ein großer Teil der Arbeit eines Dramaturgen besteht darin, an den Theaterproduktionen teilzunehmen und den Regisseuren und Schauspielern eine kreativ-brauchbare, produktive Rückmeldung zu geben. Die Beteiligten selber haben häufig nicht die nötige Distanz zu ihrem eigenen Schaffen. Deshalb bedarf es der kritischen Außenperspektive.

Eben das übt man im Literaturstudium ein: Den kreativen Gestaltungsprozess auf der Metaebene reflektieren und den „Künstlern“ anschließend ein Feedback geben. Darüber hinaus hat der Dramaturg viele bodenständige Aufgaben, wie Literaturrecherche, Werbetexte verfassen, Informationen für das Ensemble und das Publikum zusammenstellen und Programmhefte gestalten. Für diese Aufgaben ist eine literatur- und geistesgeschichtliche Kenntnis erforderlich, die man sich sowohl während des Studiums, als auch darüber hinaus aneignen sollte. Ich habe das immer sehr wertgeschätzt, weil die Aufgaben tatsächlich sehr vielfältig sind.

Wie gut sind die Chancen beim Theater eine Anstellung zu bekommen?

Man muss ehrlich sagen, dass es nicht so viele Positionen für Dramaturgen gibt. Ich mache das nun auch nicht mehr hauptberuflich. Primär arbeite ich als Dozent an der Uni. Ich mache nebenbei ein paar Tätigkeiten in der freien Szene. Die können sich meistens gar keinen Dramaturgen in vollem Umfang leisten. Wenn man so will, könnte man meinen, das ist ein Luxus der subventionierten Theater. Es gibt demnach leider sehr wenige Arbeitsplätze in dem Bereich, obwohl die Anstellung als Dramaturg für Germanisten sehr passend ist.

Welche Tipps haben Sie für diejenigen, die es dennoch schaffen wollen, beim Theater zu landen?

Im Grunde sollte man ganz pragmatisch Erfahrungen durch Praktika sammeln. Man bewirbt sich um eine Hospitanz am Theater. Ich glaube, es ist gar nicht so schwer, Hospitanzen zu kriegen, weil die Theater dankbar für alle sind, die mitarbeiten wollen. Je nach Größe des Theaters variiert das zwar etwas, aber man wird immer ordentlich eingespannt und darf im Grunde Dinge übernehmen, die Dramaturgen eben auch tun: das Schreiben von Texten oder das Führen von Interviews. Man steht als Hospitant sogar im Programmheft. Ich habe das immer sehr gerne gemacht. Aber dann den Sprung in eine feste Beschäftigung hinzukriegen, das hängt dann von sehr vielen Zufällen ab. Trotzdem ist das letzten Endes der Weg, der funktionieren kann.