Stellwerk Magazin

Ein persönlicher Nachbericht Heimat für alle

Vorwort

„Planet Heimat“ – die Theaterperformance in Zusammenarbeit mit Geflüchteten in Odonien hatte vom 12. bis 14. Mai 2017 seine Aufführungen im Rahmen des Sommerblutfestivals. Die begeisterten Reaktionen des Publikums haben es zu einer einmaligen Erfahrung für die Darsteller gemacht. Alexandra Vavelidou, Praktikantin des Projekts und Darstellerin, reflektiert über die Erfahrungen der letzten Monate und die Chancen, die ein solches Projekt bietet.

Liebes Deutschland, bitte halte deine Türen weiterhin für alle Menschen offen, die auf der Flucht sind und bei uns Schutz suchen. Sie haben genug Leid durchgemacht und würden den langen und gefährlichen Weg nach Europa nicht wagen, ihre Familien und Freunde nicht verlassen, wenn sie nicht gute Gründe dafür hätten. So viele junge Menschen, zu früh erwachsen gewordene Kinder, die trotz traumatischer Erlebnisse nach vorne schauen und ihr Bestes für eine friedliche Zukunft geben. Menschen, von denen wir Vieles lernen können. Angst vor oder Hass gegenüber einer „Flüchtlingswelle“ zu empfinden, spiegeln Unwissenheit oder Ignoranz wider. Ja, die große Masse zuflüchtender Menschen, wie die Medien sie präsentiert, hat zunächst kein Gesicht. Vielleicht erscheint sie manchen deshalb unnahbar oder gar bedrohlich. Aber sollen wir ihnen nicht mehr helfen, weil es so viele sind? Sich abzuwenden, lässt die Masse weder verschwinden noch kleiner werden. Wenn man genauer hinsieht, sich die einzelnen Schicksale bewusst macht, löst sich die Masse in Menschen auf und Phantome erhalten Gesichter. Liebes Deutschland, gib diesen Gesichtern mehr Chancen, sich hier eine neue Heimat aufzubauen. Mehr Chancen, zu zeigen, was für offene und herzliche Menschen sie sind. Mehr Chancen ihren Leidenschaften und Interessen nachzugehen.

Planet Heimat | Gregor Leschig Inszenierungen | Bühne: Eva Sauermann | Odonien | Sommerblut 2017

Reise zum Planeten Heimat

Das Theaterprojekt „Planet Heimat“ war eine Chance dazu in Köln. Theater, eine Gruppe von Menschen verschiedenster Nationalitäten und ein gemeinsames Ziel scheinen die perfekten Zutaten für Inklusion zu sein. Kultur und Kreativität, statt stumpfer Grundsätze. Den Erfolg dieses Konzepts hat das Sommerblut Festival der Multipolarkultur im Mai schon zum 16. Mal bewiesen. Zwei Wochen lang konnten die Kölner wieder unzählige Performances und Theaterstücke in der Stadt erleben.

„Planet Heimat“ war eines der größten Projekte und feierte am 12. Mai seine Premiere auf dem Gelände von Odonien. An drei Aufführungsabenden konnte man sich die Ergebnisse der monatelangen Arbeit und intensiven Proben anschauen. Die Zuschauer mussten eine strenge Einlasskontrolle auf Arabisch und Kurdisch passieren und sich auf dem unübersichtlichen Gelände von Odonien zurechtfinden. Ein bewusst provoziertes Gefühl von Fremdheit und Orientierungslosigkeit sollte aber schließlich von den Darstellern aufgefangen und dem Gefühl des Willkommenseins weichen. Die Schauspieler haben die Gäste mit auf eine Reise durch die verschiedenen Stationen des Planeten Heimat genommen: Sie führte etwa zu Saaids Stück zum Giftgas-Terror in Syrien, zu selbstgeschriebenen Gedichten in Lagerfeuer-Atmosphäre und zu Komödien wie beispielsweise Rezas Improvisationstheater, das um die Schwierigkeit kreist, eine Frau in Deutschland für sich zu erobern und somit auch für Lacher sorgte.

Planet Heimat | Gregor Leschig Inszenierungen | Bühne: Eva Sauermann | Odonien | Sommerblut 2017

„Reboot the System“

Das Publikum musste sich also auf der Reise aufteilen. Jeder konnte den Abend für sich selbst gestalten. In Zwischenpausen war es möglich, das Gelände weiter zu erkunden und beispielsweise Klanginstallationen und Videoprojektionen zu entdecken. Alle Gäste kamen lediglich bei „Reboot the System“ zeitgleich zusammen, wo dem Zuschauer mit dem Druck eines Buzzer-Knopfs die Chance gegeben wurde, die Welt zu verändern. Damit wurde auf der Bühne, im Kern von Odonien, Utopien und Träumen Platz gemacht. Und am Ende des Abends kamen schließlich alle, Zuschauer und Darsteller, am großen Lagerfeuer zusammen. Nach dem abschließenden Dankeslied von „Planet Heimat“ an seine Gäste, verging kein Abend ohne einen ausgelassenen gemeinsamen Tanz zu kurdischer Musik des Saz-Spielers Rawan. Das war auch letztendlich dann der Moment, an dem sich eine gewisse Verbundenheit zeigte, die im Laufe des Abends entstanden ist und die Grenze zwischen Zuschauern und Darstellern verwischen ließ. Aus Sicht des Teams von „Planet Heimat“ kann ich sagen, dass es überwältigend war, die positiven Reaktionen und vielen Emotionen des Publikums zu erleben.

Planet Heimat | Gregor Leschig Inszenierungen | Bühne: Eva Sauermann | Odonien | Sommerblut 2017

Die Message ist dem Stück gelungen: Heimat sollte für alle da sein. Für die aktuelle Situation in Deutschland mit seinen Integrationsproblemen kann es nur wünschenswert sein, dass Projekte wie „Planet Heimat“ keine einmalige Sache bleiben, sondern erst einen Anfang setzen. Gerade für junge Geflüchtete bietet diese Art von Projekten eine kreative Art der Freizeitgestaltung, in der sie gefördert werden und kulturelle sowie sprachliche Hürden überwinden können – und natürlich: Freunde finden.

Fotos: © MEYER ORIGINALS, www.meyeroriginals.com

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