Stellwerk Magazin

Interview Gina Été

Vorwort

Das Jazz Against The Machine-Festival in Köln geht 2017 in die neunte Runde. Unter dem Motto „Jazz ist nicht, was Du tust, sondern wie Du es tust“ sind vom 4. bis zum 6. Juli insgesamt 12 Bands im ARTheater in Köln Ehrenfeld zu Gast. Gegründet wurde das Festival von der Jazz/Pop-Abteilung der Hochschule für Musik und Tanz Köln, um den Studierenden eine Plattform für ihre Musik zu geben. Aus den etwa fünfundzwanzig Bewerbungen wurden nun 12 auserwählt. Die Jury, die auch aus Studierenden der Hochschule besteht, hat bei ihrer Auswahl auf eine Vielfalt zwischen Jazz und Pop zum einen, und einer Mischung aus Newcomern und bereits bekannteren Bands zum anderen geachtet.

Einer der Acts am ersten Abend wird auch Gina Été mit ihrer Band sein. Seit 2016 lebt die gebürtige Schweizerin nun in der Domstadt und studiert Jazzgesang im Master an der Hochschule für Musik und Tanz Köln. Ihre französischsprachigen Bandmitglieder aus Genf und Strasbourg kommen somit nun auch immer häufiger für Auftritte in die Stadt. Das Quartett besteht aus der Sängerin und Songwriterin Gina Corti, dem Gitarristen Jeremie Revel, dem Kontrabassisten Phillip Klawitter und dem Drummer Noé Franklé.

Gina Été & Band | Foto: Edouard MK

Euren Musikstil bezeichnet ihr als „Poetic Post-Pop“. Was kann man sich darunter vorstellen?

Formal gesehen spielen wir „Pop“-Songs: es gibt Verse, Chorus und eine Bridge zum Beispiel. „Post-Pop“, weil es harmonisch und rhythmisch klar über Mainstream-Pop hinausgeht und man vielleicht auch hört, dass wir Jazz-Musiker sind. Und „Poetic“, weil sehr viel Gewicht auf Sprache und Text liegt.

Woher nimmst du die Inspiration für deine Songs?

Musikalisch ist das relativ klar: Was ich mir irgendwann mal anhöre, kommt dann auch wieder bei der Komposition raus. Momentan sind das zum Beispiel Radiohead und Björk – da kommen abgefahrene Stücke raus. Auf textlicher Ebene passiert am meisten, wenn ich aufgewühlt, wütend oder traurig bin. Meine Gedanken schreibe ich dann tagebuchmäßig auf und daraus entstehen die Texte – sie sind also sehr nah an meinem Leben. Zudem habe ich noch ein Konzept: Ich nenne es Mindsharing. Das heißt, ich sammle manchmal bei Konzerten Input vom Publikum. Ich stelle zum Beispiel eine Frage wie: „Was ist euer Lieblingswort?“ Das Publikum schreibt seine Antwort auf und daraus bastle ich dann einen Songtext.

Du schreibst Texte in vier verschiedenen Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch und Schweizerdeutsch. Passt für dich zu manchen Texten eine bestimmte Sprache besser als die andere?

Sehr oft sind etwa sozialpolitische Texte auf Hochdeutsch, weil es irgendwie passt und ich mich in dieser Sprache dann am Besten ausdrücken kann – auch wenn ich wütend bin. Ganz intime Sachen sind schon auf Schwiizerdütsch. Englisch wird es eher bei abgespaceten Stücken oder denjenigen, die mehr in Richtung Jazz und Elektropop gehen. Auf Französisch habe ich länger nicht mehr geschrieben, aber das passiert witzigerweise dann, wenn ich etwas auf Deutsch oder Englisch nicht so einfach sagen kann. Was in einer anderen Sprache vielleicht einfach nur blöd klingen würde, klingt in Französisch trotzdem schön.

Was war deine bisher schönste Erfahrung bei einem Live-Auftritt?

Das Schönste war wohl, als ich dieses Jahr in Griechenland in einem Flüchtlingscamp geholfen habe und mal meine Bratsche mit in die Lagerhalle genommen habe. Ich habe drei Songs gespielt und es war megaschön zu sehen, was es in den Menschen ausgelöst hat. Und es hat uns auch alle sehr verbunden auf eine Art.

Spätestens seit dem Film „Lalaland“ hört man auch außerhalb der Szene wieder mehr Jazz. Was meinst du? Ist Jazzmusik wieder im Kommen?

Wenn man Jazz studiert, hat man natürlich das Gefühl, dass die Jazzszene riesig ist und dass ganz viel passiert. Die Frage ist vielleicht eher, ob Jazz wieder in den Mainstream kommt, wie es in den 1930er und 1940er Jahren der Fall war. Im Moment ist Jazz noch sehr abseits und zum Teil auch noch ‚Kunstmusik’. Ich würde aber sehr wohl sagen, dass er in einer gewissen Szene und Gruppe von Menschen wiederkommt. Es wird auch viel investiert, um jüngere Leute für Jazz-Events zu begeistern. Und ja, man hört Jazz-Musik auch wieder mehr in Filmen wie zum Beispiel auch in „Birdman“ oder „Whiplash“.

Wie nimmst du Köln als Nachwuchskünstlerin wahr? Was für Möglichkeiten bietet die Musikszene hier?

Ich bin ja erst seit Oktober hier und kenne noch nicht alles. Es gibt eine sehr große und renommierte moderne Jazzszene mit zwei großen Kollektiven, die viel mit freier Improvisation machen. Es gibt auch ein paar gute, große Locations, die Jazz buchen wie das Loft, der Stadtgarten, das ARTheater oder das Alte Pfandhaus. In München gibt’s dagegen zum Beispiel nur einen richtigen Jazzclub. Und es gibt hier in Köln auch ein paar Festivals, die Jazz spielen. Ich komme ja aus Basel, also ist die Szene hier auf jeden Fall größer.

An welchem Projekt arbeitest du mit deiner Band momentan?

Wir haben im Januar unsere zweite EP Hourglass veröffentlicht. Damit waren wir im Januar und Mai auf Tour. Jetzt sind wir dabei unsere neue Single „Thursday“ aufzunehmen. Dazu wird es auch ein Musikvideo geben. Und im Herbst geht es dann voraussichtlich wieder auf Tour.

Vielen Dank für das Gespräch!

Foto: Taya Chernishova

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