Stellwerk Magazin

Interview „Die Endlichkeit des Augenblicks“

Vorwort

Mit dem Schreiben fing sie bereits in der Schulzeit an, aber es dauerte 13 Jahre, bis Jessica Koch (*1982) mit ihrem Manuskript an die Öffentlichkeit ging. Mit ihrem Debütroman „Dem Horizont so nah“ (2016 bei rororo) begeisterte sie bereits über 125.000 Leser. Als Trilogie angelegt, folgten zwei weitere Romane (2016 bei rororo) über die Hauptfigur Danny. Mit ihrem kürzlich erschienenen Roman „Die Endlichkeit des Augenblicks“ liefert Koch erneut eine emotionale Achterbahn.

Die Endlichkeit des Augenblicks

Die Danny-Reihe ist stark von Ihrem Leben inspiriert. Ist das in Ihrem neuen Roman „Die Endlichkeit des Augenblicks“ genauso?

Ich habe tatsächlich viel über mich und meine eigene Geschichte eingebracht. Ich mache es immer so, dass ich eigene oder beobachtete Alltagssituationen in die Bücher einbaue. So zum Beispiel die Situation, in der Sam bei dem autistischen Mädchen ist. Das hat sich auch im realen Leben ganz genau so abgespielt. Auch die WhatsApp-Nachrichten hat es tatsächlich alle so gegeben.

Hat sich Ihre Art zu Schreiben seit ihrem Debütroman verändert?

Man schreibt natürlich anders. Ich war ja auch bei den Lektoratsvorgängen involviert und habe zusammen mit meiner Lektorin viel überarbeitet. Also ja, man lernt dazu, man schreibt auch ganz anders und entwickelt sich weiter. Heute weiß ich, worauf ich achten muss und sehe beim Überarbeiten meiner Texte bereits die roten Kommentare meiner Lektorin, die mich auf Logikfehler, Wiederholungen und zu ausführliche Erklärungen hinweisen.

Gab es einen bestimmten Punkt, an dem Sie dachten: „Dieses Buch muss ich jetzt schreiben“?

Ich hatte die Geschichte schon eine Weile im Kopf und sie ist dann immer mehr zum Leben erwacht. Dazu gab es noch eine Situation in meinem Leben, die ich in das Buch mit einbringen wollte. Es hat einfach immer mehr Eigenleben entwickelt und irgendwann habe ich angefangen, die Geschichte auf Papier zu bringen. Es hat mich eben auch gereizt, mal eine erfundene Geschichte zu scheiben.

Was entwickelt sich zuerst in Ihrem Kopf: die Figuren oder die Handlung?

Zuerst hatte ich die Figuren im Kopf – die drei Hauptcharaktere. Aus denen entwickelte sich dann nach und nach die Handlung, die sich im Prozess des Schreibens auch verändert hat. Ich wollte eigentlich einen anderen Plot zusammenstellen, ohne die Streitereien und ohne das Koma. Aber der Plot hat sich während des Schreibens massiv verändert und dann wurde etwas ganz anderes daraus. Das ist ein Prozess, der eine Eigendynamik entwickelt und man kann dann gar nicht mehr sagen, wo es hingeht. Von der Grundidee war am Ende nicht mehr ganz so viel übrig.

Machen Sie sich bewusst Gedanken über die Botschaft, die Sie vermitteln wollen?

Also ich habe mir damals, als ich angefangen habe zu schreiben, vorgenommen, dass meine Bücher den Lesern etwas vermitteln sollen und ich habe mir zum Ziel gesetzt, dass das so bleibt. Ich wollte nie einfache Unterhaltungslektüre schreiben, sondern mir war wichtig, dass es gut recherchiert und authentisch ist und eine Botschaft rüberbringt. Das Thema Behinderung und dass nichts so ist, wie es auf den ersten Blick scheint, war schon der Grundgedanke, der von Anfang an da war und dann hat sich das im Laufe des Buches vertieft.

Was fiel Ihnen bei „Die Endlichkeit des Augenblicks“ beim Schreiben am schwersten?

Ich denke, das Schwierigste war wahrscheinlich einfach die Tatsache, dass ich drei verschiedene Perspektiven entwickelt habe – ich habe ja die Sicht immer gewechselt – und zwei davon waren Männer. Es war schwierig, sich da reinzuversetzen. Ich habe aber im Hintergrund reale Personen gehabt, auf die die Figuren zugeschnitten waren und die ich dann fragen konnte, was sie tun würden.

War die Geschichte von Anfang an mit Perspektivwechseln konzipiert?

Ja. Ich habe mit dem Prolog angefangen. Da war mir dann schon klar, dass diese beiden jungen Männer zu Wort kommen müssen, jeder aus seiner Sicht. Allein schon aus dem Grund, weil sie sich oft gegenseitig im Weg stehen. So ist es ja im Leben auch oft, dass man aneinander vorbeispricht, weil jeder nur aus seinem Blickwinkel sehen kann. Für ein wenig Abwechslung habe ich die Perspektive des Mädchens dann in der Ich-Form geschrieben.

Es gibt Autoren, die Ordner voller Notizen haben, bevor Sie auch nur ein Wort zu Papier bringen – und es gibt Autoren, die bei der kleinsten Idee sofort losschreiben. Haben Sie eine Schreibroutine?

Ich mache mir schon Notizen, aber das sind nur grobe Linien. Ich schreibe eigentlich immer im Kopf vor. Meistens kommt das dann, wenn ich joggen gehe oder längere Autofahrten mache, also immer dann, wenn ich laut Musik hören kann. Hierbei kann ich mich immer in die Geschichte hineinversetzen, und wenn ich abends am Computer sitze, versuche ich, über die gleiche Musik diese Erinnerungen wieder aufzurufen. Dann schreibe ich es einfach so runter. Tatsächlich stelle ich mir eine Musikliste zusammen und dann kann es auch mal sein, dass ich ein Lied zehnmal höre, weil es mich in diese Welt versetzt.

Gibt es schon Pläne für die Zukunft?

Momenten sitzen wir noch am Marketing von der Übersetzung von „Dem Horizont so nah“ („So near the horizon“), die am 6. September 2017 in den USA auf den Markt kommt. Zudem laufen überall Blogtouren. Aber ich merke schon, dass es in mir arbeitet, dass ich Menschen sehe, die ich in meinem Kopf schon zu den nächsten Protagonisten forme, aber es ist noch nichts Konkreteres geplant.

Header-Bild: privat