Stellwerk Magazin

Interview "Beuys"

Vorwort

Das Filmplus Festival für Filmschnitt und Montagekunst, das einmal jährlich mit zahlreichen Filmvorführungen und Diskussionen rund um das Medium Film aufwartet, existiert seit 2001. Vom 13.10.-16.10.2017 fand es zum 17. Mal in Köln statt. Der besondere Fokus des Festivals liegt auf dem Schnitt, was nicht zuletzt mit der Verleihung der Schnittpreise am letzten Festivaltag deutlich wird.

Mit dem Dokumentarfilm „Beuys“ (Regie: Andres Veiel), mit dem Stephan Krumbiegel und Olaf Voigtländer dieses Jahr bereits auf der Berlinale vertreten waren, waren sie nun auch im Rahmen des Filmplus Festival für den Bild-Kunst Schnitt Preis Dokumentarfilm 2017 nominiert.

© Filmplus (Andres Veiel)

Was hat Sie daran gereizt, an dem Film „Beuys" mitzuwirken? Haben Sie einen persönlichen Bezug zu Joseph Beuys oder seiner Kunst?

Stephan Krumbiegel: Eines ist ganz klar: mit Andres Veiel zusammenzuarbeiten war ein Anreiz. Andres hatte mich schon früher angesprochen wobei es nie zu einer Zusammenarbeit kam. Dann kam die Anfrage für Beuys. Das war erstmal unabhängig von der Person Beuys. Für uns spielt immer der Faktor mit hinein, mit Leuten zusammen zu arbeiten, die wir spannend finden. Beuys selber ist nicht Teil meines Lebens. Vielleicht Teil meiner Eltern. Ich wusste, es ist der Typ mit dem Filz. Das Bild, das ich von Beuys hatte, war sehr vage. Ich wusste, dass er in der Nachkriegszeit provoziert hat und eine Wirkung auf die Menschen hatte. Diese Frage, die er stellte: „Was ist Kunst?“ hat mich aber schon begleitet. Allgemein war da aber wenig Vorwissen. Ich mag es eigentlich ganz gerne, ein Thema durch die Arbeit zu entdecken. Ich glaube, es ist letztendlich für unsere Arbeit besser, wenn man nicht zu viel vorher weiß. Was ich aber nach der Arbeit an dem Film über Beuys gelernt habe, ist die Komplexität von Beuys‘ Schaffen und wieviel Einfluss seine Theorien wie auch sein politisches Schaffen hatten.

Olaf Voigtländer: Es war ja allein aufgrund der Thematik ‚Beuys‘ zu erwarten, dass es ein etwas größerer Film wird. Und dann ist es spannend zu schauen, wie man es angeht. Uns war von vornherein klar, dass Beuys nicht so sein wird, wie die meisten Künstlerbiografien. Und wenn das der Neuansatz ist, stößt man auf die Frage: Wie machen wir es dann? Und diese Frage konnten wir in der Konstellation mit Andres beantworten, weil wir in dieselbe Richtung gehen wollten.

Was macht man eigentlich als Editor?

K: Im Dokumentarischen bringen wir das Material in eine Erzählung – in eine Form. Dann gibt es klassischerweise eine Anzahl von Standards. Zum Beispiel nimmt man einen Autor, der die Erzählung in einem Voice-over erklärt. Oder man nimmt Zeitzeugen, die etwas erklären und dazu findet man eine Bildebene, die das bedient, oder nicht bedient. Oder man lässt Protagonisten ganz weg und portraitiert investigativ aus Geschehnissen heraus. Editor ist eigentlich ein Bereich, den man gelernt hat, oder bei dem man weiß, welche Mechanismen man zum Schnitt als Werkzeug nehmen kann. Dann geht es darum – heute am Computer, früher analog –, alles zusammen zu kriegen. Man muss schauen, dass die Szenen die richtigen Längen haben und das richtige Gefühl für eine bestimmte Emotionalität oder für eine bestimmte Dramaturgie rüberbringen. Man hat eine Ausgangsidee, die man dann im Schnitt überprüft. Es geht viel darum, zu überprüfen, was funktioniert. Danach muss man Gegenüberstellen, was besser rein passt. Es geht auch viel darum, zu vernichten. Ein Film ist nun einmal zeitlich limitiert. Der Film dauert anderthalb Stunden, aber erzählt werden zum Beispiel 50 Jahre vom Geschehen. Man muss entscheiden, was in die Erzählung kommt.

V: Das ‚Was' haben wir ja nicht bestimmt. Die Art und Weise wie ‚Was‘ erzählt wird, das haben wir bestimmt.

Was an dem Film auffällig ist, ist tatsächlich die Art und Weise, wie er geschnitten wurde. Für mich wurde die Struktur des Filmes, aufgrund der passenden Übergänge in Form von Kunstwerken, zu einem Großteil vom Schnitt getragen. Wieviel Spielraum oder Einfluss hatten Sie auf den Aufbau des Filmes? Wie kann man sich den Arbeitsprozess vorstellen? Wieviel wurde durch Andres Veiel vorgegeben bzw. bestimmt?

V: Andres wusste, was er von den verschiedenen Stationen in Beuys Leben erzählen will. Im Vorfeld hat er sämtliche Interviews als Transkriptionen bekommen. Er hat sich auf die Texte gestürzt und hat dort nach den Sachen gesucht, die die Geschichte auf seine Art und Weise erzählen. Stephan und ich haben dann versucht, das Material so zusammenzufügen, dass die Geschichte so erzählt wird, wie Andres sie haben wollte. Letztlich ist die Dreierkonstellation, wie wir sie hatten, einfach eine permanente Möglichkeit, sich gegenseitig abzugleichen und zu überprüfen: Ist die Geschichte damit erzählt?

Stephan Krumbiegel ist Editor für Spiel- und Dokumentarfilme. Seit 2007 ist er Professor für künstlerische Montage/Spiel- und Dokumentarfilmmontage an der Filmuniversität Babelsberg. Olaf Voigtländer ist ausgebildeter Mediengestalter für Bild und Ton und ebenfalls Editor für Spiel- und Dokumentarfilme.

K: Es ist so, dass man als Editor eine Erzählung finden muss. Vor allem geht es darum herauszufinden, worauf man verzichten kann, sodass die Erzählung trotzdem funktioniert. Andres bestimmt, so wie das in der Regie üblich ist. Es ist sein Film oder der Film der Protagonisten. Es ist ihre Geschichte. Sie kommen in der Geschichte vor. Ich muss die Autorität der Autoren zulassen. Ich muss nicht alles zu dem machen, was ich für richtig halte. Vielmehr muss ich verstehen, wo die Protagonisten und der Regisseur mit der Geschichte hin wollen. Und dann muss ich Angebote aus meiner Position machen, die das erfüllen. Dann stellt sich heraus, ob man auf etwas verzichten kann, oder ob man es eher sogar noch betonen muss, weil es besonders wichtig oder ambivalent ist. Insofern gibt es die Autorität der Autoren. Wir kommen erst dazu, wenn schon alles steht. Ich muss zum Beispiel nicht mit den Protagonisten sprechen und aus ihnen das herausbekommen, was ich brauche. Wir Editoren haben nicht die Verantwortung der Regie. Unsere Verantwortung liegt darin, verantwortlich mit dem Material umzugehen. Editoren sind eher Menschen, die zurückgezogen und außerhalb der direkten Konfrontation arbeiten. Es ist aber auch eine Teamarbeit. Ohne die Gestaltung der Musiker und der Grafiker, zum Beispiel, wären wir nicht zu diesem Ergebnis gekommen. Herr Krumbiegel, Sie sind Professor an der Filmuniversität Babelsberg für Künstlerische Montage / Spiel- und Dokumentarfilmmontage. Welchen Hintergrund haben ihre Studenten und wie schwer ist es überhaupt in der Branche Fuß zu fassen?

V+K: Die Hintergründe der Studierenden sind sehr unterschiedlich.

K: Es ist auch heute wieder unterschiedlicher als vor 10 Jahren. Im Moment werden die Studierenden immer jünger. Sie haben auch vermehrt einen Win-Lose-Gedanken dahinter. Die Frage danach, was das Studium berufstechnisch bringt, war vielleicht vor 10 Jahren nicht so erforderlich wie heute. Letztendlich ist es, glaube ich, für alles, was man künstlerisch studiert, nötig eine bestimmte Offenheit mitzubringen. Bei manchen Studierenden ist es in der Tat so, dass sie vorher bereits studiert hatten. Bei anderen ist es so, dass sie eine Ausbildung abgeschlossen hatten – in der Regel in einem rein technischen Beruf – und dann merkten, dass sie noch mehr wollten. Was dann der Einzelne oder die Einzelne daraus macht, hängt viel von Zufall und Glück ab. Wen trifft man in der Uni, wer wird gerade in der Regie zum Star oder gehypt? Mit wem hat man zufällig die ersten 5 Filme gemacht und sich dabei gut verstanden? Wer macht nach der Uni überhaupt weiter Filme? Viele Regieabgänger gehen erstmal nach dem zweiten oder dritten Film in der Versenkung unter, weil sie sich bei der großen Konkurrenz nicht halten können. Da haben wir, als Editoren, das Glück, dass 80 Prozent unserer Leute in dem Beruf landen. Bei der Regie sind es vielleicht 20 Prozent. Aber um den Einstieg zu schaffen, muss man erstmal das Geld und die Hierarchie beiseitelegen und offen dafür sein, etwas Neues zu entdecken. Olaf, zum Beispiel, kenne ich nicht vom Studium. Olaf kannte ich schon vorher. Er hat als technischer Support für das Produktionshaus gearbeitet, in dem ich zu jener Zeit für zwei oder drei Projekte, die Olaf betreute, als Editor gearbeitet habe. Als er dann an die Uni kam, war ich schon dort angestellt und wir haben uns dann wiedergesehen.

Sie beide haben sowohl in Dokumentar- als auch in Spielfilmen mitgewirkt. Wo sehen Sie die größten Unterschiede beim Schnitt in den beiden Genres? Sind die Unterschiede für den Editor tatsächlich groß?

V: In der Zusammenarbeit ist da kein Unterschied. Im Prinzip sind die Fragen immer die Gleichen, was nichts Schlechtes bedeuten soll. Es gibt einfach keine grundlegenden Unterschiede. Klar, das Sujet oder das Thema und auch die Erzählprinzipien sind ein bisschen anders. Aber die Art und Weise, wie wir uns damit auseinandersetzen, ist im Prinzip die Gleiche.

K: Im Dokumentarfilm sehe ich persönlich mehr Unabhängigkeit, weil es für mich mehr Freiraum bedeutet. Beim Spielfilm gibt es da mehr Abhängigkeit im Schnitt. Da sind auch mehr Geld und mehr Schauspieler im Spiel, das Team ist größer. Im Dokumentarfilm ist das Team kleiner, da ist man vielleicht einer von fünf. Beim Spielfilm ist man gerne mal einer von 35. Andererseits hat der Spielfilm in der Außenwahrnehmung eine größere Bedeutung. Wenn man sich als Spielfilmeditor einen Namen macht, hat es einen größeren Wert für die Karriere. Was die Arbeit an sich angeht, habe ich es immer sehr gemocht zu wechseln. Beim Spielfilm befreit es mich von der Verantwortung und auch das Ergebnis ist manchmal schneller erreicht. Beim Dokumentarfilm braucht man schon ganz schön viel Ausdauer. Es gibt auch Unterschiede in den Designs. Man schneidet auch in seiner Karriere als Editor weniger Dokumentarfilme dieser Art [wie Beuys] als Spielfilme.

Der Fokus beim Filmplus Festival liegt auf dem Schnitt. Nun ist es so, dass die meisten Kino-Besucher Schnitttechniken lediglich unterbewusst wahrnehmen. Wie verhält es sich beim Festival-Publikum, haben Sie schon direkte Rückmeldungen erhalten?

V: Inge Schneider1Inge Schneider ist die diesjährige Preisträgerin des Ehrenpreis Schnitt. Als Editorin ist sie vor allem für ihre zahlreichen Dokumentarfilme bekannt. hat gesagt, dass ihr der Film gut gefallen hat. So sammeln wir peu à peu Meinungen ein. Und das Besondere an dem Film ist, dass sowohl Menschen, die Beuys bereits kannten, als auch jüngere Generationen, die ihn nicht so gut kennen, positiv auf den Film reagieren und etwas über Beuys erfahren.

K: Es hat ja auch bereits vieles stattgefunden. Für uns war der Ausgangspunkt die Berlinale – was etwas sehr besonderes war. Da kommen nur wenige Filme hin. Da gab es Presse und Fotoshootings und das ganze Drumherum. Die Kritiken haben wir natürlich auch gelesen und uns Gedanken dazu gemacht, wie der Film ankommt. Seitdem haben wir auch einige Vorträge gehalten und waren mit dem Film in Schulen. Für den Film kriegen wir viele Reaktionen. Das macht Spaß!

Headerbild: © Ute Klophaus | zeroonefilm

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