Stellwerk Magazin

Nachbericht "ES GILT ZU FINDEN, WAS DURCHGESTRICHEN WURDE"

Vorwort

Am 05. Mai 2018 wurde in der TanzFaktur in Köln-Poll der Release der KLiteratur gefeiert. Mit Lesungen, Musik und Sekt wurde auf die druckfrische Zeitschrift angestoßen. Die Herausgeber Jonas Linnebank und Phillip-Bo Franke kennen sich aus dem Germanistik-Studium an der Universität zu Köln. Etwa wei Jahre lang bastelten sie an ihrer Idee, Literatur, ob brandaktuell oder älter, vor dem Tod zu bewahren und dadurch auch unsere Gegenwart verständlicher zu machen.

Die KLiteratur wird begleitet von dem gemeinnützigen Verein KUNTs e.V. zur Förderung von Kunst und Kultur. Die Stiftung KalkGestalten und das Kulturamt der Stadt Köln unterstützten den Entstehungsprozess. In ausgewählten Kölner Buchhandlungen ist die KLiteratur bereits erhältlich.

© KLiteratur

Nun ist sie da. Die KLiteratur ist mehr als nur eine Internetseite oder ein E-Book. Es ist ein Produkt. Zum Daran-riechen, zum In-die-Hände-nehmen, zum Daraufsetzen und zum Vor-dem-Regen-schützen. Wortreich, spannend und voll unkonventioneller Ideen. Happy Birthday, KLiteratur! Eine neue Kölner Literaturzeitschrift. „Wer braucht eigentlich Kunst? Warum also diese analoge und aggressive Form der Umweltverschmutzung für sogenannte Kulturleistungen?“fragen die Herausgeber in der Stellungnahme der Kölner Literaturzeitschrift.

NOCH EINE ZEITSCHRIFT?

Die Kölner TanzFaktur empfängt die Gäste am Samstagabend mit fröhlicher Stimmung und Musik; für das leibliche Wohl ist an einer Bar gesorgt. Um 20 Uhr wird buchstäblich der literarische Teil des Abends eingeläutet: Die Besucher werden von Linnebank mit einem Glöckchen in den Lesesaal gebeten. Der Raum füllt sich schnell. Mit einer szenischen Abhandlung über Literatur- und Kunstverdrossenheit überraschen die Herausgeber Linnebank und Franke ihr Publikum. Franke fragt, warum es „noch eine Zeitschrift“ braucht. Sie stellen zynisch fest, dass Literatur und Kunst „ihren Zenit vor 150 bis 200 Jahren überschritten“ hätte. Papier bedeute nur „weitere Umweltverschmutzung“. Herrlich uneitel und mit Liebe zur KLiteratur nehmen die beiden uns Unwissende und ewig Suchende an die Hand, denn „die Zeit schluckt ihre Zeugen“. Deswegen sei es gerade wichtig, „zu suchen, zu finden, um es weiter zu streuen“ und „zu finden, was durchgestrichen wurde“. Die beiden wollen anregen zum Neuschreiben, Umdenken, Umschreiben und Neudenken. Sie bieten eine Plattform, um Gedanken, Meinungen und literarische Bestrebungen aufzunehmen und verschiedenste Ansätze zusammenzuführen. Franke und Linnebank fordern die Lesenden, die immer auch potentielle AutorInnen sind und sein könnten, dazu auf, Gegensätze zu erforschen, kontroverse Beiträge einzuschicken und Widersprüchliches auszuloten. Dieser Ansatz spiegelt sich in der Verflechtung von Alt und Neu in den gedruckten Texten wider. Es kommen profilierte Schriftsteller und Philosophen wie Robert Musil und Martin Buber zu Wort, wie auch neue und junge AutorInnen, die ihre ersten dichterischen Schritte in der KLiteratur machen. Jedes Textformat ist willkommen, egal ob Gedicht, Essay, Interview oder Kurzgeschichte. In der ersten Edition dreht sich alles um das Thema „Gott“.

ES GILT, ZUSAMMENZUFÜHREN

In der TanzFaktur lesen einige der AutorInnen Texte aus der Geburtstagsausgabe. Dabei dominiert die poetische Auseinandersetzung mit dem Thema: Bernd Lüttgerding aus Brüssel präsentiert „Auszug aus dem Lehrgedicht für deine Gegenwart“, ein Gedicht voller Naturbeschreibungen und reicher Bildsprache. Er setzt sich damit auseinander, dass man oft lieber die Wahrheit sehen würde als das geschönte Narrativ der Kirche, und seine eigenen Bilder von Gott in Frage stellen muss. Das provokante Gedicht „Berliner Bekenntnis“ von Gerald Fiebig lässt die Zuschauer aufhorchen. Durch schwarzhumorige Formulierungen wie „rosig und zart wie die Schamlippen Gottes“, spricht er davon, „in Gottes brennendem Busch seine Klitoris zu finden in seiner Dreifaltigkeit“. Autorin Anna Pia liest gemeinsam mit Björn Jansen aus Berlin gestochen scharfsinnige Gedanken aus der „Rhapsodie über Götter und vernünftige Tiere“. Ihr Beitrag handelt von der Form und dem Aussehen Gottes und der Frage, wie sich Gott auf das alltägliche Leben auswirkt. Das Duo bezeichnet Pornos und Katzenvideos in der Landschaft des Internets als neue Götzen und nimmt kulturelle Archetype und religiöse Ikonen aufs Korn, z.B. in Anspielung auf die griechische Sage Europa: „Stiernacken eignen sich bestens zum Transport von Jungfrauen“. Anna Pias Schlusssatz verbindet das Vaterunser mit der Aufklärungsmaxime von Immanuel Kant: „Besitze den Willen / und die Kraft / dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“ – vielleicht als Plädoyer für eine aufgeklärte Spiritualität zu verstehen. Der Beitrag lässt verschiedene Interpretationen zu und das Publikum ist durch die assoziativ und sprunghaft lebendige Vortragsweise zum Nachdenken und Mitlachen angeregt.

Die Devise der KLiteratur wird deutlich: mitmachen statt nur konsumieren! Sie lädt ein zum Selberlesen und Selberschreiben. Mitfeiern und diskutieren. Das Blatt Papier wird zum Leben erweckt. Bewaffnet euch mit Edding und Schere. Die Wipe-Out-Lyrik ruft zum Kritzeln und Selberdichten auf. Marleen Böcker ist für das Layout der Zeitschrift zuständig und schuf ein beeindruckendes Design. Jede Seite hält eine Überraschung parat und fordert zum Staunen auf. Grafiken, Bilder, Fotos und Text wechseln sich sprunghaft ab und ermuntern zum Weiterblättern und Eintauchen in die KLiteratur. Das Inhaltsverzeichnis in der Mitte des Hefts und die rückwärts laufenden Seitenzahlen unterstützen den wachen Weltblick der KLiteratur und zeugen von dem Mut, es anders zu machen. Linnebank und Franke versichern: „Keine Angst, die Kliteratur ist bei euch!“ und liefern die ungewöhnliche Antwort auf die Frage, warum man die Zeitschrift überhaupt kaufen sollte: „Weil es Ihnen auch vollkommen egal sein kann.“

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