Stellwerk Magazin

POETICA 5 Marion Poschmann

Vorwort

Der Rausch ist ein Glitzern auf der Haut – „eine Party in der Kritzelphase“, heißt es in dem Gedicht “Dr. Couneys Säuglingsinkubator” von Marion Poschmann. Die deutsche Schriftstellerin und Lyrikern ist eine der acht AutorInnen, die in diesem Jahr zum Kölner Literaturfestival Poetica 5 eingeladen wurden, um sich in öffentlichen Diskussionen, Lesungen und schließlich einer szenischen Installation im Schauspiel Köln mit dem Thema ›Rausch. States of Euphoria‹ auseinanderzusetzen.

„Dieser Park ist aufzustellen im Falle des Falles. Im Falle, da sich die Landschaft verabschiedet hat. Hinlegen, ausrollen, Bäume hochklappen.“1Poschmann, Marion, Worst Case Scenario; in: Geliehene Landschaften. Lehrgedichte und Elegien, Berlin 2016, S. 62. Marion Poschmann spielt gerne mit natürlichen Elementen in ihren schriftstellerischen und lyrischen Werken, immer wieder werden eigenwillige Natur- und Landschaftsbetrachtungen als auch philosophische Anspielungen und melancholische Bilder in den Büchern und Gedichten poetisch aufgriffen: „Das Schöne am Wald ist seine Gefährdung. […] Im heimischen Wald aber faßt du das Wetter einfach in Merksprüche. […] Wenn sich der Mond in dir spiegelt, herrscht Nacht.“2Poschmann, Marion, Bannwald; Ersatzbatterien; in: Geliehene Landschaften. Lehrgedichte und Elegien, Berlin 2016, S. 63 und S. 65. Ihren Durchbruch hatte sie 2002 mit dem Roman Baden bei Gewitter, es folgten Die Kieferninseln (2017), Hundenovelle (2008) und Geliehene Landschaften (2016). „Sehr geehrte Vernunft, das ist ihre Herkunft.“3Poschmann, Marion; Kettenkarussell; in: Geliehene Landschaften, Lehrgedichte und Elegien, Berlin 2016, S. 38. Poschmanns Herkunft ist der Ruhrpott. 1969 in Essen geboren, studierte sie später in Bonn und Berlin Germanistik, Philosophie und Slawistik. In Berlin, wo sie „Szenisches Schreiben“ an der Hochschule der Künste lernte, verfestigte sich schließlich ihr weiterer Weg zur Schriftstellerin und Lyrikerin. Poschmann erhielt bereits einige Literaturpreise, etwa den Düsseldorfer Literaturpreis, den Berliner Literaturpreis oder den Klopstock-Preis für neue Literatur für Die Kieferninseln.

„Es war ein Rausch, dieses Glitzern, ein ewiges Versprechen. […] Das Glitzern hypnotisierte mich. Ich hätte es anfassen wollen, es entzog sich. Wie ein Lebewesen.“4 Poschmann, Marion, Hundenovelle, Frankfurt 2008, S. 90. Im Gegensatz zum Hund, der in der Hundenovelle von Poschmann neben einer einsamen und arbeitslosen und langsam verelenden Protagonistin die Hauptrolle spielt. Es sind Rauscherfahrungen, die sich unter anderem im Glitzern des Wassers auf der Haut offenbaren und den psychischen Ausnahmezustand sowie die eigene Entfremdung der Protagonistin widerspiegeln. Nachdem der Hund ihr auf einem ziellosen Gang durch eine verwahrloste Industrielandschaft begegnete, weicht er nicht von ihrer Seite und bringt ihr Alleinsein damit vollkommen durcheinander. Melancholische, eindringliche, nachdenkliche sowie komische Momente und Beobachtungen entstehen durch diese eigentümliche Zweisamkeit, die, weder gewollt noch gewünscht, gewissermaßen auch die Vereinsamung in der Gesellschaft und die damit einhergehende Verwahrlosung seiner selbst aufzeigt.

Poetik in der Hässlichkeit oder die (Un)Vollkommenheit des Seins

Orte der Sehnsucht und Zuflucht finden sich in Poschmanns Buch „Geliehene Landschaften“ von 2016 immer wieder in melancholischer, abstrakter und naturpoetischer Form. Sie bedient sich dabei den Städtebildern von beispielweise Berlin, New York, Kyoto und Helsinki, die oftmals zu Parkbildern stilisiert werden. „Jeder Park voll Vertriebener, Heimweh nach Eden.“5Poschmann, Marion, Schierklar; in: Geliehene Landschaften. Lehrgedichte und Elegien, Berlin 2016, S. 17. In den poetischen Bildern erfahren gerade jene Dinge, die sonst eher unscheinbar oder gar hässlich und verkommen erscheinen, eine Art Belebung. Schäbige Orte, die ihren Platz in den Kulturlandschaften zurückerobern; verschiedenste Gegenstände und Gegebenheiten, die diese Naturräume beeinflussen und Naturräume, die wiederum ihrem Umfeld ihren Charakter geben. „Aller Umriß erschöpft. Müde Orte, in Schatten gelöst. Schatten schwimmen ums Haus, und was tust du, wenn andere Schatten zurückkommen“6Poschmann, Marion, Freifallturm; in Geliehene Landschaften. Lehrgedichte und Elegien, Berlin 2016, S. 33., so heißt es in Poschmanns Gedicht „Freifallturm“ aus Geliehene Landschaften und auch in ihrem Gedicht „Schiffsschaukel“ offenbart sich ein düsteres Bild der Zerstörung, das im sonst heiteren Vergnügungsbild von Coney Island einbettet ist. „Teer denken. Teerpappe. Flachdachmisere. Die Fundamente ertränkt mit Wasserlappen, in deren Falten sich Schatten verbergen, gegenläufig zu allem, was ist. Nachtfahrt der Sonnenbarke: das Auge versinkt.“7Poschmann, Marion, Schiffsschaukel; in Geliehene Landschaften. Lehrgedichte und Elegien, Berlin 2016, S. 34.

Wie sich Rauscherfahrungen der literarischen Protagonisten in Sehnsuchts- und Zufluchtsorten in Poschmanns Werken wiederfinden kann man bei der Veranstaltung „Orte der Sehnsucht – Lesungen und Gespräche mit Oswald Egger und Marion Poschmann“ am 23.01.2019, im Literaturhaus Köln um 19.30 Uhr im Rahmen der Poetica 5 erfahren.

Foto: © Frank Mädler