Stellwerk Magazin

POETICA 6 Luljeta Lleshanaku

Vorwort

Vom 20.-25. Januar 2020 findet zum sechsten Mal die Poetica in Köln statt. Der diesjährige Kurator Jan Wagner hat neun internationale AutorInnen dazu eingeladen, das Thema „Widerstand. The Art of Resistance“ in öffentlichen Lesungen und Diskussionen zu ergründen. Unter ihnen ist auch die albanische Dichterin Luljeta Lleshanaku. Ein Blick in ihre Vita verrät, warum das Thema Widerstand in ihrer Lyrik eine besondere Rolle spielt.

Luljeta Lleshanaku

„Worte sind empfindliche Instrumente: Wie benutzt man sie, so dass nach der Lektüre des Gedichts der Geschmack nicht von den Worten selbst, sondern von einem Gedanken, einer Situation, einer parallelen Realität übrigbleibt?“1https://www.guernicamag.com/luljeta-lleshanaku-words-are-delicate-instruments/ Die „parallele Realität,“ in die Luljeta Lleshanaku ihre LeserInnen entführt, ist ihre Heimat; eine Welt, in der das Beten verboten, das Denken kontrolliert und das Spielen reglementiert wurde. Lleshanaku wurde 1968 in Elbasan (Albanien) geboren und wuchs in der kommunistischen Diktatur auf. Aufgrund der regimekritischen Haltung ihrer Familie war sie Repressionen wie Hausarrest und Studienverbot ausgesetzt. Erst nach dem Sturz des kommunistischen Regimes durfte sie die Universität besuchen und ihre Gedichte veröffentlichen. Seit ihrem Debüt 1993 sind es schon acht Gedichtbände, die in dreizehn Sprachen übersetzt wurden. Lleshanaku erhielt zahlreiche Auszeichnungen und entwickelte sich zu einer wichtigen Stimme Albaniens, die in einer modernen Sprache die allseits bekannte Geschichte ihres Landes erzählt. Als Inspirationsquelle dienen ihr insbesondere die Erlebnisse aus ihrer Kindheit und Jugend, die bis heute eine signifikante Rolle in ihren Gedichten spielen.

Tiefschürfende Bilder statt Pathos

In ihrem 2010 erschienenen Lyrikband „Kinder der Natur“ lädt sie ihre LeserInnen dazu ein, das kommunistische Albanien mit den Augen eines Kindes zu betrachten. In ihren Gedichten dominiert die Nüchternheit der Bilder, durch die ihre Beschreibungen unkommentiert bleiben; pathetische Wirkungsabsichten klammert die Dichterin gänzlich aus. Trotzdem verliert der Inhalt ihrer Lyrik weder an Prägnanz noch an Nachvollziehbarkeit, wenn das lyrische Ich in dem Gedicht „Wenn es kein Wasser gibt“ seinen familiären Alltag beschreibt: „Die 150-Watt-Lampe in der Mitte des Zimmers / wie ein gelbes Stück Käse in einer Mausefalle. Meine Mutter strickt und zählt dabei leise; / Sie weiß immer, wie viel noch fehlt, und in welcher Reihe“2Lleshanaku, Luljeta: Wenn es kein Wasser gibt. In: Dies.: Kinder der Natur. Übersetzt von Andrea Grill. Wien 2010.. Durch bunte Bilder, die nichts von ihrer inhaltlichen Sachlichkeit einbüßen, beschreibt sie, wie sie trotz der schwierigen Verhältnisse im kommunistischen Albanien Widerstand leistete – zumindest auf ihre Weise: „Sie ist ein kleines Nadelkissen, / beherrscht die Kunst der Unterwerfung wunderbar und / bemüht sich, sie auch mir beizubringen / und meiner Schwester, / drei Matrjoschkapuppen, der Größe nach geordnet, / ich bin die letzte, / diejenige, die man nicht mehr auseinandernehmen kann.“3Ebd.

Neben den Veranstaltungen mit allen AutorInnen der Poetica 6 am 20., 21., 23. und 25. Januar, ist Luljeta Lleshanaku während der Festivalwoche am 23. Januar bei „Widerstehen und Abwarten“ in der Zentralbibliothek der Stadtbibliothek Köln sowie am 24. Januar bei „Europa im Gedicht – Grand Tour“ im Alten Pfandhaus in Köln zu erleben.

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