Stellwerk Magazin

POETICA 6 Serhij Zhadan

Vorwort

Wenn Serhij Zhadan in seiner Heimat Gedichte liest, dann sind die Säle und Stadien überfüllt wie bei Rockkonzerten. Doch nicht nur Poesie und Prosa haben den Ukrainer zu einem der bekanntesten Künstler seines Landes gemacht. Er ist Autor, Aktivist und Popmusiker – und Gast beim Kölner Literaturfestival Poetica, das in diesem Jahr zum Thema „Widerstand. The Art of Resistance“ stattfinden wird.

Serhij Zhadan

Wer Zhadans Texte liest, begibt sich auf eine politische Odyssee zwischen die Fronten eines Konfliktes, den viele nicht als das anerkennen wollen, was er ist: Ein erbitterter Krieg, der seit Jahren zwischen Russland und der Ukraine im Donbass ausgetragen wird. Und Zhadan ist mittendrin. Als Autor von zwölf Gedichtbänden und sieben Prosawerken zeigt der 47-Jährige, dass Widerstand auch anders gehen kann: mit Worten, ohne Waffen. Der Ukrainer zählt mittlerweile zu den wichtigsten Stimmen der Gegenwartsliteratur und hat sich schon längst als fester Bestandteil der Kunstszene in seiner Heimatstadt Charkiw etabliert. Denn neben dem Schreiben organisiert Zhadan Musik- und Literaturfestivals, auf denen er mit seiner Punkrock-Band „Sobaki v Kosmose“ (zu Deutsch: „Hunde im Kosmos“) selbst auftritt und so mit seinen Songtexten auf ganz eigene Weise ein Statement für die Unabhängigkeit der Ukraine setzt.

„Seine Poesie ist so, wie ich mir echte Poesie zu Anfang des Jahrhunderts vorstelle: sicher im Ton, makellos in den Details, durchdringend-visuell, anarchisch und kompromisslos sozial.“1Andruchowytsch, Juri: Nachwort. In: Serhij, Zhadan: Geschichte der Kultur zu Anfang des Jahrhunderts. Suhrkamp 2006.

Damit trifft Schriftstellerkollege Juri Andruchowytsch in seinem Nachwort zu Zhadans Gedichtband „Geschichte der Kultur zu Anfang des Jahrhunderts“ den Nagel auf den Kopf. Niemand schafft es, das Lebensgefühl einer Generation, deren Welt mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion aus dem Gleichgewicht geraten ist, so zielsicher einzufangen wie Zhadan. Dabei lässt er immer etwas Lebensbejahendes in seine Texte einfließen, trotz oder gerade wegen der Ernsthaftigkeit, die den Alltag in der postsozialistischen Ukraine noch heute prägt. In seinen Werken geht es dem Schriftsteller weniger um die Darstellung einer sozialen oder politischen Problematik als darum, „aus der Perspektive eines realen Menschen zu schreiben, seine Handlungen, sein Wollen und seine Taten zu erklären.“ Zuhören, Hinterfragen, Differenzieren lautet also das Credo. Zhadans Art, die individuelle Person in den Mittelpunkt zu stellen, macht seine Gedichte auch für diejenigen wunderbar zugänglich, die bisher wenig Kontakt zu Lyrik hatten.

Neben den Veranstaltungen mit allen AutorInnen der Poetica 6 am 20., 21., 23. und 25. Januar, ist Serhij Zhadan während der Festivalwoche bei „Widerstehen und Abwarten“ am 23. Januar ab 19.30 Uhr in der Zentralbibliothek der Stadtbibliothek Köln sowie am 24. Januar ab 20 Uhr bei „Europa im Gedicht – Grand Tour“ im Alten Pfandhaus in Köln zu erleben (Eintritt 8/10 EUR). Karten an der Abendkasse.

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