Stellwerk

Rosie my Queen of Corona

Ich merke schon, es passt ihr gar nicht, dass ich noch da bin. Ich habe gefrühstückt, war im Bad, bin angezogen. Was will ich jetzt noch hier? Zeit aus dem Haus zu gehen. Zur Arbeit, zur Uni, zum Yoga – egal. Hauptsache, ich gehe aus ihrer Wohnung. Rosie kann sehr unerbittlich sein. Sie will jetzt in Ruhe jedes Sitzmöbel beschlafen. Da störe ich natürlich, wenn ich jetzt ziemlich ausgiebig vom Sofa aus Serien gucke. Zumal auch noch Geschirr, Bücher und der Laptop das Residieren auf der Couch für Rosie nahezu unmöglich machen.

Ich mache mir auch nicht mehr die Mühe, die Stühle um den Esstisch herum freizuhalten. Kommt ja eh niemand zu Besuch. Stattdessen habe ich begonnen meine Schränke aufzuräumen. Auf den Sitzmöglichkeiten habe ich Stapel angelegt, die ich nach der Krise wieder abarbeite: Sperrmüll, Oxfam, Freundinnen. Der vierte Stuhl ist abwechselnd von mir und Rosie besetzt. Wenn ich sie ärgern will, lege ich den Lampenschirm auf den Stuhl sobald ich mich erhebe. Mittlerweile ziehe ich mich auch nicht mehr an. Ich bleibe im Schlafanzug, gehe nur ins Bad, wenn ich einkaufen muss. Dann verdeckt der lange schwere Mantel meinen Hausanzug. Lange geht das nicht mehr, es wird warm.

Ich habe den Lieferservice entdeckt. Rosie und ich liegen in meinem Bett und erledigen das Leben so gut es geht von hier aus. Mein Sofa dient jetzt als Ablagefläche für aussortierte Mitschriften und Kopien aus längst vergangenen Vorlesungen und Seminaren. Texte, von denen ich dachte, dass ich sie mir noch einmal anschaue, wenn ich Zeit habe. Tatsächlich will ich mit meiner Zeit etwas anderes anfangen. Ich habe alle meine Bücher aus den Regalen genommen, um sie neu zu sortieren. Rosie hat neue Positionen entdeckt, in denen sie sich zwischen den Ablagen räkelt. Ich habe sie in Verdacht, dass sie an meinem online Yoga-Kurs teilnimmt. Seit einiger Zeit ist sie wirklich sehr gelenkig. Ich lege mich zu ihr in Shavasana.