Stellwerk Magazin

Alte Mühle, neuer Alltag

Vorwort

Vor vier Jahren habe ich als Bundesfreiwilliger das Kulturzentrum KOMM in der Dürener Pleußmühle kennengelernt und dabei viele wertvolle Erfahrungen gesammelt, die ich nicht missen möchte. Ich habe mich gefragt, wie es wohl meinen NachfolgerInnen und dem gesamten Team dort angesichts der Pandemie ergeht. Im Gespräch mit der Leiterin Margret Asselhoven musste ich feststellen, dass sich seit Beginn des ersten Lockdowns im Frühjahr vieles verändert hat.

Das KOMM in Düren © Julian Rey Das KOMM in der Dürener Pleußmühle © Julian Rey

Schon von weitem sticht mir die Pleußmühle mit ihrer turmartigen Architektur und dem großen Mühlrad ins Auge. Angrenzend an eines der letzten Teile der Stadtmauer von Düren, umgeben von Mehrfamilienhäusern und vorbeifahrenden Autos, ist die Mühle ein Stück Stadtgeschichte, das nicht zum ersten Mal in seiner Existenz bedroht ist. Vor fast genau 40 Jahren gab es seitens der Stadtverwaltung Pläne das historische Gebäude, dessen Anfänge bis ins Mittelalter zurückreichen, abzureißen, nachdem die Pleußmühle nicht mehr industriell genutzt wurde. Kurz bevor die Abrissarbeiten beginnen sollten, am 10. November 1980, wurde die Mühle von Jugendlichen besetzt. Sie hatten sich diesen Ort als Treffpunkt erobert und forderten, aus der ehemaligen Getreidemühle ein Kulturzentrum für alle Dürener zu machen. Die KulturaktivistInnen hatten Erfolg und gründeten das Kulturzentrum KOMM, in dem heute über das Jahr verteilt mehr als 100 Veranstaltungen stattfinden. Darüber hinaus ist das KOMM die Heimat so unterschiedlicher Gruppen wie der alternativen Karnevalsgesellschaft Skunks, den Anonymen Alkoholikern, der Brotherhood of Metal, die kleine Heavy Metal Festivals organisiert, und verschiedener Bands, die in den Räumlichkeiten der Mühle proben.

„KOMM“ steht ganz schlicht für Kommunikation, was die Idee hinter diesem intergenerationellen Projekt treffend zusammenfasst. Doch ironischerweise ist gerade das – der Kontakt, der Austausch, das zwanglose Zusammenkommen – in Pandemiezeiten ein Problem. Ähnlich wie vor 40 Jahren muss dieser Ort der Begegnung eine schwere Krise überstehen. Und mit ihm die Menschen, die hier arbeiten. Margret Asselhoven bildet zusammen mit Thomas Lüttgens die Geschäftsführung des KOMM. Sie gehörte schon 1980 mit zu den BesetzterInnen und sieht sich heute mit völlig neuen Herausforderungen konfrontiert. Das Team muss aufgrund der aktuellen Auflagen im Schichtbetrieb arbeiten. Veranstaltungen haben seit dem Sommer nicht mehr stattgefunden, so dass es kaum Einnahmen gibt. Zur Aufrechterhaltung des Basisbetriebs in dieser Krise erhält das KOMM Zuschüsse von der Stadt, wodurch bisher immerhin keine hauptamtlichen MitarbeiterInnen entlassen werden mussten. Anders sieht es bei den Aushilfen in der Kneipe aus. „Neben den finanziellen Einbußen ist besonders tragisch, dass viele Menschen, für die die Kneipe ein wichtiger Treffpunkt ist, zunehmend isoliert werden“, weist Margret Asselhoven auf den sozialen Aspekt der Gastronomie hin.

Auch für die beiden aktuellen Freiwilligen ist es eine schwere Zeit. Normalweise stehen jeden Tag für die jungen Leute, die hausintern liebevoll „Bufdis“ genannt werden, vielfältige Aufgaben an. Mehrfach in der Woche habe ich damals die Studiobühne, die im alten Getreidekeller untergebracht ist, umgebaut, bestuhlt, ausgeleuchtet, dort Soundchecks durchgeführt und Requisiten aufgebaut. Unzählige Male bin ich die Treppen der alten Mühle vom Keller bis zum Dach rauf und runtergelaufen, um bei der Vorbereitung von Veranstaltungen zu helfen. Ich habe Eintrittskarten verkauft, während der Vorstellungen KünstlerInnen betreut und hinter den Kulissen gearbeitet. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir die Begegnung mit Bill Mockridge, einem langjährigen Lindenstraßen-Schauspieler und Vater von Luke Mockridge. Er unterhielt sich locker mit mir und fragte mich nach meinen Plänen im Anschluss an meinen Bundesfreiwilligendienst. Zu meinen liebsten Veranstaltungen zählte außerdem das Kindertheater, das nicht nur die Kinder mit leuchtenden Augen zurückließ, sondern auch mich in seinen Bann zog.

Die Studiobühne im Getreidekeller © komm-dueren.eu Die Studiobühne © komm-dueren.eu

Für Fabienne Gerlach und Julius Himmler, die seit September im KOMM ihren Dienst verrichten, sieht das ganz anders aus. Ihre Aufgaben beschränken sich darauf die Veranstaltungsräume und die Kneipe der Mühle zu renovieren, das Gebäude zu reinigen und im Büro Unterlagen nachzuarbeiten. Der BFD ist normalerweise eine Zeit, in der man eine Menge über seine persönlichen Stärken, Schwächen und Interessen lernt. Die vielseitige Arbeit im KOMM hat mich mit unterschiedlichen Leuten, ihren Lebensentwürfen und Vorstellungen zusammengebracht. Zudem wurde mir ein prägender Eindruck davon vermittelt, was es heißt in einem Team zu arbeiten, Verantwortung für sich und andere zu tragen. Vieles davon fällt für meine NachfolgerInnen nun weg. „Die Erfahrungen im Sommer waren wichtig, um zumindest einen kleinen Einblick in den Ablauf einer Veranstaltung zu bekommen und so mit dem Frühjahr ein Ziel zu haben, auf das es sich lohnt hin zu arbeiten“, versucht Fabienne Gerlach sich selbst Mut zu machen.

Für die Communities, die in den Räumlichkeiten der Pleußmühle aktiv sind, stellt deren Schließung ebenfalls eine Zerreißprobe dar. Ihnen fehlt nun die Schaffensgrundlage. Besonders die Heavy Metal Konzerte der Brotherhood of Metal lockten normalerweise viele junge BesucherInnen in die Pleußmühle. Selbsthilfegruppen wie die Anonymen Alkoholiker dürfen ihre Treffen eigentlich weiterhin abhalten, doch viele TeilnehmerInnen sind durch die Pandemie derart verunsichert, dass sie trotzdem fernbleiben. Das Wegfallen von Kommunikation und Gemeinschaft hat direkte Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit vieler Menschen.

Der Blick auf das KOMM macht deutlich, dass es nicht nur um den Verzicht von Freizeitangeboten geht, wenn darüber debattiert wird, ob Kultur „systemrelevant“ ist, sondern dass solche soziokulturellen Einrichtungen darüber hinaus oftmals wichtige Beiträge für eine offene Gesellschaft und intergenerationellen Austausch im regionalen Umfeld leisten. Aspekte, die im politischen Diskurs gerne mal übersehen werden. Für Margret Asselhoven und Thomas Lüttgens steht fest, dass sie das KOMM durch diese Krise führen werden. Beide haben den Kulturbetrieb aufgebaut und wollen ihn, ähnlich wie vor vierzig Jahren, verteidigen. „Das KOMM ist ja quasi unser Baby, das kann man nicht so einfach hinter sich lassen“, erklärt Margret Asselhoven ihre Beweggründe, sich noch nicht in den Ruhestand zu verabschieden. Ihre Erfahrungen aus dem November 1980 geben Grund zur Hoffnung, dass die Kultur aus Düren nicht einfach verschwinden wird. „Ähnlich wie damals der Bedrohung durch die Bagger, wird die Pleußmühle auch der jetzigen Pandemie trotzen“, ist sich Margret Asselhoven sicher.

Headerfoto: © Julian Rey

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