Stellwerk Magazin

Die Schönheit des Vergänglichen

Vorwort

Wenn das Stichwort „Tierpräparation“ fällt, haben die meisten sicher den verstaubten Hirschkopf vor Augen, der einen von Großvaters Wohnzimmerwand aus scheel ansieht. Gerade dieses vermeintliche Paradebeispiel ist allerdings schon seit Jahren kein Vorzeige-Stück des Handwerks mehr. Denn Tierpräparation kann auch ganz anders, kann jung, ja sogar künstlerisch sein und erfreut sich als Deko-Trend wieder steigender Beliebtheit.

Gottesanbeterin © Jeannine Schröder Gottesanbeterin unter der Glasglocke © Jeannine Schröder

Im Gegensatz zu den PräparatorInnen der alten Schule, die in der Regel eine Ausbildung zu sogenannten präparationstechnischen AssistentInnen durchlaufen haben und in öffentlichen Museen oder eigenen Werkstätten und Läden arbeiten, finden sich auf Online-Plattformen wie Etsy verstärkt auch Shops von jungen DIY-KünstlerInnen, die sich ihr Handwerk zum Großteil selbst beigebracht haben und hier ihre ungewöhnlichen Kunstwerke anbieten. Gefragt sind dabei besonders Insektenpräparate und Knochenkunst, die auch noch in der kleinsten Wohnung ein Plätzchen finden und für den schmaleren Geldbeutel erschwinglich sind. Wir stellen drei Künstlerinnen vor, die mit ihren Arbeiten ein ganz neues Licht auf Tierpräparation als Kunstform werfen:

Allerlei Insekten und wirbellose Tiere findet man in Jeannine Schröders Shop WhatTheBug. Wie in ihren eigenen kleinen Märchenwelten verbringen Jeannines Schöpfungen ihr zweites Leben in liebevoll gestalteten Glaskuppeln. Sie sitzen auf bemoosten Wurzeln, scheinen gerade einen Ast entlang zu krabbeln oder über eine Kolonie Leuchtpilze hinweg zu fliegen, als wären sie just in diesem Moment für die Ewigkeit festgehalten worden. Diese gewissermaßen lebensnahe Art der Darstellung ist gerade in der Wirbellosenpräparation unüblich und aufsehenerregend. Typischerweise wird diese Tierklasse nämlich immer noch im Stil der wissenschaftlich-biologischen Sammlungen zu Ausstellungs- oder Forschungszwecken präpariert, also gut sichtbar in schmucklosen Rahmen, die mit den jeweiligen lateinischen Namen der Tiere beschriftet sind. Jeannine erklärt dazu: „Diese Art des Ausstellens ist auch sehr interessant, zeigt aber keineswegs die natürliche Umgebung und Position des Tieres, weshalb ich sagen würde, dass mein größtes Vorbild die Natur selbst ist.“ Mit ihrer ästhetischen Darstellung versucht sie, den BetrachterInnen gerade in Zeiten des Insektensterbens Schönheit und Nutzen der Tiere nahezubringen und erhält dafür viele positive Reaktionen. „Meistens wecke ich mit meinen Werken großes Interesse und manchmal muss ich dann selbst aufpassen, dass der Abend mit Freunden nicht zur Biologiestunde mutiert.“ Besonders stolz ist Jeannine auch darauf, dass ihr Shop vollständig cruelty-free ist, denn unter ihren Kuppeln werden nur Tiere verewigt, die eines natürlichen Todes gestorben sind.

Kristallisierte Zikade © Michelle Wröbel Kristallisierte Zikade © Michelle Wröbel

Auch Michelle Wröbel, Inhaberin des Shops ArtOfMims, arbeitet mit Wirbellosen und Knochenpräparaten. Neben der traditionellen Darstellung von Motten und Faltern im Rahmen, finden sich in Michelles Shop auch einige ungewöhnliche Eigenkreationen. So stößt man immer wieder auf Zikaden, Skorpione oder Vogelschädel, die von filigranen Kristallen überwachsen sind und wie einmalige Naturschöpfungen anmuten. Gerade die Technik des Kristallisierens verlangt laut Michelle aber nicht nur ein gewisses Know-how, um die richtigen Salz-Rezepturen für die Kristallzucht zu entwickeln, sondern vor allem viel Geduld. So dauere es Tage, bis sich die feinen Strukturen gebildet hätten. „Ich bin gerade beim Kristallisieren immer unheimlich neugierig, wie die Kristalle sich wohl bilden, wie das Endergebnis wohl aussehen wird. Darauf so lange zu warten fällt mir jedes Mal schwer“, sagt sie. Auch für Michelle steht die Bewahrung der natürlichen Schönheit der Tiere im Fokus ihrer Kunstwerke, die sie mit fantasievollen Elementen unterstreicht. „Mich faszinierte schon immer alles, was auf eine ästhetische Art und Weise irgendwie mystisch und geheimnisvoll wirkt. Ich denke tatsächlich, dass das für mich die größte Inspiration ist und hoffe sehr, diese Stimmung wahrnehmbar auf meine Werke übertragen zu können. Sie vereinen Unvergänglichkeit und Endlichkeit, das übt, denke ich, auf viele Menschen eine Faszination aus.“ Besonders ihre kristallisierten Kreationen seien gegenüber den klassischen Insektenrahmen gefragt. „Die glitzern vielleicht einfach so schön“, vermutet Michelle.

Marderschädel mit Kristallen © Stefanie Klehr Marderschädel mit Kristallen © Stefanie Klehr

Außergewöhnliche Beispiele für die Arbeit mit Knochenpräparaten sind im Shop NocturnalBySteffiKl zu bewundern. Hier kann man auf Harzplatten angebrachte, von Moos und getrockneten Pflanzenteilen eingerahmte und kreativ bemalte Vogel-, Marder- und Mäuseschädel entdecken. Die Werke von Inhaberin Stefanie Klehr sind im Allgemeinen gotisch und viktorianisch angehaucht, aber auch ein Marder-Punk mit Kristall-Irokese ist dabei, was besonders (aber nicht nur) in der Gothic- und Steampunk-Szene gut ankommt. Trotz des fantasievollen Touch ihrer Kunstwerke betont Stefanie, dass es ihr wichtig sei, Schädel und andere tierische Überreste weniger zu entfremden, sondern über Farbe und Dekoration in Szene zu setzen und so die natürlichen Eigenschaften eines Lebewesens einzufangen. Es sei ein Grundsatz ihrer Arbeit „dass man den Tieren auch noch nach dem Tod die Art von Respekt entgegenbringen kann, die sie verdienen.“ Obwohl die Nachfrage nach ihren Kunstwerken steigt, sei es ihr nicht in erster Linie wichtig Profit zu machen, erklärt Stefanie, vielmehr gefalle es ihr einfach, sich dem Hobby zu widmen. „Ich mag die Tatsache, dass es sich um ein Naturprodukt handelt. Dass man aus etwas Totem wieder was Lebendiges machen kann und man sich einfach kreativ ausleben kann, ohne besondere Vorgaben.“

Tierpräparation ist also ein Handwerk, das auch in Deutschland frischen Wind bekommt. Neue ästhetische Vorstellungen und ein verstärktes Verantwortungsgefühl Natur und Tieren gegenüber machen die außergewöhnliche Kunst attraktiv für eine jüngere Zielgruppe und versprechen dem Handwerk eine Zukunft. Bleibt nur zu sagen, dass es sich unbedingt lohnt einen Blick auf die Schöpfungen dieser neuen Generation von PräparationskünstlerInnen zu riskieren und vielleicht selbst der Schönheit des Vergänglichen zu verfallen.

Vorschaubild: © Jeannine Schröder, Headerfoto: © Michelle Wröbel