Stellwerk Magazin

WO/MEN ONLY?

Vorwort

Auch jenseits des Internationalen Frauenkampftags am 8. März scheinen feministische Themen derzeit omnipräsent und hochaktuell zu sein. In der Musik, der Literatur oder im Fernsehen wird oft über fehlende Gleichberechtigung und Chancenungleichheit gesprochen. Aber auch wenn diese Themen immer wieder aufgegriffen und problematisiert werden, sind systematische und gesellschaftliche Strukturen noch weit von einem Zustand der Gleichberechtigung entfernt. Diese Haltung vertritt auch eine der erfolgreichsten deutschen Comedy-Stars Carolin Kebekus, die sich regelmäßig und vielfältig für Frauen einsetzt. In ihren Shows im Ersten spricht sie über männliche Dominanz, problematische Rollenbilder, diskriminierende Schönheitsideale und Ungerechtigkeit im Arbeitsalltag.

Derzeit hat Carolin Kebekus ein weiteres Ziel auf ihre Agenda gesetzt, und zwar ein All-Female-Festival. Es soll am 6. Juni im Kölner Tanzbrunnen stattfinden und „DCKS Festival“ heißen, allerdings ohne „DICKS“ auf der Bühne, wie humorvoll angedeutet wird. Denn genau darum geht es – den großen Musikfestivals, bei denen weibliche Artists nur als Randnotiz auf dem Line-Up stehen, etwas entgegenzusetzen. Kebekus will auf die diskriminierenden Umstände aufmerksam machen und neue Impulse setzen. Bei ihrem Open-Air-Event werden nicht nur bekannte Künstlerinnen, wie Lea, Luna, Annie Chops oder die legendären No Angels das Line-Up füllen. Auch Newcomerinnen dürfen sich für das Festival bewerben. Damit bietet diese Initiative Frauen eine Chance ihre Musik zum ersten Mal vor einem großen Publikum zu präsentieren und möglicherweise ihre musikalische Karriere in die Wege zu leiten.

Eins der Ziele des Festivals ist es außerdem neue Vorbilder zu schaffen, die andere Frauen inspirieren und ihnen Mut geben. „Hätte ich nicht Vorbilder wie Anke Engelke, Gaby Köster oder Gerburg Jahnke gehabt, hätte ich überhaupt nicht gewusst, dass das ein richtiger Beruf für Frauen ist.“1https://dbmobil.de/leute/interviews/carolin-kebekus, so Kebekus. Darüber hinaus sollen berühmte Künstlerinnen wie Hazel Brugger und Laura Larsson auf einer sogenannten „Talk Stage“ in Austausch kommen und nach möglichen Lösungen suchen. Ausgangspunkt für die Idee war „Die Carolin Kebekus Show“ (abgekürzt „DCKS“) vom 15. Juli 2021 über Sexismus und männliche Dominanz in der Musikindustrie, in der Kebekus über die massive weibliche Unterpräsenz auf dem vorläufigen Line-Up des Rockfestivals Rock am Ring sprach. Das finale Line-Up mit einem Verhältnis von zehn weiblichen zu 223 männlichen Artists sah nicht wirklich besser aus. Die Empörung über diese Missstände veranlasste Kebekus dazu einen Gegenentwurf zu veranstalten – ein Festival, bei dem die Bühne nur Musikerinnen gehört.

Man muss festhalten, dass solche Initiativen allein noch keinen kulturellen Wandel schaffen, auch wenn sie möglicherweise positiv zur angestrebten Chancengleichheit hinwirken. Sie machen das Problem jedoch immer wieder sichtbar, treiben die öffentliche Debatte weiter voran und üben mit ein wenig Glück einen gewissen Druck auf Veranstalter:innen aus. Das eigentliche Kernproblem wird dadurch aber nicht gelöst. Auch Kebekus’ zentraler Wunsch, mehr weibliche Vorbilder zu schaffen, ändert wenig an dieser Lage, denn dass man diese vermisst ist eine Konsequenz des Problems fehlender Gleichberechtigung und nicht deren Auslöser.

Dem Kernproblem näher kommen wir, wenn wir die geltenden Voraussetzungen für ein Festival Booking anschauen. Diese sind nämlich nicht auf ein paritätisches Line-Up, sondern auf Profit ausgerichtet. So werden nur die bekanntesten Musikerinnen gebucht, wenn überhaupt. Weder beim Rock am Ring, noch beim Hurricane oder Lollapalooza ist das anders. Öffentliche Gelder könnten hier also Anreize setzen, um einen Wandel herbeizuführen, aber solche Bedingungen müssen von den öffentlichen Förderern auch mitbedacht werden. Wie die Musikerin Sophie Hunger vergangenen Sommer in einem Spiegel-Artikel feststellte, wurden von der „Initiative Musik“ der Bundesregierung unter dem Slogan „Neustart Kultur“ auch solche Festivals unterstützt, bei denen teilweise gar keine Frauen auf den Line-Ups zu finden waren. Sarkastisch hält sie fest: „‚Neustart No-Woman's-Land‘ wäre die treffendere Bezeichnung.“2https://www.spiegel.de/kultur/sophie-hunger-ueber-musikerinnen-auf-festivals-bucht-frauen-a-87fe58a6-7691-4e2c-be8c-67916ade36ec Wenn selbst die millionenschwere Musikinitiative keinen Wert auf Inklusivität und Gleichberechtigung legt, wundert man sich deutlich weniger über ein „No-Women Line-Up“ bei privat finanzierten Veranstaltungen.

Trotzdem ist es ein Problem, wenn Veranstalter:innen sich mit dem Verweis auf ökonomische Abhängigkeiten aus der Verantwortung ziehen und sich selbst für völlig einflusslos erklären. Nachdem das sächsische Musikfrauen*-Netzwerk auf ihrem Instagram Account „musicswomen“ auf die beschämend kleine Anzahl an Musikerinnen beim Rock am Ring Line-Up hinweist, teilt das Festival zwar den Wunsch nach mehr Diversität mit, verweist dennoch auf seine angebliche Machtlosigkeit: „Es ist höchste Zeit, dass sich hier was ändert […]. Auch wir sind aber Teil einer Industrie, in der sich Veränderungen nur langsam, effektiv und nachhaltig, etablieren. […] Uns sind öfter als man denken möchte hierzu die Hände gebunden […].“3https://www.musicswomen.de/saechsisches-musikfrauen-netzwerk-loest-virale-gender-gap-debatte-rund-um-das-rock-am-ring-festival-aus/

Aber sind ihnen hierzu wirklich die Hände gebunden? Und was ist zum Beispiel mit einer Frauenquote? Die 2017 von der britischen Musikförderungs-Plattform PRS Foundation gegründete Keychange Initiative zeigt, dass dieses Konzept sowohl möglich als auch effizient ist. Alexander Schulz, der Geschäftsführer des Hamburger Reeperbahn Festivals, hat dafür das Keychange-Pledge ins Leben gerufen. Diesem kann sich jedes Festival anschließen, das sich für geschlechtliche Vielfalt und Gleichberechtigung einsetzen will. Das zentrale Ziel dieser inzwischen globalen Initiative ist es, einen geschlechtlichen Ausgleich von 50/50 auf den Bühnen zu erreichen. Die Erklärung wurde schon von mehr als 300 Veranstaltungen unterschrieben, unter anderem vom Primavera in Barcelona, dem Pop-Kultur Festival in Berlin und natürlich dem Reeperbahn Festival selbst. Damit wird deutlich, dass der Verweis auf die eigene Machtlosigkeit vom Rock am Ring Festival unzutreffend ist. Auch wenn Sponsoren, seien sie privat oder öffentlich, stärker auf die Gleichberechtigung als Teil ihres Förderprogramms achten sollten, sorgen Schritte wie der Keychange Beitritt zu einer positiven Veränderung. Denn jeder solcher öffentlichkeitswirksamen Proteste hilft, den Knoten zu lösen. Zu solchen Protesten gehört auch das DCKS Festival, das Frauen die Bühne schenkt, und dazu einlädt nach Lösungen zu suchen.

Header- und Vorschaufoto: © WDR/btf

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