Stellwerk Magazin

Rezension zu einer Komödie für große Mädchen Meine tolle Scheidung

Vorwort

MEINE TOLLE SCHEIDUNG // Kontakthof Wuppertal ///////////////// 23. August ///////// 14. September //// 2. Oktober /////// 11. Oktober ///// 18. Oktober

"Hallöle", so meldet sich Angela Kennedy Lipskys Exmann nach all den Jahren immer noch am Telefon. Früher liebte sie ihn dafür, heute würgt sie schon beim Gedanken an den Klang dieser Floskel. Wer kennt das nicht? Vertrautheit, die in Abneigung umschlägt; Liebe, die zur Routine geworden ist?

Diese Gefühle sind ebenso traurig wie zum Brüllen komisch und noch dazu "ganz normal". Genau wie Das Theaterkabarettsolo MEINE TOLLE SCHEIDUNG. Unter der Regie von Kristof Stößel feierte es am 27. Juni im Kontakthof in Wuppertal Premiere. Das gemütliche, kleine Theater mit eigenem Weinausschank muss sich mit seinem Motto "Tagen, Feiern, Geniessen" unter den Großen erst noch behaupten; einen Besuch ist es allemal wert. Zum Beispiel, um sich die eigenen Tränen durch Mitleid trocknen zu lassen. Das ist kleine Katharsis für gebrochene Herzen.

Angela Fischer ist nervös. Zum dritten Mal wird die Theaterkabarettistin heute vor Publikum in die Rolle der Angela Lipsky schlüpfen. In diese und sechzehn weitere, die sie während der Solovorstellung mimt. Da warte man noch auf den Automatismus, der sich erst nach einigen Aufführungen einstelle, gesteht sie. Erst wenn sich das Denken ausschaltet und das Spiel beginnt, ist Showtime. Dann verabschieden wir uns von der selbstbewussten Lady und treffen auf ihre verletzte Namensvetterin aus Großbritannien. Diese erzählt in der Retrospektive von der Scheidung von ihrem Mann Betonkopf, der sich nun lieber jungen Osteuropäerinnen zuwendet, und allen damit verbundenen Tief- und Höhenflügen. Auch die Tochter hat sich mit ihrem Schlagzeuger Freund von der "fürsorgenden, treuen, aufopfernden" Mutter getrennt und geblieben ist ihr einzig und allein Hund Axel, mit dem sie in rührender Tapferkeit zu Weihnachten Geschenke tauscht. Am Rande eines Nervenzusammenbruchs schlägt sich die Katholikin nun ebenso zynisch wie eloquent durch Anwaltstermine, Sexshops und einsame Singlewochenenden. Bis sie wieder bereit ist, sich zu öffnen und jemanden zu suchen. Nicht für das Bett, sondern für's Herz. Um es sich heilen zu lassen.

Das Erfolgsstück der irischen Autorin Geraldine Aron feierte im November 2001 im Druid Theatre Galway Uraufführung und wanderte seitdem von Wellington bis nach Wuppertal. Regisseur Stößel plant zudem seine Version davon im Herbst auf Tournee zu schicken. Es ist eine Geschichte über zerbrochene Träume und verblasste Illusionen der ganz, ganz großen Liebe. Nichts hiervon erscheint uns unbekannt. Das Gefühl des Verlassen- und Alleinseins betrifft nicht nur frisch geschiedene Mittfünfziger, sondern jeden, der schon einmal den Mut und die Kraft aufgebracht hat, jemanden ohne Vorbehalte zu lieben. Die Frage, ob die Kabarettistin sich selbst in der Rolle wiederkenne, verneint sie erst lächelnd, korrigiert dann aber: "Ich selbst bin auch geschieden. Und wenn ich etwas von der Rolle gelernt habe, dann, dass mein Exgatte wirklich nett ist." Das, und einen ewig verschachtelten Monolog zwischen Neologismen, wie dem morgendlichen Mundfurz, dialektalen Parodien und einem niemals endenden Redefluss im verzweifelten Hang zur Romantik.

Interessant an dieser Inszenierung ist, dass die vierte Wand, die herkömmlich das Theaterpublikum von dem Bühnengeschehen trennt, vermehrt durchbrochen wird. Statt einem Schauspiel beizuwohnen, wird das Publikum selbst Teil des Geschehens. So wird der charmante Mann aus der ersten Reihe spontan zum Bühnenbau-Assistenten und das Publikum wird im sich entwickelnden Running Gag zum Mitleidbekunden aufgerufen. Es wirkt fast, als säßen wir im Wohnzimmer einer alten Freundin, die von ihrer persönlichen Krisenzeit berichtet, denn die Konzeption des Stückes lässt viel Freiraum für Improvisation. Wenn Angela bei der Imitation ihres Doktors selbst etwas schmunzeln muss, wirkt dies kaum wie ein Patzer, sondern unterstreicht eher die Authenzität der Erzählung.

Der Einsatz von Licht und Bühnenbild ist minimalistisch gehalten. Mit wenig szenischen Mitteln und ohne grosse Effekthascherei wird hier ein Stück erzählt, wie es das Leben schreibt. Alles, was die Figur braucht, um ihre Leidensgeschichte zu erzählen, zaubert sie wunderbarerweise à la Mary Poppins aus ihrem Weidenkorb hervor: Vibratoren, die ganze Hausapotheke der Beruhigungsmittel, Liebesbriefe, die nicht an sie adressiert sind. Sympathisch ist, dass der Regisseur Kristof Stößel selbst hinterm Mischpult sitzt. Ihm zu verdanken sind auch die musikalischen Höhepunkte des Abends. So setzt das Stück ein mit Angela von Peter Maffay, schreitet in lebensbejahenden deutschen Schlagertexten voran bis die Protagonistin selbst mit Vicky Leandros Ich liebe das Leben zum Mikrofon greift und beschwingt den Regenschirm kreisen lässt:

Ich frag dich: Was kann mir schon geschehn? Glaub mir, ich liebe das Leben. Das Karussell wird sich weiterdrehn - auch wenn wir auseinandergehn.

Die Figur lernt also im Laufe des Stückes mit sich selbst Spaß zu haben und versucht auch mal die eigene Gesellschaft zu genießen. Beinahe gelingt ihr das. Doch, und dies ist der einzige große Kritikpunkt, den ich anbringen möchte, verfällt sie gegen Ende der Vorstellung doch wieder einem Mann. Gerade hatten wir uns soweit emanzipiert das Alleinsein als gleichwertige Lebensform neben der Partnerschaft zu akzeptieren, als doch wieder alles auf die Liebe hinausläuft. Ist denn Zweisamkeit wirklich notwendig, um erfüllt zu sein? Eine Scheidung ist in den seltensten Fällen toll, aber mit etwas Optimismus, einer gehörigen Prise Selbstironie und Anerkennungs-Spritzen, sei es durch Flirts mit jüngeren Männern oder nächtliche Telefonate mit der Seelsorge, lassen sich ihr auch gute Seiten abgewinnen. Das Leben geht weiter. Und der Mensch, der einem am nächsten steht, bleibt immer man selbst.

Sicherlich präsentiert MEINE TOLLE SCHEIDUNG eine rein weibliche Sicht auf das Ende einer Ehe, die Männerdarstellung ist größtenteils negativ. Dennoch sitzen im Publikum neben Frauen mittleren Alters auch einige von ihnen. Geschiedene und nicht Geschiedene, Leidende und Liebende. Es ist eine Art Galgenhumor, der sich hier abzeichnet. An den deprimierendsten Stellen wird am lautesten gelacht. Daduch gewinnen wir einen positiven Abstand zu den eigenen (Liebes-) Problemen. Wenn selbst Angela es schafft, die guten Seiten zu betrachten, schaffen wir das allemal. Und mit neuem Lebensmut stürzen wir uns zurück in den Beziehungs- oder Singlealltag. Im beruhigenden Wissen nicht allein zu sein. Nicht in unserem Kummer, und ganz sicher nicht in der Freude.

Foto: Stellwerk

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