Stellwerk Magazin

Interview Zum Begeifen nah: Julia Trompeter über Lyrik in Performance und Schrift

Vorwort

Julia Trompeter wurde 1980 in Siegburg geboren und studierte in Köln Philosophie, Germanistik und klassische Literaturwissenschaft. Sie promovierte in Berlin und Bochum in antiker Philosophie. Neben ihrer Tätigkeit als Dozentin in Bochum tritt sie unter dem Projekt Sprechduette gemeinsam mit Xaver Römer in lyrischen Performances auf. 2014 erschien Trompeters Debütroman “Die Mittlerin”, dieses Jahr folgte ihr Gedichtband “Zum Begreifen nah”. Julia Trompeter lebt und schreibt in Köln und Utrecht.

© Peter Susewind

Nachdem du für ein paar Jahre in Berlin gewohnt hast, bist du nun wieder zurück in Köln. In deinen Gedichten spiegeln sich die verschiedenen Orte wider – inwiefern bist du durch Städte wie Berlin oder Köln inspiriert?

Ich kann behaupten, dass alle Orte, die in meinen Gedichten vorkommen Orte sind, an denen ich schon war oder gelebt habe. Der Aachener Weiher zum Beispiel ist für mich ein historischer Ort - dort habe ich schon viel erlebt. Während meines Studiums habe ich dort beispielsweise eine lateinische Grammatik verloren. Ich habe für meine Prüfung am nächsten Tag gelernt, da kam ein kleiner ungezogener Junge, der gerade im Streit mit seinen Eltern war, riss mir das Buch aus der Hand und schmiss es ins Wasser. Der Vater hat dann noch versucht, es rauszufischen, aber ohne Erfolg!

Wo lebst du lieber – in Köln oder Berlin?

Ich habe sehr gerne in Berlin gelebt, drei Jahre lang. Berlin ist toll, wegen der vielen Einflüsse, die man dort bekommt. Der Standort Köln hat für mich jedoch durchaus Vorteile, es ist hier überschaubarer, die Literaturszene entwickelt sich und für das eigene Schreiben und Schaffen ist Köln der ruhigere Ort. Es hat beides Vor- und Nachteile.

Lass uns über Lyrik sprechen. Du arbeitest auf der lyrischen Ebene sowohl textlich konkret, wie in deinem dieses Jahr erschienenen Gedichtband "Zum Begreifen nah", als auch performativ mit den Sprechduetten. Wo entfaltet Lyrik sich für dich besser, in der Performance oder im gedruckten Wort?

Ich finde, dass der Vortrag, die Lesung, immer noch eine weitere Dimension bietet, die dem Text hinzukommt. Die Sprechduette sind eine Sonderform. Xaver Römer, mit dem ich die Sprechduette mache, komponiert die Gedichte - das sind eigentlich Partituren. Das heißt: Gedichte, die ein bisschen wie Musikstücke arrangiert sind. Insofern sind die Sprechduette eigentlich komplett für die Vorführung, für die Performance geschrieben. Bei den Gedichten aus meinem eigenen Band sehe ich das nochmal anders. Ich wünsche mir, dass die Leser eine Melodie selbst im Kopf spüren, sodass auch das gelesene Gedicht funktioniert und man nicht denkt, das Gedicht funktioniert nur, wenn man es vorträgt. Es gibt vielleicht ein, zwei Gedichte von mir wie die "Markise von O", die sehr lautpoetisch sind und man schon laut lesen sollte, aber alle anderen sollen eigentlich auch im leisen Lesen funktionieren.

In Bezug auf die Sprechduette: Wie viel von seinem eigenen künstlerischem Egoismus oder von seinen eigenen Vorstellungen muss man zurückstecken, wenn man als Team an der Kunst arbeitet?

Die Sprechduette sind vom Konzeptuellen her Xavers Werk. Das wird gerne verwechselt und ich bezeichne mich in dem Fall auch gerne als "performativer Part". Aber wir haben natürlich trotzdem manchmal kleine Streitigkeiten, weil er dann bestimmte Vorstellungen hat, wie etwas klingen soll, so wie er das im Kopf entwickelt hat. Wenn wir dann zusammen üben, werden die Stücke häufig auch noch etwas verändert, dort kommt natürlich mein eigenes Gefühl zur Sprache mit hinzu und dann streiten wir uns auch schon mal. Über Intonation oder Feinheiten, aber auch über die Länge der Stücke wird häufig diskutiert. Ein bisschen Egoismus oder eine kleine produktive Streitigkeit ist da natürlich ab und an spürbar.

Gerade ist dein erster Gedichtband "Zum Begreifen nah" erschienen. Du arbeitest schon sehr lange an Gedichten, wie bist du im Hinblick auf deinen ersten Gedichtband bei der Zusammenstellung der Gedichte vorgegangen?

In meinem Gedichtband finden sich Texte aus den letzten zehn Jahren, das früheste Gedicht ist tatsächlich fast zehn Jahre alt. Ich hatte ein zweimonatiges Stipendium am Literarisches Colloquium Berlin im Sommer letzten Jahres. Das war ein wunderbarer Zeitraum, um die Struktur für den Band zu erstellen die Gedichte zusammenzustellen, was ich in Zusammenarbeit mit meinem Lektor Mirko Bonné gemacht habe. Er war mir eine große Hilfe, weil er einen anderen Blick von außen hatte. Mir erschien das Material durch die langen Zeitspannen, die zwischen den Entstehungen lagen, sehr disparat. Zu 90% war es also ein Arbeitsprozess der Strukturierung, Sortierung und Überarbeitung, da man sich jeden Text noch einmal anschaut. Ein paar Gedichte sind dann aber auch ganz neu entstanden.

Gibt es bestimmte Themenfelder, die sich besonders für Lyrik eignen oder dich reizen, sie zu verarbeiten?

Schöffling & Co. Verlag 2016

Eigentlich nicht, es sei denn man sieht so grobe vage Begriffe wie zwischenmenschliche Beziehungen als Themenfeld an. Aber im Endeffekt bin ich, was die Sujets angeht, ziemlich offen und schreibe über das, was mir gerade unter die Linse kommt oder was mich beschäftigt. Daher können die Themenfelder ziemlich unterschiedlich sein. Wir haben die Gedichte sortiert - es gibt Gedichte die eher im Sinnlich-Wahrnehmbaren verortet werden können, wo es viel um das Hören, Sehen, Fühlen und Tasten geht. Dann gibt es Gedichte, die um die Familie kreisen, andere in denen es viel um Liebe geht und ein Teil der sich um Landschaft und Erfahrungen von Außenwelten dreht. Das sind die groben Themen, in die man das sortieren könnte, was aber nicht vorher bewusst von mir so gesetzt war. Ich habe mir nicht vorher vorgenommen, jetzt schreibe ich mal zehn Gedichte nur zum Thema Landschaft. Die Themenfelder waren eher nachträgliche Ordnungskategorien.

Hast du für deine künstlerische Zukunft schon konkrete Pläne? Wirst du wieder einen Gedichtband veröffentlichen oder einen Roman?

Ja, ich arbeite bereits an einem neuen Roman, der allerdings auch immer wieder ruht, weil ich in letzter Zeit so viel anderes zu tun hatte. Aber auf jeden Fall wird das nächste Buch ein Prosawerk sein, so richtig viel dazu erzählen kann ich aber noch nicht, da bin ich vielleicht zu abergläubisch. Trotzdem entstehen nebenher auch immer wieder neue Gedichte, das war bei mir auch bei der Arbeit an der Mittlerin so. Denn Gedichte entstehen bei mir eigentlich immer zwischendurch in bestimmten Momenten.