Stellwerk Magazin

Interview Faust I im Vorgespräch

Vorwort

Sonja Seehrich traf sich mit den Mitgliedern des Ensembles „Falks Richter“. Sie sprach mit Nadine Tertel, 23 Jahre jung, Studentin der Deutschen Sprache und Literatur und der Linguistik und Phonetik, über die Arbeit am Stück FAUST. DER TRAGÖDIE ERSTER TEIL. Sie übernimmt zusammen mit Lukas Gerhards, 25 Jahre und Student der Sonderpädagogik, die Aufgabe der Regiearbeit. Das Ensemble ist an der Studiobühne Köln entstanden und arbeitet seit einem Jahr zusammen. Die ersten drei selbstständig organisierten Aufführungen des Ensembles fanden im Juli 2016 statt, die aktuelle Inszenierung feiert am 19. April 2017 Premiere.

Foto: Nadine Tertel

Warum habt ihr euch für Goethes FAUST entschieden?

Die Entscheidung fiel auf FAUST, da es einfach zu den bekanntesten Theaterstücken gehört. FAUST ist eine Herausforderung und ein Wagnis für ein junges Ensemble. Die Herausforderung lässt uns als Gruppe wachsen. Die Themen, die FAUST aufmacht, sind sehr zeitlos und können daher sehr gut in die heutige Zeit übertragen werden. Das ist meiner Meinung nach sehr spannend.

War es schwierig, das Stück umzuschreiben?

Am Anfang haben wir uns das Konzept überlegt. Dieses beinhaltet die Szenen aus FAUST, die wir für die Bühne interessant finden. Wir möchten unserem Publikum etwas auf den Weg geben. Lukas und ich saßen an drei, vier Abenden zusammen und haben uns den Text gegenseitig vorgelesen, bearbeitet und dann gestrichen, was zu viel war. Hätten wir das nicht gemacht, wäre das Stück am Ende sicherlich vier Stunden lang geworden. Auch mit der Rollenaufteilung hätte es nicht funktioniert, da das Ensemble aus sechs Schauspielern und Schauspielerinnen besteht. Wir wollten beispielsweise nicht, dass eine Person fünf Rollen gleichzeitig bekommt. Wir haben den Originaltext daher bis auf ein Drittel gekürzt.

Wie lange arbeitet ihr denn schon an diesem Theaterstück?

Lukas und ich haben die Grobplanung im August/September letzten Jahres aufgenommen. Dann hatten wir die ganze Vorarbeit geleistet, also Planung des Konzepts, Kürzung, Verteilung der Rollen. Wir proben seit Mitte Oktober wöchentlich mit der ganzen Gruppe. Mittlerweile sogar an zwei Terminen in der Woche plus zusätzlichen Probewochenenden.

Was zeichnet euer Inszenierungskonzept denn nun aus?

Für uns war es wichtig, den FAUST als eines der bekanntesten literarischen Werke weltweit in seiner alten Sprache zu belassen. Auch ist es spannend, zu versuchen, die Komplexität des Stücks mit seinen inhaltlichen Themen in die heutige Zeit zu transportieren, sodass die Inhalte auch auf unsere aktuelle gesellschaftliche Situation und Entwicklung angewendet werden können. Die genauen Inhalte werden an dieser Stelle bewusst nicht verraten. Jedoch kann gesagt werden, dass die zentrale Frage des Stücks auch heute noch aktuell ist: Was macht uns eigentlich glücklich? Ist es die Liebe, das Geld, das Aussehen? Eine weitere wichtige Frage ist zudem diejenige nach dem Wert eines Menschen. Gretchen und Faust sind letztendlich nur Spielbälle viel größerer Machtkomplexe. Interessant ist eben, dass während des Stücks gefragt wird, was der Wert von Gretchen oder von Faust sei und wie weit beide gehen würden, um ihre eigenen Grenzen zu überschreiten. Es ist spannend, die Zerrissenheit eines jeden Charakters darzustellen, mit der wir uns persönlich ja auch befassen müssen. Wir kommen irgendwann immer an eine Kreuzung und stehen vor einer Entscheidung, die wir treffen müssen. Es geht viel um Menschlichkeit – nicht nur darum, verführt zu werden. Es geht auch viel um Jugendlichkeit. Es werden Fragen behandelt, wie man mit unterschiedlichen Situationen umgehen könnte.

Habt ihr eigene Elemente und neue Ideen ins Stück integriert?

Durch die alte Sprache, die wir so belassen haben und trotz der Kürzung der Szenen, ist noch sehr viel aus dem Originalstück vorhanden. Wir haben allerdings unsere eigenen Schwerpunkte gesetzt und daher ist das Stück unsere eigene Inszenierung. Das heißt also, dass wir uns immer zuerst die Szenen anschauen und dann in die Rollen reingehen und zusammen das Konzept überlegen, wo und wie wir bestimmte Komponenten hervorheben oder weglassen wollen. Die Schauspieler und Schauspielerinnen kreieren ihre Rollen auch selbst und füllen sie. Das Buch lese ich jetzt auch anders als zu Abi-Zeiten, da ich jetzt auch viel mehr verstehe als damals. Wir nehmen die eigenen persönlichen Erfahrungen in das Stück mit hinein. Aus schauspielerischer Sicht sind die Entwicklungen beim Inszenieren und Proben einer Szene noch spannend. Zum Beispiel entsteht beim Lernen des Textes viel Neues durch Improvisation sowie einer eigenen Interpretation einer Szene. Dabei entsteht manchmal eine komplett neue Szene.

Aufführungstermine: 19./22./23. April 2017, jeweils um 20h in der Studiobühne Köln

Was frisst während der Produktion am meisten Zeit?

Nicht nur die Arbeit am Stück allein frisst Zeit, sondern auch die Arbeit, die nebenher zu meistern ist. Vor der Probe treffen Lukas und ich uns mindestens zwei Stunden früher. Und das Textlernen der Schauspieler nimmt ebenfalls viel Zeit in Anspruch – zum Beispiel gehören zweiseitige Monologe dazu. Auch mit Organisatorischem müssen wir uns auseinandersetzen. Wir müssen uns überlegen, wie die Bühne aussehen soll, was für Requisiten benötigt werden, wie das Licht oder die Musik aussehen soll, was für Kostüme benötigt werden oder wie das Publikum in das Stück hineingeführt wird. Es ist ein riesiger Organisationsaufwand, der sehr viel Zeit in Anspruch nimmt.

Bekommt ihr auch Unterstützung?

Wir bekommen von der Studiobühne Proberäume, das Technikequipment sowie die Aufführungsmöglichkeiten gestellt. Es ist also sehr viel, was die Studiobühne für uns leistet – aber wir sind eine eigene Gruppe und machen daher auch eine Menge selber. Durch ein paar glückliche Zufälle, bekommen wir auch von anderer Seite viel Unterstützung. Uns wird zum Beispiel ehrenamtlich professionell beim Make-Up geholfen.

Worauf freut ihr euch denn am meisten?

Wir freuen uns natürlich auf die Aufführung. Aber es ist auch so, dass ich mich jede Woche aufs Neue auf die Proben freue, da das die eigentliche Arbeit ist. Natürlich arbeitet man auf ein Ziel hin und man will das auf die Bühne bringen. Es ist toll, jede Woche im Ensemble zu arbeiten, schauspielerische Fähigkeiten zu fördern und die Menschen auszubilden.

Wie kommt es, dass du nicht mehr schauspielerst, sondern die Regie übernommen hast, Nadine?

Ich habe mein ganzes Leben lang immer geschauspielert und vor einem Jahr dann angefangen, meine eigene Gruppe aufzuziehen. Da bin ich dann zum ersten Mal so richtig mit der Regiearbeit in Berührung gekommen. Ich habe für mich festgestellt, dass ich diese Arbeit sehr spannend finde. Nebenbei mache ich noch Workshops und suche dort nach neuen Anregungen oder Übungen, die ich dann an mein Ensemble weitergeben kann. Ich spiele also noch Theater, allerdings nur noch in Workshops, da ich gemerkt habe, dass die Regiearbeit mich am Theater mehr fasziniert, weil ich dadurch die Möglichkeit bekomme, an anderen Schauspielern Fähigkeiten zu verstärken. Am Anfang der Probe kann es sein, dass alle schlecht gelaunt sind, und am Ende der Probe dann doch noch alle mit einem guten Gefühl herausgehen. Ich kann es mir momentan nicht vorstellen als Schauspielerin im Ensemble mitzuspielen, da man in der Regie wirklich Dirigent ist und am Ende eine eigene Kreation auf die Beine gestellt hat.

Foto: Maria Kudryashova | Mitglieder des Ensembles von l.n.r.: Heiko Pfeil, Sebastian Brings, Azza Larguech

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