Stellwerk Magazin

Nachbericht | TransLit Im Dazwischen

Vorwort

Bereits zum dritten Mal findet derzeit die Poetikdozentur TransLit an der Universität zu Köln statt. Diesjähriger Inhaber ist Thomas Meinecke, zugleich Musiker und Autor, der in seinen Poetikvorlesungen auf intermediales und interkulturelles Schreiben Bezug nimmt. Dass Literatur nicht auf ein Medium begrenzt sein muss, sondern zuweilen erst durch Wechselbeziehungen zu anderen Medien entsteht, wurde bereits an dem einführenden Abend, der Auftaktveranstaltung der TransLit am 9.Mai 2018, von Thomas Meinecke in Form einer medienübergreifenden Performance dargestellt.

Unter dem Stichwort „Literatur im medialen Wandel“ findet auch die diesjährige Poetikdozentur an der Universität zu Köln statt. Das Konzept dieser Dozentur ist es, Autorinnen und Autoren der Gegenwartsliteratur für Vorlesungen und Diskussionen zu gewinnen, deren Werke durch intermediales und gattungsübergreifendes Arbeiten geprägt sind. Der diesjährige Gastdozent Thomas Meinecke, preisgekrönter Autor u.a. der Werke Tomboy (1998), Hellblau (2001) und Selbst (2016), verkörpert dieses Konzept der Intermedialität voll und ganz. Er tritt nicht nur als Schriftsteller in die Öffentlichkeit, sondern ist Sänger der Band F.S.K. (Freiwillige Selbstkontrolle), legt Platten auf und ist zudem Hörspiel-Produzent. Das Besondere an Meinecke ist, dass er zwischen den verschiedenen Medien springt und sich diese stets wechselwirkend in seinem künstlerischen Schaffen widerspiegeln. Inspirationen für seine Texte – literarisch und musikalisch – nimmt er von überall her; aus Songs, aus Filmen, aus wissenschaftlichen Abhandlungen oder einfach aus Beobachtungen über unsere kulturelle Gesellschaft.

Transmediales Schreiben

Wenn es darum geht, „Literatur im medialen Wandel“ zu betrachten, so ist Thomas Meinecke definitiv ein geeigneter Gastdozent. Doch bevor der Autor an diesem Auftaktabend selbst zu Wort kam, wurde er zunächst in einer einführenden Rede der Dekanin der Philosophischen Fakultät Frau Prof. Monika Schausten vorgestellt und auch das Konzept der TransLit wurde noch einmal in den Mittelpunkt gerückt: Transmediales Schreiben, Medien und literaturtheoretische Theorien mit der Praxis verbinden sowie vor allem der Austausch zwischen Dozierenden und Studierenden steht in den einzelnen Veranstaltungen der TransLit im Vordergrund.

Was sagt ein Schreibtisch wohl über einen Menschen aus? Kann man das Möbelstück als Spiegel seines Besitzers sehen? Ja, meint Prof. Christoph Hamann, der seine biographische Einführung über Thomas Meinecke mit einem Zitat des Autors stützt: Der Schreibtisch des diesjährigen Poetikdozenten sei „zugestellt mit Büchertürmen, die bis zur Lampe reichen.“ Doch nicht nur auf dem Tisch, sondern auch rund herum stapeln sich Bücher, Zeitschriften, CDs, Alben… all jene Dinge, aus denen Meinecke seine Inspiration schöpft. Vergleichbar mit diesem Bild des Schreibtischs, das Christoph Hamann dem Publikum an diesem Abend geschildert hat, sei auch das künstlerische Schaffen Thomas Meineckes. Er sampelt, er mischt sich Inhalte und Themen zusammen aus dem ihm zur Verfügung stehenden Material. Sein Schreiben sei nicht geplant, sondern offen in alle Richtungen – erst darin liege für Meinecke die Lust am Schreiben.

Wie die Literaturwelt das Schaffen Thomas Meineckes sieht, wurde im Anschluss in einem theoretischen Überblick von Prof. Torsten Hahn dargestellt. Zentral in seinem Vortrag war der Begriff des POPs, einer literarischen Gattung, die Massen- und Alltagsphänomene mit Hochkultur verbindet. Geprägt wurde der deutsche POP-Literatur-Markt nicht zuletzt durch Thomas Meinecke, der 1998 gemeinsam mit Rainald Goetz und Andreas Neumeister vom Suhrkamp Verlag zum POP-Literaten ernannt wurde.

„Selbst“

Dass POP-Literatur praxisnah ist, bewies daraufhin Thomas Meinecke in seiner Einführungsveranstaltung. Mit einer Lesung aus seinem 2016 erschienenen Buch „Selbst“ und der transmedialen Unterbrechung einiger ausgewählter Musikclips begann Meinecke schließlich seine Interpretation der TransLit. An diesem Abend wurde nur gelesen, es wurde nichts kommentiert oder erläutert. Für Diskussionen und Rückfragen sind die noch folgenden Veranstaltungen der TransLit vorgesehen.

16.05. Pop hat kein Problem | Universität zu Köln (Neues Seminargebäude) 18:00 ////////////////////////////// 30.05. Sounds Diskurs| Universität zu Köln (Neuer Senatssaal im Hauptgebäude) 18:00. //////////////////////// 06.06. in dubio pro disco| Acephale, Köln, 21:00.

Mit der Lesung aus seinem Roman Selbst nimmt Meinecke seine Zuhörer mit auf eine Entdeckungsreise nach Liebe und Sexualität dreier junger Frauen. Charakteristisch für den Autor ist auch in diesem Werk vor allem der Umgang mit Gender-Konzepten und der Auflösung von Geschlechterrollen. Androgyne Eigenschaften, trans- und intersexuelle Figuren werden immer wieder thematisiert und aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Zwischen der gegenwärtigen Diskussion der drei jungen Hauptfiguren über ihre Sicht auf ihre Sexualität findet sich der Leser – bzw. Zuhörer an diesem Abend – plötzlich in Textausschnitten der literarischen Romantik wieder. Bettina von Armin liest aus ihrem Briefwechsel mit Goethe, Goethe liest aus seinem Briefwechsel mit einem Kinde und auch Clemens Brentano bekommt eine Stimme verliehen. Thomas Meinecke springt in seiner Lesung von einer Szene zur nächsten, hoch-aktuelle Gender-Debatten treffen auf wissenschaftliche Zitate, romantische Ortsbeschreibungen folgen auf Kritikermeinungen, Rainer Maria Rilke wird in einem Atemzug mit Lady Gaga erwähnt. Die Liste des Name-Droppings und der verwendeten Zitate in dieser Collage-Technik ist lang.

Sampling

Bereits innerhalb des Romans lassen sich die intermedialen Bezüge während der Lesung Meineckes erkennen. Musiker wie Lady Gaga und David Bowie, aber auch Ikonen der Gender-Studies wie Judith Butler oder eben Klassiker der deutschen Literatur bilden die Inspirationsquellen für Meineckes Roman. Um die Transmedialität seines Schaffens noch stärker zu untermauern, verknüpft Thomas Meinecke seine vorgelesenen Romanauszüge mit drei Musikvideos, unter ihnen eines der letzten Videos der Pop-Ikone David Bowie. Alle drei Clips haben gemeinsam, dass sie ganz eindeutig auf aktuelle Gender-Konzepte verweisen. Trans- und Intersexualität sind, zumindest in der Darstellung der exzentrischen Videos, äußerst hervorstechend.

So wie Thomas Meinecke Sampling in seinen Romanen betreibt, so hat er auch an diesem Auftaktabend der TransLit literarische, musikalische und visuelle Eindrücke gesampelt. Entstanden ist auf diese Weise eine performative Vorlesung, die nicht selten für Verwirrung gesorgt hat. Durch das Vermischen verschiedener Zeit- und Textebenen, die Einwürfe von teils englischsprachigen Zitaten oder auch kritische Meinungen über den Autor selbst entsteht ein unglaublich dichter und facettenreicher Blick auf den Roman und das Gender- sowie Autorschaftskonzept Thomas Meineckes. Raum für Fragen und Diskussionen gab es innerhalb dieser ersten Lesung nicht, doch genau zu diesem Zweck verweist Meinecke auf die nachfolgenden Veranstaltungen, in denen es dialogisch und intermedial weitergehen wird.

Foto: Daniela Doutch | Universität zu Köln

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