Stellwerk Magazin

Nachbericht Zusammen Leuchten 2018

Vorwort

Präsentiert von Rausgegangen fand am 26.5.2018 das Zusammen LeuchtenFestival im Herbrand‘s in Köln-Ehrenfeld statt. Das Konzept der Veranstalter Rausgegangen Köln versteht sich als eine Art Puzzle: Diverse kleinere Veranstaltungen, die von Rausgegangen Köln auf Facebook als Event-Tipps irgendwann mal geteilt wurden, sollen an einem Tag nun versammelt werden. Auf sechs Bühnen und Schauplätzen konnten die Festivalbesucher die unterschiedlichsten Acts und Performances bewundern und sich dabei an bunt gemischten Food- und Getränkestationen kulinarisch austoben. Zusammen Leuchten wirbt damit, kein Festival zu sein, „wie du es kennst“. Und tatsächlich entsteht durch die genreübergreifende Mischung der Showacts eine ganz besondere Atmosphäre.

Während uns Viktoria Szostakowski einen Überblick zum Festivalgeschehen gibt, nimmt uns Annabelle Gummersbach mit zur Schauspiel-Performance des Schauspiel Köln Nachwuchses und dem Konzert von Sion Hill.

Während man durch das farbenfroh und aufwendig dekorierte Festivalgelände spazierte, begegnete man turnenden Akrobaten, balancierenden Stelzengängern und sprayenden Graffiti-Künstlern. Die dargebotenen Performances von überwiegend neuen, noch unbekannten Künstlern, denen hier eine Bühne geboten wurde, ließen einen als Zuschauer nur staunen. Die Kreativität und Vielfalt des Festivalprogramms spiegelte sich auch in der Aufteilung des Festivalgeländes wider. Sechs eigene „Welten“ wurden konzipiert, die sowohl eine Orientierungshilfe während des Festivalbesuchs boten als auch eine thematische Rahmung waren. Während des Herumspazierens von Areal zu Areal erhielt man den Eindruck, als würde man immer wieder Schwellen zwischen den Welten überschreiten.

Sowohl Konzerte unterschiedlichster Genres als auch Akrobatik- und Neon-Shows wurden im Luftschloss gezeigt. Das angekündigte Highlight war die nach Mitternacht stattfindende After-Party mit tollen DJ’s, wo bis in den Morgen zu Techno-Beats getanzt wurde. Die Area Düstermeer eröffnete eine Bühne für zahlreiche Künstler und sorgte mit seiner düstereren Belichtung für eine schaurige, aber gemütliche Stimmung, die zum Genießen der Klänge und zum Mittanzen animierte. Wie der Name schon verrät lag das Hinterland etwas abseits, was aber der heiteren Stimmung keinen Abbruch tat. Hier befand sich die Mainstage, wo bekanntere Bands wie Querbeat und Mogelbaum performten. Ihre Musik war auf dem kompletten Festivalgelände zu hören und begleitete stets das Schlendern übers Gelände. Wer gerne lauscht und auf Wörterkunst setzt, war im Winterland genau richtig. Hier erwartete einen als Abwechslung zu den großen Shows Slam-Poetry, Vorträge und Lesungen. In der Wimpelgasse unterhielten Performer das Publikum. Theater-Künstler, Akrobaten und ein Zauberkünstler zeigten hier ihr Können und wurden dafür mit lautem Applaus belohnt. Der Sonnentempel erinnerte an eine ruhige und von vielen Bäumen umgebene Oase abseits des turbulenten Geschehens. Auf dem Programm standen hier Tanzperformances, Yoga- und Jonglage-Workshops als auch Filmvorführungen.

„Kein Festival. Wie Du es kennst.“

Es wurde an alles gedacht: von leckerem Essen, einem Mojito-Stand, an dem man sich das Zubereiten von Cocktails beibringen lassen konnte, erfrischenden Wasserspendern bis hin zu Schmink-Ständen. Neben Musik, Tanz und Slam-Poetry konnte man auch eher außergewöhnlichen Show-Acts wie einer Zaubershow beiwohnen oder aber auch bei Yoga-, Jonglage- und Graffiti-Workshops oder beim Klettern an der Kletterwand selber aktiv werden. Die Besucher schienen inspiriert vom Festivalgedanken und glänzten mit kreativen Outfits und glitzernder Schminke. Getreu dem Motto Zusammen Leuchten wurde ein Miteinander der Künstler und Besucher gepflegt und so zusammen ein einmaliges Erlebnis geschaffen.

Schauspiel Köln und Sion Hill

Neben vielen kleineren Ensembles und privat organisierten Initiativen war auch das Schauspiel Köln beim Festival vertreten. Doch dem Festival-Motto entsprechend ganz anders, als man es gewöhnt ist. Statt einer großen, perfekt ausgeleuchteten Bühne, gebührendem Abstand zwischen Schauspielern und Publikum oder auch einem Theatervorhang, wurde an diesem Tag eine einfache Fläche neben einer Bar zum Schauplatz. Im sogenannten Wörterwald – die Ebene im Herbrand‘s, die für sprachbasierte Performances wie Theater und Poetry Slam vorgesehen war – konnte man nun also eine Darbietung der Ensemblemitglieder des Kölner Schauspiels hautnah miterleben. Hautnah deshalb, da Bühne und Sitzreihen nur einen Meter voneinander entfernt waren und man sich somit mitten im Geschehen befand - sowohl für die beiden Schauspieler als auch für das interessierte Publikum eine ungewöhnliche, aber spannende Erfahrung. Es spielten beim Festival mit Elias Reichert und Kristin Steffen zwei Studenten, die zurzeit ihre Praxis-Semester am Schauspiel Köln absolvieren. Bereits letztes Jahr waren sie beim Zusammen Leuchten Festival dabei. Der Reiz besteht für sie darin, persönlich mit dem Publikum in Kontakt treten und die direkten Reaktionen auf ihre Performance wahrnehmen zu können. Ganz anders, als auf einer großen Bühne zu stehen und für eine schwarze Wand zu spielen.

DIE WIEDERVEREINIGUNG DER BEIDEN KOREAS

Für eine große, abendfüllende Theatervorstellung war im Rahmen des Festivals keine Zeit, doch dafür gab es kleine Einblicke in ihre Arbeit als Schauspieler in Form kleiner Szenen und Sketche. Diese stammten aus dem Werk „Die Wiedervereinigung der beiden Koreas“ von Joël Pommerat. Grob zusammengefasst handeln die dargebotenen Szenen von einem Geschäftsmann und seiner Assistentin, die eine durchaus komplizierte Beziehung zueinander haben. Zunächst ein rein geschäftliches, professionelles Verhältnis, das jedoch plötzlich durch eine verfängliche Frage der Assistentin eine plötzliche Wendung einnimmt. Die beiden haben die letzte Nacht zusammen in einem Zimmer verbracht. Da sich die Frau an nichts erinnern kann, fühlt sie ihrem Chef aufs Zahnfleisch und setzt ihn mal mehr, mal weniger stark unter Druck, doch endlich zu gestehen, was in der letzten Nacht geschehen ist. Was folgt, ist eine sehr unterhaltsame und stets überraschende Performance dieses Gesprächs. Emotionen wechseln beinahe satzweise, mal lachen sie peinlich berührt miteinander, mal sind sie traurig, mal wütend. Durch unvorhergesehene Situationen und den schnellen Wechsel zwischen den einzelnen Gefühlslagen der beiden Protagonisten entsteht eine sehr kurzweilige und vor allem lustige Performance. Bereits zu Beginn des kleinen Sketches ist man vollkommen eingenommen von der Ausstrahlung und dem Spiel der beiden Jungschauspieler. Professionell, charismatisch und sehr spannungsvoll schaffen sie es, das Publikum mitzureißen und in die kleine emotionale Krise zwischen Geschäftsmann und Assistentin einzubinden. Dabei sind die beiden Schauspieler so sehr in ihrem Element, dass sie sich noch nicht einmal von den klirrenden Geräuschen an der Bar ablenken lassen – geschweige denn von einem Mann, der plötzlich Wasserkästen über die Bühne schleppt. Es ist ein kleiner Ruhepol, den Elias und Kristin mit ihrer kurzen Performance inmitten des Festival-Tumultes schaffen und ein besonderer Einblick in die Theater-Arbeit, den man so nah nur selten zu sehen bekommt.

SION HILL

Während man gerade noch belustigt an die Theaterperformance zurückdenkt und sich über das vor Menschen nur so wimmelnde Festivalgelände bewegt, findet man sich auf einmal inmitten eines Pop-Konzertes wieder. Es sind tatsächlich nur wenige Meter, die die einzelnen Schauplätze voneinander trennen, kulturell gesehen jedoch große Sprünge, die man zurückgelegt hat. So wie es an diesem Samstag viele Theater-Vorstellungen gab, so gab es auch viele musikalische Darbietungen. Darunter auch Nathan Johnston alias Sion Hill, ein junger aufstrebender Musiker aus Irland, der mit seinem Mix aus Soul, Pop, Folk und Oldschool-Rock die Festival-Location Düstermeer verzauberte. Ähnlich wie die Theater-Perfomance schaffte auch der Gig von Sion Hill eine ruhige, isolierte Atmosphäre fernab des Trubels auf dem Gelände. Dabei war es alles andere als stressfrei für Johnston, das Festival zu erreichen. Ganz dem Klischee der Deutschen Bahn entsprechend hatten seine Züge so viel Verspätung, dass er eigentlich direkt vom Zug aus Berlin auf die kleine Festival-Bühne gehetzt kam. Doch hat der junge Ire die Zeit gut genutzt und ein Gedicht über seine Reise geschrieben, das er zum Auftakt vorlas. Damit schaffte Johnston sofort eine sehr persönliche, fast freundschaftliche Stimmung zwischen sich und seinen Zuhörern. An diesem Punkt merkte man schnell, dass es recht poetische und lyrische Texte sein würden, die einen im Folgenden erwarteten.

Und so war es dann auch. Nur mit Akustik-Gitarre ausgestattet, einer Sonnenbrille trotz dunkler Location im Gesicht, stand er – einem gelassenen Rock-Star gleich – vor dem Publikum und begann zu singen. Es waren ruhige, melodische und sehr eingängige Songs, die das zum Teil auf dem Boden sitzende, zum Teil stehende Festival-Publikum gleich mitwippen ließ. Von Blues und Soul gefärbte Rhythmen, die seine soulige, weiche Stimme begleiteten, eröffneten eine eigene Welt, in der man sich gerne verliert. Sion Hill präsentierte sowohl Cover, zu denen er sein Publikum einlud, mitzusingen, als auch persönliche Songs, deren Inhalte und Entstehung er auf charmante und unterhaltsame Weise mit seinen Zuhörern teilte. Auch wenn es manchmal schwierige Themen sein mochten, so waren es dennoch immer lebensbejahende Songs, die ein positives Gefühl beim Hörer zurückließen. Der kleinen Theater-Performance gleich ermöglichte auch dieser musikalische Gig eine besondere Nähe zwischen dem Singer-Songwriter und dem Publikum, die man so nicht jeden Tag erleben kann – getreu dem Motto „Kein Festival, wie du es kennst!“

Headerbild: © Konzertsucht