Stellwerk Magazin

in dubio pro disco

Vorwort

Der vierte und letzte Abend der TransLit 2018 mit Thomas Meinecke bot zum Abschluss eine Besonderheit: Die Diskussion fand nicht länger in Unihörsälen, sondern – ein Hoch auf die Musik – im Kölner Club „Acephale“ statt. Eine perfekte Umgebung für den DJ Meinecke, der an diesem Abend mit den Germanisten Prof. Dr. Eckhard Schumacher und Dr. Patrick Hohlweck zunächst diskutierte, bevor er dann gemeinsam mit Schumacher ans DJ-Pult wechselte.

Auf den ersten Blick hätte der Menschenauflauf vor dem Kölner Club „Acephale“ auf der Luxemburger Straße als ganz normale Partymenge an einem Freitagabend durchgehen können. Bloß die fehlende Musik passte nicht ins Bild. Und die Tatsache, dass Mittwoch war. Tatsächlich handelte es sich samt und sonders um Literaturbegeisterte. Nach drei Abenden Theorie über das Verhältnis von Literatur und Musik – der Lieblingskombo Meineckes – war die Neugierde auf die praktische Umsetzung des Themas groß. Beeinflusst von der Atmosphäre des Veranstaltungsortes drehte sich die einstündige Diskussion, die die Teilnehmer in einer gemütlichen Sitzrunde hielten, denn auch um genau dieses Thema. Besonders die Frage nach dem Abschreiben, Neuschreiben, Sampeln und Zitieren in beiden Medien wurde erneut erörtert. Wieder betont Meinecke, dass es, sowohl in der Musik als auch in der Literatur, nicht um das reine Kopieren geht, auch nicht um das Archivieren, sondern um die Neuinterpretation, das Neuzusammensetzen: „Gutes DJing lässt die Dinge das überschreiten, was sie zuvor waren.“ Er betonte, dass die Methode des Ab- und Umschreibens auch in der Literatur eine lange Tradition habe, die erst wiederentdeckt werden müsse. Beide Künste, so Meinecke, bewegen sich immer in Referenzräumen, direkt oder indirekt, und weder Schlager noch Techno können sich davon freisprechen.

Zitatenmeer

Auch an diesem Abend fielen erneut viele, viele Namen von Musikern, Literaten und Wissenschaftlern, die Meinecke mit unzähligen Anglizismen ins Gespräch einflocht. Dabei war es ihm wichtig, klarzustellen, dass es sich hierbei nicht um „Herrschaftswissen“ handelt, sondern um Gedankengänge, die ihn selbst beschäftigen, die aber eben jemand anders schon formuliert hat. Die Namen sollen nicht abschrecken, sondern dazu anregen, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen, selbst darüber nachzudenken und in die Theorie einzutauchen. Zwar blieb den meisten Zuhörern aufgrund der tropischen Temperaturen im Club und der fortgeschrittenen Stunde des Tages ein tiefgründigeres Nachdenken über literaturwissenschaftliche Theoreme an diesem Abend wohl verwehrt, doch die Botschaft kam trotzdem an.

Wenn Meinecke sprach, wurde seine aufrichtige Liebe zur Musik deutlich. Er beschrieb sie als die höchste aller Künste, als „Zusammenfall von Ding und Symbol“, als etwas, das noch außerhalb der Sprache existiere. Diese Liebe wurde dann später hinter dem DJ-Pult offenkundig: Meinecke schien immer wieder in Momenten der völligen Selbstvergessenheit aufzugehen, wenn er die Zuhörer beobachtete, um die Stimmung abzulesen, seine Platten sortierte und sein Set spontan zusammenbastelte. Auch wenn man die Stücke kannte, so konnte man hier erleben, wovon er während der ganzen TransLit gesprochen hat: Aus dem musikalischen Zitatenmeer entstand etwas Neues. So sind an diesem letzten Abend der Poetikdozentur die literarisch-wissenschaftlichen Diskurse auf eine andere Ebene gerückt. Es präsentierte sich eine Vermischung von Literaturdiskussion, Clubatmosphäre und Musik wie die real gewordene Zusammenfassung des Themas der diesjährigen TransLit: Literatur und Musik, Neuentstehung und Sampling, Eigengedanke und Zitat. Und am Ende steht ein Fazit, mit welchem sich die meisten Zuhörer und Tänzer an diesem Abend wohl gut identifizieren können: Im Zweifel für die Disco!