Stellwerk Magazin

POETICA 5 Mara Lee

Vorwort

Rausch ist das Thema der fünften Poetica, dem Festival für Weltliteratur in Köln. Was sich hinter diesem Wort alles verbergen kann, zeigen dieses Jahr unterschiedlichste Autoren und Autorinnen bei Lesungen und Gesprächen in der Woche vom 21. bis 26. Januar 2019. Mit dabei auch Mara Lee. Eine schwedische Autorin, die in ihren Gedichten das diesjährige Thema auf vielschichtige Weise verhandelt: Ekstatisch, tiefschürfend und voller Poesie.

„Es ist ein Tosen, das die Wände klappern lässt.“1Mara Lee: Gedicht zur Poetica 5. Nummer 01. In: Kärleken och hatet (Liebe und Hass). Aus dem Schwedischen übersetzt von Paul Berf, 2018, S. 6.

Ein Zitat aus einem von Mara Lees Gedichten, das neben dem Sound ihrer Sprache, auch das Gefühl des Lesers bei der Lektüre ihrer Texte veranschaulicht. In fließenden, vereinnahmenden Worten verhandelt Lee emotionale Themen, verschiebt Denkgrenzen und spielt mit Konventionen. „Die poetische Wahrheit“2Mara Lee: Gedicht zur Poetica 5. Nummer 11. In: Kärleken och hatet (Liebe und Hass). Aus dem Schwedischen übersetzt von Paul Berf, 2018, S. 82. muss dabei keinesfalls mit der reellen übereinstimmen und so schwanken ihre Zeilen dynamisch zwischen Fiktion und Realität, zwischen Rausch und Sinn. Verse wie „Roland Barthes hat gesagt, dass die Sprache hysterisch ist“3Mara Lee: Gedicht zur Poetica 5. Nummer 04. In: Kärleken och hatet (Liebe und Hass). Aus dem Schwedischen übersetzt von Paul Berf, 2018, S. 31. oder „Jemand sagte, die Wahrheit sagt man nicht mit Worten, sondern mit Sätzen“4Mara Lee: Gedicht zur Poetica 5. Nummer 07. In: Kärleken och hatet (Liebe und Hass). Aus dem Schwedischen übersetzt von Paul Berf, 2018, S. 96/97. spielen mit Sprachtheorien und Sprachgrenzen sowie mit der Frage, wie genau Sprache als Mittel zum Ausdruck von Gefühlen verwendet werden kann. Die Gedichte, die sie zum Thema Rausch ausgewählt hat, sind wie Gedankenströme, die den Leser packen und nicht mehr loslassen. Lee beeindruckt in ihren Texten durch die Fähigkeit, auch harten Themen eine tief berührende, poetische Sprache zu verleihen, ohne dabei die Bedeutung zu verklären. Facettenreich verhandeln ihre Gedichte den Rausch des Lebens und bescheren dem Zuhörer einen literarischen Höhenflug.

Poetischer Werdegang

Mara Lee wurde 1972 in Südkorea geboren und ist in Schweden aufgewachsen. Sie ist Autorin und Übersetzerin, studierte Literaturwissenschaften und unterrichtet „Kreatives Schreiben“. Ihr Debüt Kom erschien im Jahr 2000 und verhandelt Themen wie Macht, Weiblichkeit und Sexualität. Es folgten Lyrikbände und Romane, wie Hennes vård (dt. Ihre Pflege, 2004), Ladies (2007), Salome (2011) und Future perfect (2014). Für Salome erhielt sie noch im Erscheinungsjahr den Literaturpreis der schwedischen Tageszeitung Svenska Dagbladet. 2014 schrieb sie außerdem noch ihre Dissertation „Wenn andere schreiben: Schreiben als Widerstand, Verantwortung und Zeit“5När Andra skriver. Skrivande som motstånd, ansvar och tid., worin sie sich mit literarischem Design auseinandersetzt. Neben Gedichten, die in Schlittenspur durch den Sommer (2009) veröffentlicht wurden, ist ihr Debütroman unter dem Titel Die Makellosen 2011 auch auf Deutsch erschienen. Ihr neustes Werk lautet Kärleken och hatet (dt. Die Liebe und der Hass, 2018).

Das ist Poesie!

Am vierten Tag des Literaturfestivals haben Freunde des Rauschmittels Sprache die Möglichkeit, Mara Lee einmal selbst zu erleben. Zusammen mit der südafrikanischen Autorin, Schauspielerin und Performerin Lebogang Mashile sowie der britischen Schriftstellerin, Herausgeberin und Lektorin Jo Shapcott wird sie in Lesungen und Gesprächen der Frage nach der Verbindung von Dichtung und Ekstase nachgehen. Gibt es eine Sprache des Kontrollverlusts? Literatur und Rausch sind seit jeher so eng ineinander verwoben, dass die Grenzen erst einmal definiert werden müssen. Wen das interessiert, der ist herzlich eingeladen.
„Das ist Poesie" – Lesungen und Gespräche mit Mara Lee, Lebogang Mashile und Jo Shapcott. Donnerstag, den 24.1.2019, 19.30 Uhr. Altes Pfandhaus Köln. Eintritt 8/6 Euro | Karten an der Abendkasse

Foto: © Märta Thisner