Stellwerk Magazin

Lesung Fisch und Fuchs im Schnörres

Vorwort

Die Diskokugel steht an diesem Abend still im Schnörres. Auf Bierbänken und Hockern sitzen die Zuschauerinnen und Zuschauer eng zusammen; einige müssen trotzdem stehen. Es ist leise in der Kneipe, alle Köpfe sind nach vorne gerichtet. Auf der Bühne, die eigentlich gar keine ist, sitzt die erste Autorin des Abends auf einem Barhocker. Ihr Blick ist nach unten gerichtet, das Papier vor ihr leuchtet hell im Schein der Leselampe.

Die Lesereihe Fisch und Fuchs wurde von Studierenden des Masters Theorien und Praktiken professionellen Schreibens ins Leben gerufen. Martin Kraus ist einer der Moderatoren des Abends und er hat die Lesung mit organisiert. „Im Rahmen dieses Studiengangs entstehen jede Menge Texte, die viel zu oft wieder in einer Schublade verschwinden ohne jemals von einem breiteren Publikum gelesen oder gehört zu werden“, erklärt er. Daher sei den Studierenden der Gedanke gekommen, eine eigene Lesereihe zu organisieren. „Am Anfang haben wir uns getroffen und überlegt, was wir eigentlich wollen und wer wir genau sind“, sagt Martin Kraus zum Entstehungsprozess der Lesereihe. In Anlehnung an die Redewendung „nicht Fisch, nicht Fleisch“ sei dann schließlich der Titel Fisch und Fuchs entstanden. Er spielt darauf an, dass die Lesung offen sein soll für unterschiedlichste Themen und Textsorten. Die Stimmung an diesem Abend ist angenehm und vertraut. Im Zuschauerraum rückt man zusammen, um allen irgendwie ein Sitzplatz zu ermöglichen, und obwohl es voll ist, ist die Atmosphäre intim. Viele kennen sich untereinander, sind Kommilitoninnen und Kommilitonen und haben auch selbst wieder Freundinnen und Freunde mitgebracht. Wann immer gelesen wird, ist es still im Publikum. Stellenweise ist die Stimmung ernst, zum Beispiel wenn Jette Klimmeck in ihrer atmosphärischen Kurzgeschichte über Balkongespräche in Hochsommernächten schreibt oder wenn Lisa James die Tristesse von langen Krankenhauskorridoren schildert. An anderen Stellen, wie der Loriot-inspirierten szenischen Lesung von Amelie Hofmann oder den absurd-grotesken und auf den ersten Blick unzusammenhängenden episodischen Geschichten von Claudia Tomaschewski lacht das Publikum immer wieder.

© Martin Krauss v.l.n.r.: Ulla Hiltl, Jette Klimmeck und Amelie Hofmann © Martin Kraus

Alle Mitwirkenden auf und hinter der Bühne sind Studierende des Masters Theorien und Praktiken professionellen Schreibens. Dass hier Menschen stehen, die sich intensiv mit Schreibprozessen auseinandersetzen, macht sich immer wieder bemerkbar. In den kurzen Dialogen mit den Moderatoren nach jedem Vortrag lässt sich erkennen: Die Studierenden kennen ihre Texte und ihre Schreibstile untereinander. Sie sprechen nicht nur über den Entstehungsprozess, sondern auch darüber, wie sie Texte überarbeitet und verändert haben. Ulla Hiltl, die zweite der insgesamt sechs Lesenden des Abends erzählt, wie sie nach dem Feedback ihrer Kommilitoninnen und Kommilitonen die Erzählinstanz ihrer Kurzgeschichte verändert hat. Zunächst habe es nämlich einen männlichen Protagonisten gegeben. Den Vorschlag, die Geschichte stattdessen aus der Ich-Perspektive zu schreiben und damit das Geschlecht der Erzählinstanz offen zu lassen, fand sie gut. Daraufhin habe sie ihren ganzen Text noch einmal überarbeitet. Auch Anika Hoffmanns Text hat einen konkreten Bezug zu ihrem Studium. Sie liest ein Gedicht, das im Rahmen eines Lyrikseminars mit Tom Schulz entstanden ist. Der ganze Kurs sei ins Uni-Center gefahren, um sich von dem Gebäude und der Atmosphäre dort inspirieren zu lassen. Aus dieser Situation heraus sei das Gedicht entstanden, erzählt Hoffmanns. Viele der Autorinnen – an diesem Abend lesen ausschließlich Frauen – berichten, dass sie mit den hier präsentierten Texten mal etwas Neues versucht haben. Eine neue Form, eine neue Herangehensweise; im Fall von Lisa James, deren Lesung visuell durch eine kurze Videosequenz begleitet wird, sogar eine neue Form der Präsentation.

Lisa James, Anika Hoffmanns, Claudia Tomaschewski © Martin Kraus v.l.n.r.: Lisa James, Anika Hoffmanns und Claudia Tomaschewski © Martin Kraus

Der gemeinsame Studiengang und die Lust am Erzählen, Schreiben und Experimentieren schaffen den Rahmen für diese zweite Fisch und Fuchs Lesung, die sich sonst nur wenige Regeln setzen möchte. Dabei können sich die Organisatorinnen und Organisatoren die Veranstaltung durchaus noch diverser vorstellen. Bisher wurden im Rahmen der Lesung nur fiktive Texte präsentiert, man schließe aber auch journalistische und pragmatische Textformen nicht grundsätzlich aus. Auch dass an diesem Abend ausschließlich Frauen ihre Texte vorstellen, habe sich zufällig ergeben. „Im Mittelpunkt steht erstmal der Text“, sagt Martin Kraus. Die Jury habe viel diskutiert über die Einsendungen und diese sechs hätten am meisten überzeugt. „Wir möchten diese Lesereihe gerne weiter führen“, sagt Martin Kraus. Abhängig sei das aber natürlich von verschiedenen Faktoren. Hinter dem Projekt steckt eine Menge Arbeit und einige der Organisatorinnen und Organisatoren sind schon am Ende ihres Studiums angekommen. Und dann müsse man natürlich eine Auswahl guter Texte zusammen bekommen von Studierenden, die auch bereit seien, diese bei Fisch und Fuchs vorzutragen. Das sei das wichtigste, sagt Martin Kraus. Nach der Lesung bleiben einige der AutorInnen und ZuschauerInnen noch eine Weile im Schnörres. Draußen wird geraucht, es wird Bier getrunken und man kommt sehr leicht miteinander ins Gespräch; auch über die Texte und das Studium hinaus. Schreiben an sich ist ja bisweilen ein sehr einsames Hobby; umso schöner, dass die Studierenden des Schreibmasters ihre Texte zum Anlass nehmen, sich in so angenehmer Atmosphäre zu treffen.

Fisch & Fuchs Logo: Lisa James