Stellwerk Magazin

TransLit 2021 „Die erste und letzte“

Vorwort

Zunächst einmal heißt es warten. Daheim am Schreibtisch – wie so oft in den letzten anderthalb Jahren, in denen sämtliche Seminare und auch die TransLit online stattfinden mussten. Nur bei der letzten der insgesamt vier Veranstaltungen war Iris Hanika live vor Ort im Kölner Literaturhaus; im Publikum ausgewählte Mitglieder. Wir – die Student:innen, die die Poetikdozentur im Rahmen unseres Studiums verfolgten, waren nicht dabei. So saß auch ich oft daheim am Computer und schaute Iris Hanika über das digitale Fenster zu. Sie sprach über ihr Schreiben, über die Verbindung von Musik und Literatur und die Liebe zum Film. In der ersten Veranstaltung proklamierte sie: „Ich will nur schreiben.“ und: „Ich lege Wert darauf, mich im Reich der Schrift zu bewegen und es niemals zu verlassen.“ Anlässlich der TransLit war sie jedoch gezwungen in die Gefilde der Oralität vorzudringen und jenes geliebte Reich zu verlassen. Es scheint, als brauchte das Auftauchen aus der Schrift manchmal ein wenig Zeit. Nach 15 Minuten kommt auch Iris Hanika an die Oberfläche und in die Zoom-Welt hinein. Sie entschuldigt sich vielmals, nur habe sie die Zeit bei der Arbeit, beim Schreiben, vergessen.

Also erste Frage: Sind Sie erleichtert, dass die TransLit-Dozentur vorbei ist?

Iris Hanika: Erleichtert ist das falsche Wort. Ich habe die TransLit sehr genossen und bin deswegen auch nicht erleichtert, aber es ist trotzdem gut, dass die Dozentur vorbei ist. Wie ich in der letzten Veranstaltung sagte: Es war meine erste Poetikdozentur und wird meine letzte gewesen sein, weil ich so etwas nicht kann. Ich denke viel über das Schreiben nach und habe es ja auch nicht umsonst studiert. Der moderne Roman ist schließlich mit der Schrift verbunden. Ich schreibe zwar keine Epen, in denen eine Geschichte erzählt wird, aber Romane. Und ich lese gerne vor, auch wenn meine Literatur nicht zum Vorlesen gedacht ist.

Es stellt sich wieder das gewohnte Gefühl ein, mit Iris Hanika über das Schreiben zu sprechen, aber doch außen vor zu bleiben. Es ist diese Ahnung, wie die Kraft ihrer Literatur zustande kommt, aber der Kern erschließt sich nicht. Die Verbindung zwischen Theorie und Praxis ist nur ansatzweise zu erahnen. Wie sieht es denn auf der anderen Seite der Schrift aus?

Haben Sie, Iris Hanika, durch die Dozentur einen anderen Blick auf Ihr Schreiben, Ihre Werke bekommen?

IH: Nein, wie sollte das gehen?

Zum Beispiel durch Perspektiven der Gesprächspartner:innen, die Deutungen an Sie herangetragen haben, die Sie vielleicht selbst gar nicht bedacht haben.

IH: Also es ist so, dass ich meine Bücher endlos durcharbeite. Wenn ich sie abgebe, dann sind sie wirklich fertig. Dann ist da eigentlich nichts mehr dran zu machen. Ich freue mich, wenn jemand etwas herausliest, von dem ich nicht wüsste, dass ich es hineingeschrieben hätte. Aber es ist nicht so, dass ich dadurch das Buch anders wahrnehme, eher denke ich: aha, das steht da auch drin. Das ist immer interessant und bedeutet natürlich auch eine Bestätigung meiner Arbeit.

© Alberto Novelli Villa Massimo Iris Hanika © Villa Massimo/Alberto Novelli Iris Hanika (*1962) war die fünfte TransLit-Poetikdozentin. Sie studierte Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften an der Freien Universität Berlin. Nach ihrem literarischen Debüt mit der Erzählung „Katharina oder Die Existenzverpflichtung“ arbeitete sie als freie Schriftstellerin und Journalistin. Ihre Bücher wie „Treffen sich zwei“ oder „Tanzen auf Beton“ wurden zahlreich verkauft, verfilmt und mit Preisen wie dem Hermann-Hesse-Literaturpreis geehrt. Zuletzt gewann sie den Preis der Leipziger Buchmesse für ihren Roman „Echos Kammern“, mit dem sie sich einmal mehr „als kluge, witzige und wüste Erzählkonstrukteurin“ ausweist, wie es in der Jurybegründung heißt.

Doch nicht nur die Student:innen und andere Teilnehmer:innen saßen während der TransLit zu Hause. Auch Iris Hanika dozierte von ihrem Wohnzimmer aus.

War es nicht auch ganz bequem von zu Hause aus über die eigene Arbeit zu sprechen?

IH: Also, wenn man es nicht übers Internet hätte machen müssen, hätte ich es lieber analog gemacht. Ich finde Präsenz immer gut. Leute müssen zusammenkommen und reden. Aus der persönlichen Zusammenkunft ergibt sich einfach am meisten. Deswegen fand ich auch diese Abschlussveranstaltung im Literaturhaus so schön, weil ich dann auch die anderen Leute, die an der TransLit mitgewirkt haben, gesehen habe. Die Menschen, die ich vorher nur über den Bildschirm kannte, sahen live dann doch ganz anders aus. (lacht)

Wir kommen noch einmal auf die Verfilmung ihres Romans „Treffen sich zwei“ zu sprechen. Im Podiumsgespräch mit Bert Rebhandl und Claudia Liebrand äußerte Hanika ihr Missfallen gegenüber der Fernsehproduktion ihres Romans unter der Regie von Ulrike von Ribbeck. Vor dem Gespräch hatte Iris Hanika den Film nicht noch einmal gesehen.

Haben Sie das nach der Veranstaltung noch einmal nachgeholt?

IH: Nee, das habe ich nicht. Ich hatte mir von dem Film etwas anderes gewünscht, aber durch die TransLit auch ein wenig meinen Frieden damit geschlossen. Ich mag ja das Medium Film. Ich gehe sehr gern ins Kino. Film und Musik sind mir beide sehr wichtig. Insofern schwingt das auch immer in meinem Schreiben mit. Manchmal kann Schrift wilder sein als das Kino. Obwohl das so auch nicht stimmt. Beispielsweise „2001. Odyssee im Weltraum“ oder „Eternal Sunshine Of The Spotless Mind“ sind wilde Filme mit großen zeitlichen Sprüngen und großer Kreativität.

Wir kommen auf unsere Lieblings-Filme und -Regisseur:innen zu sprechen und tauschen einige Tipps untereinander aus. Es scheint, als könnte man mit Iris Hanika viel leichter über das Werk anderer sprechen als über das eigene. Die Begeisterung für Kunst aller Art steht ihr auch auf dem Bildschirm ins Gesicht geschrieben. Es ist das, was Iris Hanika zur prädestinierten Autorin für die TransLit macht, schließlich ist diese als transmediale Poetikdozentur angelegt. Die Liebe zur Musik, zum Film, zur Literatur; diese Liebe fließt auch in ihr Werk und blitzt dort auf, auch wenn sie selbst nicht erklären kann, wie es dort hineinkommt.

Bei der TransLit sprachen Sie über Ihre Affinität zu Heavy Metal, Schlager und auch Haydn. Was ist Ihre derzeitige Lieblingsmusik?

IH: Es wundert mich, aber ich höre in letzter Zeit recht wenig Musik. Aber da gibt es diese eine Platte: „Easy Listening For The Hard Of Hearing“ von Boyd Rice und Trank Tovey. Das erste Stück habe ich als Ton auf meinem Handy und dann habe ich letztens noch einmal die ganze Platte gehört und dachte: Das ist es! Das ist mein derzeitiges Lieblingsalbum. Und „Music for 18 Musicians“ von Steve Reich. Andererseits könnte ich aber nie sagen: Das ist meine absolute Lieblingsmusik. Es gibt einfach zu viele gute Sachen.

Das Interview wird zum Gespräch. Wir tauschen Musik und Filme aus, unterhalten uns über die Feier nach der Verleihung des Leipziger Buchpreises. Im persönlichen Austausch wird mehr über Iris Hanika und ihr Schreiben klar, als es bei der TransLit häufig der Fall war. Manchmal fiel es schwer einen Kern ihrer Arbeit zu finden, eine wissenschaftliche Quintessenz, die ihren Erfolg, ihre Literatur begründet. Doch nun, mal wieder im Zoom-Fenster, habe ich das Gefühl dem näher zu kommen. Literatur lässt sich nicht immer erklären, nicht immer in Seminaren und Dozenturen theoretisieren und ergründen. Eigentlich bleibt einem nur eines: In das Reich der Schrift abzutauchen. Und: lesen, lesen, lesen.

Vorschaubild: © Villa Massimo/Alberto Novelli

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Hier findet ihr alle Links zu den Aufzeichnungen der diesjährigen TransLit-Veranstaltungen auf der Website der Philosophischen Fakultät