Stellwerk Magazin

Kurz mal Deutschrap den Zahn gezogen

Vorwort

Die New-Wave überflutet die Deutschrap-Szene. Besonders die Bolo Boys sorgen derzeit für Furore. Die Gang rund um den Berliner Rapper makko vereint Emo-Punk-Rap mit Skater-Attitude und lackiert die angestaubte Trap-Fassade neu. Dabei sind sie bis auf die Zähne bewaffnet mit melodischen Gitarren-Beats, die stilistisch an den Nirvana-Sound der späten Neunziger erinnern. Mitte Dezember erschien das zweite Studioalbum von makko: „Leb es oder lass es 2“ knüpft stilistisch wie musikalisch an den ersten Teil an, der 2020 herauskam.

Nachdem viele Jahre standardisierter Afro-Trap und Drill das beherrschende Paradigma darstellten, sind es derzeit vor allem junge Künstler:innen, die der deutschsprachigen Rap-Szene neues Leben einhauchen. Einer von ihnen ist der Berliner makko. Mit dem Überraschungserfolg von „Leb es oder lass es“ hat er 2020 die längst überfällige Wende in der Deutschrap-Landschaft eingeläutet und das Cloud-Genre neu interpretiert. Im ersten DIY-Studioalbum „Leb es oder lass es“ bewies er, dass er schon sehr früh das geschafft hat, woran sich viele Rapper:innen ihre ganze Karriere lang die Zähne ausbeißen: seinen eigenen Stil zu etablieren. Mit der Neuerscheinung setzt er sogar noch einen drauf und verbessert sich besonders auf musikalischer Ebene. Vor allem das Verhältnis von Beats und Lyrics wirkt runder als beim Vorgänger. „Leb es oder lass es 2“ ist noch mehr makko und beweist, wie viel Potenzial in dieser noch jungen Karriere steckt.

makko © makko Der Rapper makko heißt mit bürgerlichem Namen Christoph Makowski und stammt aus Berlin. Bekannt wurde er durch den Featuretrack „Kühlpack“ zusammen mit dem Comedian Vini Paff aka. Vincent Pfäfflin. Seit vielen Jahren ist er leidenschaftlicher Skater und mit der Szene eng verbunden. Neben seinen beiden Studioalben „Leb es oder lass es“ und „Leb es oder lass es 2“ veröffentlichte er 2021 mit seinem Bolo Boys Crew-Kollegen Toobrokeforfiji, die EP „Poesie gemischt mit Bier“.

Am Zahn der Zeit

Chillige Beats, die vor allem durch melodische Elemente überzeugen, sorgen für den unverkennbaren Skater-Vibe. Gitarren- und Pianosamples sind dabei keine Seltenheit und prägen Songs wie „Grad mal ein Jahr“ und „Selbe Jeans“. Ein unverkennbares makko-Stilmittel ist seine Stimme, oder eher die Art, wie er sie mischt – nämlich überhaupt nicht. Zu Anfang klang das Nuscheln ohne Mix- und Mastering eher wie ein zahnloser Tiger im glattgebügelten Autotune-Dschungel. Mittlerweile ist klar, dass es ein bewusst eingesetztes Stilmittel ist, das die Coziness seiner Texte perfekt in Szene setzt, und eine erfrischende Abwechslung zum Hochglanzrap darstellt. Textlich beweist das Bolo Boys-Mitglied bereits Kreativität und Wortwitz, trotzdem sind die Lyrics teilweise ausbaufähig und man stolpert beim Hören über die eine oder andere holprige Line: „Baby steht so sehr auf mich, dass sie sich auf mich hinsetzt“. Inhaltlich liefert makko vor allem Zeitgeist. Neben Smoken und Skaten haben seine Texte die Message: Scheiß auf Hater, Liebe für die Fam! Mit dieser Formel erfindet er den Rap zwar nicht neu, das muss er aber auch nicht. makko-Songs sind nicht mehr als das, was sie sein wollen – Musik zum Viben, die zum Dauerrepeat einlädt. Und das ist gut so.

Etwas für den hohlen Zahn

Besonders amerikanische Künstler:innen, allen voran der A$AP-Mobb, haben die Musik des Skaters seit Beginn geprägt. Dem Deutschrap bleibt makko dagegen weitestgehend fremd. Er beschäftigt sich nicht mit anderen Deutschrapper:innen außerhalb seiner Crew und das hört man deutlich. Seine Musik wirkt unverbraucht und frei. Die Wurzeln seines Sounds finden sich klar erkennbar im Cloud-Genre, daneben ist es vor allem seine Verbindungen zur Skater-Szene, die seine Songs prägen. Neben Musikern wie Can mit Me$$R oder Sin Davis ist es makko, der dem aufkeimenden Pseudo-Subgenre „Skate-Rap“ ein Gesicht verleiht. Doch experimentelle Songs wie „Morgen/Heute“ lassen ein solches Schubladendenken eigentlich gar nicht zu. Der Berliner bewegt sich mit seiner Musik absolut am Puls der Zeit, setzt sich aber dennoch vom Rest ab. Dieser Balanceakt einer noch so jungen Karriere ist bemerkenswert. Was man dem Album jedoch vorwerfen kann, ist ein generell unglückliches Phänomen der neuen Ära: Mit seinen 13 Songs, von denen die meisten nur ca. zwei Minuten lang sind, hat der Longplayer eine sehr kurze Laufzeit. Bei einer Gesamtlänge von gerade einmal 30 Minuten ist das leider nur etwas für den hohlen Zahn. Hier wäre mehr makko wünschenswert.

Kurz mal Deutschrap den Zahn gezogen

Trotz kleiner lyrischer Schwächen ist die LP ein hervorragendes Album, das die aktuelle Entwicklung im Deutschrap widerspiegelt und dennoch viele Alleinstellungsmerkmale aufweist. Gerade diese Schwächen verheißen uns aber auch, dass wir von dem Jungen mit der unverkennbaren Zahnlücke noch viel erwarten können. Während andere Rapper versuchen mit teuren Grillz zu flexen, aber mit wenig Substanz in ihren Texten aufwarten, skatet makko eine andere Schiene und präsentiert stolz seinen fehlenden Schneidezahn. Mit dieser authentischen Leichtigkeit entknotet er das verkrampfte Schema F von Playlist-Deutschrap und beweist denen, die die Hoffnung bereits aufgegeben haben, dass Rap so viel mehr kann. Kurzgesagt: Mit „Leb es oder lass es 2“ hat makko Deutschrap förmlich den Zahn gezogen, der längst schon faul und überfällig war.

Header- und Vorschaufoto: © Bennet Henkel