Stellwerk Magazin

Interview Über die Kölner Mediaevistentagung

Vorwort

Prof. Dr. Monika Schausten studierte Germanistik, Philosophie sowie Psychologie in Köln. Sie hat 1994 in Köln promoviert. 2004 wurde sie zum Thema Suche nach Identität. Das Eigene und das “Andere” in Romanen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit habilitiert. Im Rahmen der internationalen und interdisziplinären 40. Kölner Mediaevistentagung vom 13.09. – 16.09.2016 stellte sie jüngst ihren Beitrag “Zwischen Wissen, Neugierde und Glauben: Von der produktiven Kraft des Irrtums in Hartmanns von Aue Der arme Heinrich” vor. Wie ihre persönlichen Eindrücke von der Jubiläumsausgabe der Mediaevistentagung waren und wie viel Vorbereitungszeit man für einen wissenschaftlichen Vortrag benötigt, hat sie uns im Interview verraten.

monika schausten © Monika Schausten

Wie häufig haben Sie bereits an der Kölner Mediaevistentagung teilgenommen und was gefällt Ihnen an diesem Format?

Ich habe dieses Jahr zum ersten Mal an der Mediaevistentagung teilgenommen, da es terminlich bislang nie gepasst hatte. An der KMT gefällt mir sowohl, dass für jedes zweite Jahr ein besonderes Thema ausgesucht wird, welches sich für verschiedene Disziplinen aus der Mediävistik eignet, als auch die Möglichkeit eines interdisziplinären Gesprächs mit anderen Forscher*innen.

Welcher Vortrag hat Ihnen besonders gefallen und warum?

Leider kann ich jetzt natürlich keine Best-of-Liste erstellen, weil es häufig so ist, dass die immer schon mit Scheuklappen versehene eigene Perspektive Interessen für einzelne Vorträge im Voraus bildet. Man kann jetzt nicht sagen, dass genau dieser Vortrag jetzt mein Weltbild revolutioniert hat. Aber ich fand zum Beispiel die Beiträge der amerikanischen Kollegen vom ersten Tag interessant, welche sich mit philosophischen Fragen beschäftigt haben. Auch war die Debatte um Mensch-Tier-Verhältnisse für mich von Belang, weil das für mich selber mit vielen eigenen Fragen verbunden ist, also wie sich das in der Literatur darstellt und wie die Diskurse darüber geführt werden.

Zudem finde ich es immer wieder wichtig, zu erkennen, wie unterschiedlich Disziplinen arbeiten. Ich fand bei den Philosophen interessant, dass beispielsweise die philosophischen Systeme von der Antike bis ins Mittelalter vorgestellt wurden und die Geschlossenheit der Systeme – so mein Eindruck – an sich überhaupt unangetastet blieb. Wenn sie terminologische Erweiterungen finden, wie etwa den im Blick auf den im Mittelalter im Rekurs auf die Antike definierten Irrtumsbegriff, dann wird das systemimmanent besprochen. Die Frage etwa nach der Funktion der Reaktion mittelalterlicher Philosophen auf antike Konzepte und warum diese modifiziert werden, wird eher nicht gestellt. Daran merke ich, dass Germanisten anders arbeiten. Diesen Punkt finde ich zum Beispiel auch sehr interessant.

Hat sich der Besuch dieser Tagung für Ihre eigene Forschung gelohnt?

Ja, das tut es ja immer. Meiner Ansicht nach, hat sich das Thema des Irrtums für die Lektüre von mittelalterlichen Texten deshalb als sehr produktiv erwiesen, weil wir das Ganze nicht direkt über eine Begriffsgeschichte aufziehen können. Es wurde mehrfach verhandelt, dass in der Volkssprache der Begriff des Irrtums so häufig gar nicht vorkommt, jedoch der Phänomenbereich des sich Irrens dann in der Narration anders gefasst wird. Es hat mir daher sehr geholfen, die Wegstruktur mittelalterlichen Erzählens über diese Form der Semantisierung anzuschauen und zu gucken, inwieweit mittelalterliche Texte auf Irrtümer eingehen und in welcher Weise Irrtümer in einer imaginierten Erfahrungswelt konkretisiert werden – ohne direkt von Irrtum zu sprechen. Das hat mich bezüglich meiner eigenen Forschung insofern inspiriert, als dass man über das Wegethema noch einmal intensiver nachdenken muss.

Dies wird zum Beispiel im nächsten Jahr auf einer Tagung mit dem Titel Anthropologie der Kehre. Figuren der Wende in der Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit geschehen. Es besteht im Bereich der Literaturwissenschaft also eine gewisse Aufmerksamkeit für diese Thematik. Dieser Tagungsbesuch war für mich also schon fast eine Art Vorbereitung für die kommende literaturwissenschaftliche Tagung. Ich fand es natürlich auch interessant, dass die Beiträge auf der KMT, die von volkssprachlicher Literatur handelten, meine bisher gewonnenen Eindrücke über volkssprachliche Literatur bestätigen konnten. Das gibt einem als Wissenschaftler eine Art Vergewisserung, dass man nicht auf dem Holzweg ist.

Wie viel Zeit verwenden Sie auf die Vorbereitung für einen wissenschaftlichen Vortrag?

Wenn man sich mit Hartmann von Aue auskennt – jeder Altgermanist kennt ihn – benötige ich in etwa drei Wochen. Wichtig ist, dass man konzentriert und kontinuierlich arbeitet und diese Arbeit auch priorisiert. Das Vortragschreiben ist immer ein längerer Prozess.

Würden Sie auch Studierenden empfehlen, die Kölner Mediaevistentagung oder überhaupt Tagungsformate dieser Art zu besuchen?

Ich würde es generell empfehlen, aber man muss in diesem Fall eine gewisse Frustrationstoleranz mitbringen. Man darf nicht erwarten, dass man von Anfang an alles versteht oder alles für sinnvoll erachtet, sondern man muss im Grunde genommen bereit sein, sich hinzusetzen und sich selbst zu fragen: "Was kann ich daraus denn mitnehmen?" Um ganz ehrlich zu sein, hat keiner der dort anwesenden Professor*innen unbedingt alles verstanden, was natürlich an der Interdisziplinarität der Tagung liegt. Man versteht Beiträge aus Fächern, die einem näher stehen, natürlich sehr viel besser und umfassender als Beiträge aus anderen Fächern. Voraussetzung an der Teilnahme einer wissenschaftlichen Tagung ist, dass man auch dann noch zuhört, wenn man erst einmal gar nichts versteht. Ich würde es definitiv allen Studierenden empfehlen, die vielleicht damit liebäugeln, im Wissenschaftsbereich tätig zu werden. Selbst Studierende, die vielleicht mal journalistisch arbeiten wollen, können hier Grundlegendes zum Recherchieren sowie zum Formulieren lernen.

Und auch wie wissenschaftliche Vorträge aufgebaut werden…

Ja, auch das. Besonders bei solchen Tagungen kann man sehen, wie man Vorträge gut hält – oder eben auch – das muss man ja nicht verschweigen – nicht so gut. Man kann zudem lernen, wie man einen guten Vortrag gestalten und aufbauen muss – mit allem, was dazugehört.

Vielen Dank für das Interview!

Foto: Veronica Mastrogiovanni

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